Mönchengladbach. Borussia Mönchengladbach will einen Sprung machen, Hoffenheim muss sich auf Höhen und Tiefen einstellen und St. Pauli geht mit Euphorie rein.
Bald beginnt die Saison 2024/2025 der Bundesliga - vorher machen wir den Check und tippen auch die Abschlusstabelle. Wie immer ohne Gewähr. Hier finden Sie den ersten Teil des Checks mit Stuttgart, Kiel und Augsburg.
Der Trend von Borussia Mönchengladbach in jüngerer Vergangenheit gab jenen Menschen, die es mit dem Klub vom Niederrhein halten, Anlass zu größerer Besorgnis. Vom internationalen Geschäft, das der Verein zuletzt 2020 erreichte, spricht schon längst niemand mehr – ganz im Gegenteil: Nach drei Jahren im sportlichen Bundesliga-Mittelmaß reihte sich die Mannschaft in der vergangenen Saison sogar in den erweiterten Kreis der Abstiegskandidaten ein. Gladbach entging dem drohenden Absturz knapp: als Tabellen-14., mit nur 34 Punkten – und einem Zähler Vorsprung auf den Relegationsrang. Die Borussen schlossen damit eine Spielzeit so schlecht ab wie seit 2011 nicht mehr, was natürlich nicht dem Anspruch beim fünfmaligen Deutschen Meister entspricht.
In diesem Sommer verbrachten die Verantwortlichen nach eigenem Bekunden deshalb viel Zeit damit, die verkorkste Spielzeit aufzuarbeiten. Gladbachs Sport-Geschäftsführer Roland Virkus berichtete: „Wir haben alles hinterfragt und verschiedene Lösungsansätze gefunden, die wir nun umsetzen müssen und werden. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass wir eine bessere Saison spielen werden.“ Der 57-Jährige mag zwar keinen konkreten Tabellenplatz als Ziel ausgeben, macht gleichwohl allerdings deutlich: „Die obere Tabellenhälfte muss für Borussia immer das Ziel sein. Wir möchten allen zeigen, dass wir besser sind als Platz 14.“ Dafür bekommt auch Gerardo Seoane, 45, eine weitere Chance.
Der Trainer
Gerardo Seoane startet im Gegensatz zu Adi Hütter und Daniel Farke in eine zweite Saison als Gladbach-Trainer, für seine Vorgänger war nach jeweils einem Jahr bei Borussia schon wieder Schluss. Mit Seoane, dem früheren Trainer von Bayer Leverkusen, erhofft sich die Klubführung offenbar wieder etwas Kontinuität auf dieser so wichtigen Position. Dafür wird der Schweizer allerdings ein Problem lösen müssen, das auch seine Vorgänger schon beschäftigte: die Defensivschwäche. 67 Gegentore kassierte sein Team in der Vorsaison, in diesem Zusammenhang verspielte es auch 31 Punkte nach Führungen. Seoane wurde darüber hinaus bisweilen vorgeworfen, eine spielerische Linie, also eine Handschrift, sei in Gladbach bisher nicht wirklich zu erkennen gewesen. Möglicherweise wird er das fußballerische Profil nun in seinem zweiten Jahr schärfen. Aktiv und mutig solle sein Team auftreten, fordert Seoane. Sportchef Virkus wünscht sich, dass der Trainer die Talente fördert, gleichzeitig muss Seoane aber auch die Sommer-Zugänge möglichst optimal integrieren.
Der Kader
Die Gladbacher setzten bei ihren Transfers diesmal auf Spieler, die ein gewisses Maß an Erfahrung und Führungsqualitäten mitbringen. Kevin Stöger, der vom VfL Bochum kam, wird Ende August schon 31 Jahre alt, der Österreicher soll dem Mittelfeld mehr Kreativität verleihen. „Darüber hinaus bringt er viel Torgefahr mit – als Vorbereiter durch kluge Zuspiele, nach Standards und nach Flanken oder auch als Torschütze“, sagt Virkus. Tim Kleindienst (28), der in der Vorsaison zwölf Treffer für den 1. FC Heidenheim erzielte, soll nun auch für Gladbach auf Torejagd gehen, Philipp Sander (26/kam von Holstein Kiel), den Konkurrenzkampf im Mittelfeld beleben. Weil Mittelfeld-Routinier Christoph Kramer (33), Weltmeister von 2014, keine Perspektive auf mehr Spielzeit mehr hatte, wurde sein eigentlich bis Ende Juni 2025 gültiger Vertrag jüngst aufgelöst. In der Abwehr hat nun der junge italienische Innenverteidiger Fabio Chiarodia (19) die Chance auf einen Platz in der Startelf, im Angriff dürfte der Franzose Alassane Pléa (31), der seit 2018 für Borussia am Ball ist, mit seinen spielerischen Fähigkeiten und seinem Tempo wieder eine wichtige Rolle einnehmen. Als Kapitän führt Torwart Jonas Omlin (30) das Team auch in der neuen Saison wieder an.
