Frankfurt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das späte Tor gegen die Schweiz für die Nationalmannschaft eine besondere Wirkung haben wird.
Erinnern Sie sich noch an Per Mertesacker und sein Interview mit Boris Büchler? Fast auf den Tag genau zehn Jahre ist es her, dass Deutschland durch einen späten Sieg in der Verlängerung gegen Algerien ins Viertelfinale der WM 2014 in Brasilien einzog. Was das deutsche Spiel so schwerfällig gemacht hatte, wollte Büchler wissen. „Ist mir völlig wurscht. Wir sind im Achtelfinale. Ich leg mich jetzt drei Tage in die Eistonne“, entgegnete Mertesacker. Und wurde dann nach der dritten kritischen Büchler-Frage patzig. „Wat wolln se? Wollen Sie eine erfolgreiche WM oder sollen wir wieder ausscheiden und haben schön gespielt?“ Es war ein Stück TV-Geschichte.
Nationalmannschaft: Julian Nagelsmann und das Drehbuch
Was das deutsche Spiel zehn Jahre später gegen die Schweiz so schwerfällig gemacht hat? Vielleicht der Rasen von Frankfurt. Wahrscheinlich der gut eingestellte und aggressiv spielende Gegner. Und was wir zehn Jahre später wissen? Deutschland wurde 2014 Weltmeister. Weil der späte Sieg nach Verlängerung gegen Algerien die deutsche Mannschaft noch stärker zusammengeschweißt hatte. Das weiß auch Bundestrainer Julian Nagelsmann, der am späten Sonntagabend betonte, dass ihm das Drehbuch des späten Glücksmoments lieber war als ein ungefährdeter 3:0-Sieg.
Und auch Torschütze Niclas Füllkrug wusste schon, dass sein Treffer Erinnerungen wecken und der Mannschaft einen Glauben geben werde, wenn Deutschland im Laufe der EM mal wieder einen Rückschlag erleidet, den jeder spätere Champion im Laufe eines Turniers im Normalfall immer erlebt.
Das DFB-Team hat diverse Last-minute-Experten
Last-minute-Experten hat die deutsche Mannschaft einige. Für Toni Kroos und Antonio Rüdiger, der mit drei Tagen Eistonne noch auf einen Einsatz im Achtelfinale hofft, gehörten solche Momente bei Real Madrid in den vergangenen Jahren zur Vereins-DNA. Bayer Leverkusen mit Florian Wirtz, Robert Andrich und Jonathan Tah machten es in ihrer Double-Saison selten ohne Nachspielzeit. Und nun sorgte mit Füllkrug auch noch ein Dortmunder für kollektive Liebe auf den letzten Blick.
Das ist nicht die schlechteste Voraussetzung vor einem Achtelfinale im Stadion von Dortmund, das wie kein anderes in Deutschland für den Glauben bis zum Schluss steht. Wer erinnert sich nicht an den Sommermärchen-Moment mit David Odonkor und Oliver Neuville in Minute 90.+1 bei der WM 2006 gegen Polen?
Gut möglich also, dass es trotz des holprigen Spiels gegen die Schweiz am 14. Juli um ca. 22.50 Uhr heißt: „Mach ihn, er macht ihn, Niclas Füllkrug.“ Nicht nur der Dortmunder weiß: Im Fußball muss man einfach nur fest dran glauben.