Wimbledon. Der spanische Weltklasse-Tennis-Spieler Carlos Alcaraz gewinnt in Wimbledon in einem überraschend einseitigen Finale gegen Novak Djokovic.
Das erste Spiel dieses erstaunlichen Finales dauerte lange 14 Minuten, es war ein zäher, verbissener und dramatischer Kampf um den allerersten Punkt zwischen Carlos Alcaraz und Novak Djokovic. Doch was danach kam in der Centre-Court-Kathedrale zu London, war ein Durchmarsch, eine Machtdemonstration, eine beinahe makellose Vorstellung des jungen Himmelsstürmers aus Spanien, der sein grünes Königreich mit Klasse und Kreativität, mit Sturm und Drang verteidigte. „Es ist ein traumhaftes Gefühl, hier wieder als Sieger stehen zu können“, sagte der überglückliche Alcaraz (21) nach seinem beängstigend souveränen 6:2, 6:2, 7:6 (7:4)-Triumph über den 16 Jahre älteren Serben. Erst auf der Zielgeraden eines weithin einseitigen Matchs legte Alcaraz noch einen kleinen Umweg, eine Extrarunde ein – bei 5:4, 40:0-Vorsprung vergeigte der Spanier drei Matchbälle in Serie. Aber schon im Tiebreak hatte er seine Nerven wieder beisammen, nutzte den vierten Siegpunkt. „Carlos hatte heute alles im Gepäck. Er ist ein total verdienter Sieger“, sagte Djokovic.
Alcaraz ist, schon kurze Zeit nach seinem Aufstieg in die Weltspitze seines Sports, ein Phänomen auf den Centre Courts. Ein Spieler, der trotz jüngster Erfolge des Italieners Jannik Sinner, auch der herausragende Akteur der nachrückenden Tennis-Generation ist. „Was ich heute von Alcaraz gesehen habe, war eine der besten Leistungen der letzten zehn, fünfzehn Jahre. Ein Meisterwerk“, verneigte sich Ex-Champion Michael Stich bei „ AmazonPrime“ vor dem Wiederholungstäter an der Church Road. Alcaraz schaffte nun auch als einer der wenigen Superstars, nacheinander die French Open und Wimbledon zu gewinnen, in jener schwierigsten Saisonphase, in der die komplizierte Umstellung von Sand auf Gras zu bewältigen ist. „Skandalös stark“ sei die Mentalität und Entschlossenheit seines Schützlings in den letzten Wochen gewesen, gab Alcaraz-Coach Juan Carlos Ferrero lächelnd zu Protokoll: „Wir alle im Team sind unheimlich stolz auf ihn. Wie er an sich arbeitet Tag für Tag, ist geradezu verrückt.“
Djokovic verpasst 25-Major-Titel in Wimbledon
El Mosquito war einst der Spitzname von Ferrero gewesen, dem Übungsleiter des alten und neuen Wimbledon-Königs. Und nicht ganz unähnlich erschien auch Alcaraz an seinem vielleicht bisher stärksten Tag als Profispieler – überall auf dem Centre Court umherflitzend, ständig eine Bedrohung für den Gegner ausstrahlend, unausrechenbar in seiner taktischen Vielseitigkeit und Raffinesse.
Djokovic, der sich nach einem Verletzungs-Zwischenfall bei den French Open einem Meniskuseingriff hatte unterziehen müssen, war im Endspiel der Offenen Englischen Meisterschaften 2024 meistens nur der Statist der großen, schillernden Alcaraz-Show. Knapp zwei Wochen hatte der Belgrader sich irgendwie durchs Turnier durchgeackert, dabei auch von einer günstigen Auslosung profitierend. Aber im Duell gegen Alcaraz prallte Djokovic wie an einer Mauer ab, chancenlos wie kaum einmal zuvor bei einem Grand Slam-Titelkampf. Der alleinige Rekord mit 25 Major-Titeln lag nie wirklich in Reichweite für den 37-jährigen Meisterspieler, der damit im laufenden Spieljahr tatsächlich weiter auf den ersten Titel warten musste.
Alcaraz beeindruckt mit spielerischer Dominanz
Alcaraz hatte, das kristallisierte sich bald nach dem überlangen ersten Spiel heraus, mit Djokovic weitaus weniger Schwierigkeiten als vor fünf Wochen im Roland Garros-Endspiel gegen Olympiasieger Alexander Zverev – damals war die Partie über fünf Sätze gegangen, Alcaraz hatte sogar ein 1:2-Satzdefizit wettmachen müssen. Doch gegen Djokovic sorgten der ständige Druck, die latente Aggressivität und der zupackende Gesamtauftritt des Youngsters für klare Verhältnisse. Djokovic war permanent mit der Gefahr konfrontiert, seine Aufschlagspiele zu verlieren, während Alcaraz sein Service mit beinahe spielerischer Leichtigkeit durchbrachte. Bis zum kaum noch erwarteten Break zum 5:5 im dritten und bereits letzten Akt sah es sogar so aus, als würde Djokovic erstmals in seinem 37. Grand Slam-Finale einem Kontrahenten nicht den Aufschlag abnehmen können.
Auch dies bestätigte der zweite Triumph von Alcaraz auf dem Tennisgrün an der Church Road: Der Machtwechsel im Herrentennis ist im vollen Fluß, alle drei Major-Titel in dieser Saison wurden von jungen Spielern gewonnen. Sinner holte sich den Australian Open-Titel, Alcaraz die beiden folgenden Slams in Paris und London. Und der Status der Alten Herren? Federer ist bereits in Rente, Nadal ist auf Abschiedstour, spielte dieses Jahr schon nicht mehr in Wimbledon. Murray erlebte einen bitteren Schluss-Punkt unter herrliche Wimbledonzeiten, im Einzel konnte er nicht antreten, im Doppel gab es nur eine Partie mit Bruder Jamie. Bleibt nur noch Djokovic, aber auch der kann einen nicht mehr ewig schlagen, den Faktor Zeit. Das Alter eben.