Die Perspektive
Mit dem Liga-Auftakt gegen den Double-Gewinner Bayer Leverkusen (Freitag, 20.30 Uhr/Sat.1 und DAZN), der nun auch den Supercup gegen den VfB Stuttgart gewann, stehen die Fohlen nach fünf Siegen in fünf Testspielen und dem 3:1 im Pokal bei Drittligist Erzgebirge Aue vor einer großen Herausforderung. Auch die Partie beim VfL Bochum sechs Tage später zählt zu den schwierigen Aufgaben. Am 14. September geht es im Borussia-Park dann gegen den Vizemeister aus Stuttgart weiter. Die Spielplan-Macher der DFL haben Gladbach also ein Startprogramm auferlegt, das es in sich hat. Seoane wird seine Mannschaft akribisch auf diese Partien vorbereiten müssen. Nach drei Spieltagen könnte sich schon abzeichnen, ob Gladbach nach der enttäuschenden Vorsaison eine Trendumkehr gelingen kann.
Die Prognose
Borussia präsentiert sich auch aufgrund der Neuverpflichtungen verbessert, verpasst allerdings das Saisonziel. Für einen einstelligen Tabellenplatz wird dem Team die nötige Konstanz in den Leistungen fehlen, auch die defensive Stabilität wird es bisweilen weiter vermissen lassen. Immerhin: In Abstiegsgefahr geraten die Gladbacher diesmal nicht. Sie machen einen eher kleinen Sprung nach oben.
Weitere Saison mit Höhen und Tiefen für die TSG Hoffenheim
Ein Personalbeben erschütterte die TSG Hoffenheim in diesem Sommer. Der Klub trennte sich nach internen Querelen von allen drei bisherigen Geschäftsführern inklusive dem langjährigen Sportchef Alexander Rosen, auch Profifußball-Leiter Pirmin Schwegler verließ den Verein von Gesellschafter Dietmar Hopp. Die Kraichgauer erleben unruhige Zeiten, gehen inmitten eines großen personellen Umbruchs auf der Führungsriege in die neue Saison.
Der Trainer
Pellegrino Matarazzo wurde schon als US-Nationaltrainer gehandelt, bekannte sich aber zur TSG. 2023 hatte er den Klub vor dem drohenden Abstieg gerettet, in der vergangenen Spielzeit führte er das Team trotz teils enormer Schwankungen auf Platz sieben, womit die TSG nun in der Europa League startet. Matarazzo, 46, geht in sein vorerst letztes Vertragsjahr. Der US-Amerikaner soll den Erfolg der Vorsaison nun bestätigen.
Der Kader
Große Hoffnungen liegen auf dem tschechischen Stürmer Adam Hlozek (22), der von Bayer Leverkusen kam. Hlozek habe „unbedingt nach Hoffenheim wechseln“ wollen, weil er den Verein „als ideale Station für seinen nächsten Karriereschritt sieht“, erklärte Hoffenheims Interims-Sportchef Frank Kramer. Andrej Kramaric (33) dürfte aufgrund seiner herausragenden Technik und Abschlussstärke weiterhin der Schlüsselspieler in der Offensive sein. Für die wacklige Defensive könnte Hoffenheim durchaus noch Verstärkungen gebrauchen.
Die Perspektive
Für die TSG beginnt die Saison am Samstag (15.30 Uhr/Sky) mit dem Spiel gegen Aufsteiger Holstein Kiel, eine Woche später wartet Eintracht Frankfurt. Am 14. September ist Matarazzos Mannschaft gegen Bayer Leverkusen gefordert. Ein anspruchsvolles Auftaktprogramm.
