Frankfurt/Main. Der neue Bundestrainer Christian Wück betritt ein neues Terrain, was ihn nicht von großen Ambitionen mit der Nationalelf der Frauen abhält
Christian Wück musste ein wenig schmunzeln, als sich mit dem Startschuss zu seiner Vorstellung auf dem DFB-Campus plötzlich der Pressekonferenzraum verdunkelte. Aber nur weil die Haustechnik mal streikt, müssen mit Amtsantritt des neuen Bundestrainers der deutschen Fußballerinnen ja nicht gleich alle Lichter ausgehen. Im Gegenteil: Nach Dafürhalten des 51-Jährigen sieht es doch gar nicht so finster aus. Nach der von seinem Vorgänger Horst Hrubesch errungenen Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen möchte der bis Ende 2026 gebundene Wück bei der EM 2025 in der Schweiz wieder „um den Titel“ spielen. Für einen achtfachen Europameister kann es im Nachbarland auch kaum einen anderen Anspruch geben.
Wück lobt Olympiamannschaft: „Die Mentalität war super“
Kritik an den spielerischen Darbietungen bei der Olympia-Mission geißelte der als Augenzeuge in Frankreich weilende Wück als „typisch deutsche“ Debatte. Man könne doch auch mal festhalten: „Die Mentalität war super, der Grundstein ist gelegt. Jetzt müssen wir an Details arbeiten, um Zweiter oder Erster zu werden. Das Potenzial ist definitiv da.“ Für ihn sind „Vertrauen, Zutrauen und Kommunikation“ die Grundlagen, um mit den Spielerinnen hohe Ziele anzustreben.
Sportdirektorin Nia Künzer hat den seit 2012 für den DFB arbeitenden Wück deshalb ausgewählt, weil dieser mit dem Gewinn von EM und WM der U17-Junioren bewiesen habe, dass einer „Spieler weiterentwickeln und ein Team formen kann, das Turniere gewinnt“, betonte die 44-Jährige. Da ist es auch kein Nachteil, dass er viel herum gekommene Ex-Profi noch nie im Frauenbereich gearbeitet hat. Ein Vater zweier Töchter im Alter von 20 und 17 Jahren weiß vielleicht ohnehin so ein bisschen, worauf es im Umgang ankomme. Überdies seien die Unterschiede aus Trainersicht nicht so groß, sagte Wück: „Von der Basistechnik und der Positionierung ist vieles gleich – wir dürfen nur den Männer- und Frauenfußball nicht immer vergleichen.“
Meinerert und Bartusiak unterstützen Wück
Der viel zwischen seinem kleinen Heimatort Gänheim in Unterfranken und seinem Wohnort Bielefeld pendelnde Wück räumte ein, dass er bei einer WhatsApp von Andreas Rettig zunächst nicht gewusst habe, was der Sport-Geschäftsführer eigentlich von ihm wolle. Nach dem Jobangebot in Rettigs Büro habe er „eine Nacht später“ bei Künzer zugesagt, denn es sei für ihn „eine ganz große Ehre, in Deutschland die Frauen-Nationalmannschaft trainieren zu dürfen“. Wück trug sodann den Wunsch vor, „zwei erfahrene Nationalspielerinnen an meiner Seite zu haben“. Künzer überzeugte danach zwei ehemalige Mitspielerinnen: Die für den DFB als erfolgreiche Nachwuchstrainerin arbeitende Maren Meinert (51) und die bereits als Analystin tätige Saskia Bartusiak (41) sind die Assistentinnen.
Von beiden Weltmeisterinnen verspreche er sich „unheimlich viel“, verriet Wück, der Meinert vorrangig für die Offensive, Bartusiak für die Defensive zuständig sieht. Generell soll sein Ensemble gar nicht „zu viele Vorgaben“ bekommen, „was Verrücktes“ sei durchaus erlaubt. Offen noch, wie seine Führungsachse aussieht. Zu Spekulationen über ein Karriereende von Abwehrchefin Marina Hegering (34) und vor allem Kapitänin Alexandra Popp (33) im DFB-Dress wollte sich der ehemalige Bundesliga-Stürmer nicht äußern.
Debüt für Wück in Wembley gegen England
Unter seiner Ägide ist die Torwartfrage wieder offen, nachdem Ann-Katrin Berger (33) sich zur Olympia-Heldin aufschwang, die mit ihren Elfmeterparaden erst das Weiterkommen im Viertelfinale gegen Kanada und den Sieg im Spiel um Platz drei gegen Spanien ermöglichte. Bergers Beförderung sei allein eine Hrubesch-Entscheidung gewesen, stellte Wück klar: „Merle Frohms ist für mich genauso eine Nummer eins. Es wird ein Neubeginn werden, und die Leistungen im Verein müssen natürlich stimmen.“
Er wird Frohms wohl gleich im Supercup zwischen dem FC Bayern und VfL Wolfsburg in Dresden am Sonntag (18.15 Uhr) begutachten können. Danach werden weitere Beobachtungstouren auf Vereinsebene folgen, denn bis zum nächsten Länderspiel vergehen noch zwei Monate. Das Debüt feiert Wück dann am 25. Oktober bei Europameister England in Wembley – eine größere Bühne geht kaum. Würde er die Neuauflage des EM-Finales 2022 auf heiligem Rasen gewinnen, merkte der Hoffnungsträger in seinem schwarzen Poloshirt mit einem Augenzwinkern an, „dann höre ich sofort auf“.