London. Nächste Enttäuschung mit dem Aus in Wimbledon: „Vielleicht ist es nicht für mich gedacht“, sagt Alex Zverev und nimmt sich Großes vor.
Am Abend seines neuesten Grand-Slam-Dramas sprach Alexander Zverev einen Satz aus, der getränkt war von leiser Melancholie und auch einer gewissen Verbitterung. Irgendwann fange man an zu glauben, bekannte der soeben im Wimbledon-Achtelfinale unglücklich gescheiterte Olympiasieger, „dass es vielleicht nicht für einen gedacht ist“. Mit dem „es“ war der eine Grand-Slam-Sieg gemeint, dem Zverev bisher sein ganzes Tennisleben lang vergeblich hinterher läuft. Und der ihm bei diesen Offenen Englischen Meisterschaften des Jahres 2024 wieder einmal durch scheinbar höhere Mächte verwehrt worden war. Durch eine einschränkende Knieverletzung, mit der Konsequenz einer herben 6:4, 7:6 (7:4), 4:6, 6:7 (3:7), 3:6-Niederlage gegen den Amerikaner Taylor Fritz.
Zverev ist der Sisyphus der Tenniswelt
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Zverev muss sich vorkommen wie Sisyphus in der griechischen Mythologie, verdammt dazu, einen Felsblock auf einen Gipfel zu rollen. Um dann festzustellen, dass der Felsblock kurz vor dem Gipfel wieder hinabrollt – und sich das traurige Spielchen ewig wiederholt. Der deutsche Weltklassespieler wiederum kämpft hartnäckig aufs immer Neue in aussichtsreicher Position um den Major-Coup, um einen dieser Titel, der einen Tennisprofi und sein Vermächtnis tatsächlich definieren. Er machte sich die Erfüllung dieses Traumes oft selbst zunichte, beispielsweise bei den US Open 2020 in Corona-Zeiten, als er das Finale trotz einer 2:0-Satzführung gegen den Österreicher Dominic Thiem noch verlor und zwischenzeitlich nur zwei Punkte vom Triumph entfernt war.
Aber Zverev war eben auch vom Pech und Unglücksmomenten verfolgt, ausgerechnet dann, wenn er in herausragender Form war – ausgestattet mit berechtigtem Selbstbewusstsein und bereit, es auch mit den Größten der Szene aufzunehmen. Der bekannteste Fall: die French Open 2022. Zverev fühlte sich in der Form seines Lebens, auf dem vertrauten Sandbelag trieb er Matador Rafael Nadal im Halbfinale in die Enge. Bis er einen grässlichen Fehltritt mit einer schweren Bänderverletzung, der Spielaufgabe und einer mehrmonatigen Pause bezahlen musste. Futsch war nicht nur die Roland-Garros-Krone, sondern auch der sehr nahe Sprung an die Weltranglisten-Spitze.
Zverev: Dreimal nah dran am Major-Erfolg, dreimal einen Vorsprung verspielt
Zverev kämpfte sich wieder zurück, es war keine Selbstverständlichkeit. Die Saison 2023 war eine Interims-Spielzeit, in der alles darauf ausgerichtet war, das wirkliche Comeback 2024 zu schaffen. Es wirkt aber so, als läge ein Fluch über Zverev und seinen Anstrengungen. In Melbourne verspielte er eine 2:0-Satzführung im Halbfinale gegen den Russen Daniil Medwedew, in der Nacht vor dem Match plagte sich der 27-Jährige mit Fieber und Erkältung herum. In Paris vor wenigen Wochen erreichte er erstmals das Finale, aber der French-Open-Titelanlauf scheiterte trotz eines 2:1-Satzvorsprungs gegen den spanischen Jungstar Carlos Alcaraz. Zverevs selbstverschuldetes Missgeschick hier: zu viele auszehrende Spiele in den Auftaktrunden, Substanzverlust im Endspiel, als es gegen den harten Fighter Alcaraz um die Big Points ging.
Und nun das Malheur Zverevs an der Church Road in London SW 19, der Stolperer und Sturz in der Partie gegen den Briten Cameron Norrie, der Knieschaden, die nicht 100-prozentige Wettbewerbs- und Kampffähigkeit gegen den stoischen Amerikaner Fritz. Eigentlich, so gab Zverev zu Protokoll, habe er die Partie wegen des Knochenödems „auf einem Bein“ bestreiten müssen, lange habe er sogar mit sich gerungen, ob er überhaupt zu diesem Spiel in der Runde der letzten 16 habe antreten sollen.
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Es wunderte nicht, dass Zverev anschließend in tiefe Frustration stürzte und befand, es sei „das Schwierigste“, so nah vor dem großen Ziel zu scheitern, immer wieder. In Wimbledon war der Grad der Enttäuschung umso höher, da sich der Weltranglisten-Vierte zum ersten Mal mit dem lange ungeliebten Tennis-Grün arrangiert und sogar eine Art Liebesbeziehung zu Wimbledon ausgemacht hatte. Ungefährdet und wie ein Titel-Souverän zog er auch lange seine Bahnen, erst im dritten Achtelfinalsatz, beim 4:4-Gleichstand gegen Fritz, verlor der mächtige Aufschläger Zverev erstmals sein Servicespiel.
Zverevs Fokus ist nun auf die Verteidigung eines herausragenden Titels gerichtet, den er außerhalb der gewohnten Tennis-Routinen errang – 2021 bei den Olympischen Spielen von Tokio. „Ich will in Paris gewinnen, das ist das Ziel“, sagte der Hamburger nach dem bitteren Ende der so aussichtsreichen Wimbledon-Mission. Bis zum Goldmedaillenkampf auf der Roland-Garros-Anlage wolle und werde er fit sein, so Zverev. Dass er zwischendrin noch seinen Titel beim ATP-Turnier am Hamburger Rothenbaum verteidigen wird, erscheint unwahrscheinlich.