Gelsenkirchen. Der alte ist auch der neue Champion: Rhein Fire gewinnt das Finale der Football-Liga ELF auf Schalke mit 51:20 gegen die Vienna Vikings.
Nur eine einzige Gruppe veranstaltete auf dem Parkplatz vor der Schalker Arena eine kleine Tailgate-Party. Die Kühlbox stand auf der Ladefläche des Pick-Ups, Burger lagen daneben, mit der Bierdose wurde sich zugeprostet. Das Parkplatz-Vorglühen - eine uramerikanische Tradition vor Footballspielen, wie es eine Stunde später am Sonntagmittag auch eines in Gelsenkirchen gab: Finale der European League of Football (ELF), Rhein Fire trat gegen die Vienna Vikings an. Immerhin, in der Arena wurde es dann doch im großen Stil noch richtig amerikanisch: Cheerleader sprangen auf und ab, Feuerfackeln flankierten die Spieler beim Betreten des Rasens und Nationalhymnen wurden intoniert. Schließlich marschierte sogar die Bundeswehr-Kapelle ein. Eingedeutschte Zutaten eines Sports, der seinen amerikanischen Ursprung auch hierzulande zelebriert.
Es folgte ein punktereiches Spiel, am Ende siegte Titelverteidiger Rhein Fire 51:20 (30:13). Trainer Jim Tomsula hatte schon zwei Minuten vor Spielende eine Eiswasser-Dusche erhalten und reckte die Faust Richtung Arena-Dach, Quarterback Jadrian Clark umarmte Running Back Glen Toonga. Gemeinsam hatten die beiden der Offensive des Düsseldorfer Teams mit dem Heimspielort Duisburger MSV-Arena ihren Stempel aufgedrückt. Johlend stemmten sie die silberfarbene Trophäe unter dem Jubel der 41.364 Zuschauer in die Höhe, wieder zuckten Feuersäulen am Seitenrand. Rhein Fire sind die alten und neuen Footballkönige von Europa.
ELF-Finale: Hier Auftritt von Usher, dort Zuschauer mit Kickversuchen
Was war das vierstündige Event also? Das europäische Äquivalent zum Super Bowl? Nein, das wäre doch ein unfairer Vergleich. Im Februar traten beim Endspiel der NFL in Las Vegas die Musik-Superstars Usher, Alicia Keys und Ludacris auf – in Gelsenkirchen kickten in der Halbzeitpause zwei Zuschauer einen Football über den Rasen. Der übertragende Sender CBS zeigte in den Unterbrechungen des NFL-Finals neueste und kreative Werbespots, jede Sekunde brachte der TV-Station Millionen Dollar ein. Hier gab es auf Pro7 am Sonntagmittag Altbekanntes rund um Internetanbieter, Fast-Food-Ketten und Filmankündigungen zu sehen. NFL-Profis verdienen mehrere Millionen Dollar, in der ELF stülpen überwiegend Amateure die Helme über. Und im Superbowl zwischen den San Francisco 49ers und Kansas City Chiefs siegten die Chiefs in einem Spiel voller Spannung im Verlängerungsdrama 25:22. Auf Schalke aber ging es lediglich im ersten Viertel spannend zu, den schnellen Touchdown der Wiener nach vier Minuten egalisierte Rhein Fire kurz darauf und dominierte daraufhin die Partie.
Aber all das überraschte wenig, der Football in Europa verfügt nicht über die gigantischen finanziellen Ressourcen der weltbesten Liga NFL. Zumal die ELF noch in den Kinderschuhen steckt, erst 2021 startete und seitdem langsam expandiert. Rhein Fire ist erst im dritten Jahr dabei, das legendäre Team aus Zeiten der NFL Europe (zwei Titel zwischen 1995 und 2007) ist mit einem Schnitt von über 11.000 der Zuschauer-Krösus der Liga. Von einem Hype wie in den USA ist der Sport mit dem eierförmigen Lederball hierzulande trotzdem weit entfernt. Im Schnitt waren bis zum Finale rund 3990 Zuschauer, die die Spiele der 17 Teams aus neun Ländern in dieser Saison in den Stadien verfolgten, im Fernsehen waren es durchschnittlich rund 90.000 Menschen. Das ist ausbaufähig.
ELF-Finale: 18. Team kommt hinzu, Patrick Esume schwärmt
Doch ein langsames, aber gesundes Wachstum ist das Ziel von ELF- Commissioner Patrick Esume. Der TV-Experte und das Gesicht der NFL-Übertragungen in Deutschland, setzt auf ein stetiges Steigern der Popularität. Im kommenden Jahr werden erneut sieben deutsche Mannschaften in die Saison starten, ohnehin sind die Zuschauerzahlen hierzulande deutlich höher als im Rest Europas. Als 18. Team stößt kommendes Jahr Nordic Storm aus der dänischen Hauptstadt Kopenhagen hinzu. Fakt ist aber auch, dass die ELF bereits zwei Mitglieder wieder verloren hat – und die Barcelona Dragons sportlich und wirtschaftlich ein Sorgenkind bleiben. „Dass unser Wachstum nicht überall gleich linear vonstattengeht, war uns klar“, sagte Esume.
Doch nach dem Endspiel wollte er lieber die Gegenwart feiern, die überwiegend aus Rhein-Fire-Fans bestehenden Zuschauer gingen zufrieden nach Hause. „Das war ein Heimspiel für uns, danke an alle Fans“, rief Rhein-Fire-Trainer Tomsula. „Ein tolles Finale“, schwärmte auch der 50-jährige Esume. Er tat es in einem solch überschwänglichen Ton, wie es sonst typischerweise nur Amerikaner tun.