Paris. Die olympische Bahnrad-Woche verlief für Lea Sophie Friedrich wie ein Wellental. Der Abschluss im Sprint ist wie eine Befreiung für sie.
Eingehüllt in eine Fahne, fand Lea Sophie Friedrich ihr Lächeln wieder. Mit noch ausdrucksloser Miene fuhr sie an die Balustrade der Radrennbahn, ließ sich einmal kräftig von ihrer Mutter drücken und erkannte ganz schnell, dass es keinen Grund gab, so freudlos dreinzublicken. Sie hatte das Finale des Sprint-Wettbewerbs klar verloren, sich aber zuvor ebenso bravourös in diese Endläufe und damit zu Silber gefahren im Velodrome National von Saint-Quentin-en-Yvelines.
Damit endeten die olympischen Bahnrad-Wettkämpfe aus deutscher Sicht mit einem sehr erfreulichen Resultat. Die 24-jährige Cottbuserin fuhr die zweite Medaille ein und fand vor allem für sich persönlich einen wunderbaren Abschluss nach wechselhaften Tagen in Paris. „Ich bin so happy mit dieser Silbermedaille und sehr, sehr stolz auf mich“, sagte Friedrich.
Teamkollegin Hinze wird im Sprint Sechste
Entspannt lief sie anschließend durch das Fahrerlager, umarmte jeden aus dem deutschen Team. Sie sah glücklich aus, nachdem sie ihre erste olympische Einzelmedaille erkämpft hatte. Gegen eine überlegene Ellesse Andrews (Neuseeland), die schon im Keirin triumphiert hatte, besaß Friedrich in beiden Finalläufen keine Chance. Emma Finucane (Großbritannien) wurde Dritte. „Ich bin sehr müde nach einer Woche mit Höhen und Tiefen“, sagte Friedrich, die wie von einer Last befreit schien.
Für sie und Emma Hinze (Cottbus) ging es im Sprint darum, nach Platz drei im Teamsprint (mit Pauline Grabosch) und der Enttäuschung im Keirin wieder die Balance zu finden, sich nicht zu sehr in ihrer Gefühlswelt zu verlieren. Die beiden Frauen, die in Tokio im Teamsprint Silber gewonnen hatten und danach in den Einzeldisziplinen überraschend leer ausgingen, wirkten oftmals so, als hätten sie in Paris eine olympische Rechnung zu begleichen.
Sprint-Frauen mit emotional schwierigen Tagen in Paris
Sie feierten ihre Bronzemedaille zum Beginn der Wettkämpfe im Velodrome National mit überschwänglichen Worten, fast übertrieben. Obwohl sie als Weltmeisterinnen der Vorjahre andere Erwartungen hegten. Sie verspürten allerdings keine Lust, ihre taktisch schlechte Fahrweise nach dem verfrühten Ausscheiden im Keirin groß zu bewerten. Das verdeutlichte, dass ihre emotionale Verfassung durchaus ambivalent zu sein schien. „Ich habe keinen klaren Kopf behalten“, räumte Friedrich immerhin ein.
Im Sprint musste sie nun dagegen anfahren, ein olympisches Trauma zu entwickeln. Für Hinze stellte sich die Situation ähnlich dar. Sie schied allerdings bereits im Viertelfinale aus und landete schließlich auf dem unbefriedigenden sechsten Platz. Die 26-Jährige gab zu, dass sie diese Enttäuschung erst einmal verarbeiten müsse.
Einzug in das Finale nimmt Friedrich den Druck
Bei Friedrich hingegen sah bis zum Halbfinale alles spielerisch aus, sie gewann ihre Läufe ohne Mühe, nachdem sie in der Qualifikation die Bestzeit gefahren war, Weltrekord sogar. In der Vorschlussrunde allerdings verlor sie den ersten Lauf gegen Hetty van de Wouw (Niederlande), die im Keirin die Silbermedaille gewonnen hatte. „Danach bin ich erst mal kotzen gegangen, weil ich alles gegeben habe. Entweder macht man sich verrückt und verliert die Nerven oder man behält sie“, sagte Friedrich, die die folgenden zwei Läufe gewann.
Schon damit war viel Druck von ihr abgefallen. „Man hat es mir vielleicht angesehen“, so Friedrich, die angesichts der sicheren Medaille einen lauten Schrei ausstieß. „Es ist unglaublich, ich kann meine Gefühle nicht beschreiben“, erzählte die Olympiazweite, die am Sonntagnachmittag zum ersten Mal in Paris tatsächlich entspannt ausschaute.