Essen. Angelo Stiller ist der einzige Neue im DFB-Team. Auf den großen Umbruch verzichtet Julian Nagelsmann. Eine wichtige Frage bleibt offen.

Am 3. Juni 2024 war die deutsche Nationalmannschaft für Angelo Stiller gar nicht so weit weg, wie es jenes Bild wirken ließ, das der 23-Jährige in den Sozialen Medien teilte. Es zeigt ihn gemeinsam mit seiner Freundin im Urlaub. Am selben Tag holte sich die DFB-Elf in Nürnberg den Feinschliff für die Europameisterschaft, sie trennte sich von der Ukraine mit 0:0.

Stiller hätte damals schon dabei sein können, das hatte Julian Nagelsmann mal angedeutet. Ob der großen Konkurrenz im zentralen Mittelfeld um Altmeister Toni Kroos allerdings verzichtete der Bundestrainer noch auf den Strategen des VfB Stuttgart. Und nun? Stiller erhielt in dieser Woche einen positiven Anruf Nagelsmanns. „Jeder Spieler wünscht sich, einmal bei der Nationalmannschaft dabei zu sein. Ich habe schon für verschiedene U-Nationalmannschaften des DFB gespielt – die Einladung zur A-Nationalmannschaft ist aber natürlich etwas ganz Besonderes“, wurde Stiller in einer VfB-Mitteilung zitiert. Nach der EM ist die Zeit reif, da Stiller „in Stuttgart schon in der vergangenen Saison und auch jetzt wieder sehr gute Leistungen gezeigt hat“, lobte Nagelsmann.

DFB-Team startet gegen Ungarn in die Nations League

Auf den großen Umbruch und Experimente aber verzichtet der Bundestrainer vor dem Start der Nations League mit den Partien am 7. September in Düsseldorf gegen Ungarn und drei Tage später in Amsterdam gegen die Niederlande. Stiller ist der einzige Neue im Kader der DFB-Elf, der nach den Abschieden von Kroos (34), Manuel Neuer (38), Thomas Müller (34) und Kapitän Ilkay Gündogan (33) deutlich jünger ist. Der Altersschnitt von knapp unter 30 ist auf 26,8 Jahre gefallen. Um das zu erreichen, musste und wollte Nagelsmann bis auf Stiller niemanden zum Debütanten-Ball einladen. „Generell waren wir sehr zufrieden, wie jeder einzelne Spieler bei der EM seine Rolle ausgefüllt hat. Deshalb möchten wir jetzt in den ersten Spielen nach dem Turnier dem EM-Kader die Chance geben, sich wieder zu präsentieren“, meinte er. Dass in Kroos und Gündogan die zentrale Achse wegbricht, „sind für den Moment insgesamt genügend Veränderungen“, sagte Nagelsmann.

Neuling im DFB-Team: VfB Stuttgarts Angelo Stiller.
Neuling im DFB-Team: VfB Stuttgarts Angelo Stiller. © DPA Images | Tom Weller

Der erste Blick auf die neue Nationalmannschaft unterscheidet sich daher nicht allzu groß vom letzten auf die alte Konstellation. Drei Spieler weniger hat Nagelsmann berufen, das Turnier-Aufgebot von 26 auf 23 Profis reduziert. Diese Anzahl hält der Bundestrainer für die optimale Kadergröße. Marc-André ter Stegen (32, FC Barcelona) tritt dabei das Erbe Neuers an, dessen Platz im DFB-Team erhält wie erwartet der Stuttgarter Alexander Nübel (27), der sich Hoffnung darauf machen kann, 2026 auf ter Stegen zu folgen. Abwehrchef Antonio Rüdiger (31) pausiert in Absprache mit dem Bundestrainer wegen der hohen Belastung der vergangenen Monate. Die beiden Dortmunder Waldemar Anton (28) und Nico Schlotterbeck (24) können sich daher im September an der Seite von Leverkusens Jonathan Tah (28) aufdrängen.

DFB-Team: Joshua Kimmich ist Favorit auf Kapitänsamt

Der neue BVB-Profi Pascal Groß (33) ist erster Anwärter auf die Kroos-Rolle als Ballverteiler. Bayern-Talent Aleksandar Pavlovic (20) darf nach seiner Mandelentzündung, die ihm die EM-Teilnahme gekostet hat, endlich auf seine Zeit im Trikot mit dem Adler auf der Brust hoffen. Jamal Musiala und Florian Wirtz (beide 21) treten nach Gündogans Abschied im offensiven Mittelfeld nach vorne. Der zuletzt verletzte Leroy Sané (28) fehlt im Kader, genauso wie Leon Goretzka (29), Serge Gnabry (29/Bayern München) oder Julian Brandt (28/Borussia Dortmund). Brajan Gruda (21), der sich in der EM-Vorbereitung aufgedrängt hat und anschließend für 40 Millionen Euro in die Premier League zu Brighton & Hove Albion gewechselt ist, muss sich gedulden.

Favorit auf das Kapitänsamt: Joshua Kimmich.
Favorit auf das Kapitänsamt: Joshua Kimmich. © DPA Images | Christian Charisius

Die Frage, die Nagelsmann bei seiner Kaderbekanntgabe am Donnerstagmorgen offen ließ, war die nach dem Kapitän. Die Nachfolge Gündogans dürfte der Bundestrainer am Montag klären, wenn er die Spieler auf dem Adidas-Campus in Herzogenaurach wiedersieht. Großer Favorit bleibt der Münchener Joshua Kimmich, mit dem Nagelsmann weiterhin wohl als Rechtsverteidiger plant. Zumindest war der 29-Jährige in der DFB-Mitteilung unter den Abwehrspielern eingruppiert. Einen prominten Fürsprecher hat er in Person von Sami Khedria. „Wenn man ihn kennt, wenn man seinen Ehrgeiz kennt, wenn man auch seine sportliche Qualität kennt, aber auch sein Anspruchsdenken, Führungsrollen zu übernehmen, glaube ich, dass er der ideale Nachfolger wäre für Ilkay Gündogan, wenn er geschützt und wenn er unterstützt wird“, sagte der Weltmeister von 2014 dem Magazin Kicker.