Die Prognose
Hoffenheim erlebt wieder eine Spielzeit der Höhen und Tiefen, verpasst aber diesmal eine Europapokal-Platzierung. Die Unruhe im Verein trägt ihren Teil bei.
St. Pauli: Mit Selbstvertrauen ins Projekt Klassenerhalt
Die Testspielergebnisse machten gehörig Eindruck. Abgesehen von einer 1:3-Niederlage gegen Greuther Fürth zu Beginn der Vorbereitung mit einem wild zusammengewürfelten Kader konnte der FC St. Pauli gegen den französischen Topklub Olympique Lyon (1:0), den englischen Premier-League-Anwärter Norwich City (3:1) sowie zum krönenden Abschluss auch noch gegen den italienischen Europa-League-Sieger Atalanta Bergamo (3:0) gewinnen. Die Ergebnisse geben dem Aufsteiger das Selbstvertrauen, in der Bundesliga bestehen zu können – wenngleich bei St. Pauli jeder von einem harten Kampf um den Klassenerhalt ausgeht.
Der Trainer
Der neue Coach ist die größte Veränderung bei den Kiezkickern. Alexander Blessin, verpflichtet vom belgischen Topklub Union St. Gilloise, hat die Spielweise der Hamburger auf den Kopf gestellt. Anders als Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler, der für eine Millionen-Rekordablöse zum englischen Premier-League-Klub Brighton & Hove Albion gewechselt war, setzt Blessin auf ein 3-5-2-System und schnelles Umschalten nach Ballgewinn. Unter Hürzeler hatte St. Pauli in der Zweiten Liga noch versucht, im 3-4-3-System mit Ballbesitzfußball zu dominieren. Von dieser Taktik nahm Blessin früh Abstand, weil er wusste, dass die individuelle Qualität im Kader nicht für einen dominanten Spielstil ausreichen wird.
Der Kader
Der Kern des Aufstiegskaders hat sich nicht verändert, lediglich der Abgang von Topscorer Marcel Hartel zum St. Louis City SC schmerzt St. Pauli. Neu und vielversprechend ist der junge Mittelfeldspieler Robert Wagner, der beim SC Freiburg einen langfristigen Vertrag besitzt, in der vergangenen Spielzeit aber bereits an Zweitligist Greuther Fürth und nun an St. Pauli verliehen wurde. Der 21-Jährige konnte in der Vorbereitung überzeugen und sich einen Stammplatz auf der Achterposition erarbeiten. Als Soforthilfe eingeplant ist Stürmer Morgan Guilavogui (26). Der Franzose – Bruder des langjährigen Wolfsburger Kapitäns Josuha Guilavogui (33) – ist groß, schnell, abschlussstark und kombinationssicher. Eingeplant ist der Leihspieler des französischen Erstligisten RC Lens neben Johannes Eggestein in der Doppelspitze. Eher für die Kaderbreite verpflichtet wurde der walisische Rechtsverteidiger Fin Stevens (21), der dem in der vergangenen Saison gesetzten Manolis Saliakas (27) Konkurrenz machen soll. Der vom FC Brentford gekommene Neuzugang muss sich noch an das Blessin-System gewöhnen.
Die Perspektive
St. Pauli startet mit einem Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim (Sonntag, 17.30 Uhr) in das Projekt Klassenerhalt. Danach geht es zu Union Berlin und zum FC Augsburg, ehe mit RB Leipzig der erste große Brocken wartet. Die Hamburger wollen direkt punkten, wenngleich Blessin bereits sagte, dass er die ersten zwei Bundesligaspiele noch zur Vorbereitung zähle.
Die Prognose
Der FC St. Pauli hält die Klasse. Die Mannschaft besitzt zwar nicht viel individuelle Qualität, ist menschlich aber absolut intakt und hat Blessins Spielidee bereits angenommen. Zudem herrscht auf dem Kiez eine große Aufstiegseuphorie, die Heimspiele im stimmungsvollen Millerntor-Stadion sind ein großes Faustpfand. Dies alles sollte reichen, um mindestens zwei, wenn nicht sogar drei andere Bundesligisten hinter sich zu lassen.