Stuttgart. Almuth Schult stellt als Co-Kommentatorin bei Deutschlands Sieg gegen Ungarn den eigentlichen Kommentator Tom Bartels in den Schatten.
Es ist ein Turnierphänomen. Bei Europa- oder Weltmeisterschaften gibt es stets 80 Millionen Bundestrainer, 80 Millionen Fußball-Profis und ganz sicher gibt es auch in etwa so viele Experten und Kommentatoren, die den Job des jeweils dafür bezahlten Herren oder der bezahlten Dame im Fernsehen deutlich besser machen würden. Kommentare dieser Art lassen sich zu Hauf in den sozialen Netzwerken in diesen Tagen der Heim-Europameisterschaft nachlesen.
Am Mittwochabend arbeiteten sich viele TV-Zuschauer an Tom Bartels ab, der die Partie der deutschen Nationalmannschaft bei der EM gegen Ungarn (2:0 für das DFB-Team) kommentierte. Häufiger aber stand seine Co-Kommentatorin Almuth Schult, ihres Zeichens Welt- und ehemalige deutsche Nationalttorhüterin, im Fokus. Klar, eine Frau am Mikrofon. Bei einem Männer-Fußball-Spiel. Für manch einen Ewiggestrigen noch immer ein Frevel.
Bartels muss immer wieder korrigiert werden
Dabei machen Bartels/Schult beispielhaft vor, dass die Frau als Teil eines Duos mindestens genauso viel Ahnung vom Fußball haben kann. Und dass sie sehr wohl etwas am Mikrofon zu suchen hat. Während nämlich Bartels bei jeder noch so kleinen Halbchance verbal aus dem Sattel geht, tut die Unaufgeregtheit der nordisch unterkühlten Schult der Übertragung des Deutschland-Spiels gut. Wie übrigens schon am vergangenen Montag während des Duells zwischen Frankreich und Österreich, in dem Schult ihrem Kompagnon gleich mehrmals verbessern musste.
Was in einem Spiel passiert, passiert offenbar häufiger. Denn auch am Mittwoch musste Schult immer wieder eingreifen. Etwa rund um das vermeintliche 1:1 Ungarns kurz vor der Pause. Während Bartels auch in der Wiederholung der TV-Bilder - übrigens haben die Kommentatorinnen und Kommentoren die gleichen Bilder wie jeder TV-Zuschauer zu Verfügung - die falsche Abseitssituation kommentiert, musste Schult eingreifen. Und dennoch wirkt die Doppelmoderation wenig eingespielt, lange Pausen zwischen einzelnen Beiträgen im Live-Kommentar sind keine Seltenheit.
Almuth Schult überzeugt vor allem inhaltlich
Inhaltlich überzeugt ohnehin nur Schult. Die ehemalige Nationaltorhüterin beim DFB hält sich während der Live-Übertragung oftmals zurück, spricht nicht überhastet ins Mikrofon, stellt sich nicht in den Vordergrund. In ihren Analysen ist die dreifache Mutter klar und fußballspezifisch unterwegs, sie gibt einen Mehrwert. „Man muss in die Tiefe ziehen, um einen Raum vor der Abwehr zu schaffen, sagt die ehemalige deutsche Nationaltorhüterin dann etwa. Anders Bartels, der, wenn zu lange nichts passiert, immer wieder Plattitüden zum Besten gibt. „Ein Spiel ohne Pausen“ - nach dreieinhalb Minuten. „Am aller allermeisten gegen Kritik hilft Leistung“ - ein Kalenderspruch der schlechteren Sorte.
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Ähnlich einfallslos und uninspiriert ist auch Bastian Schweinsteiger an der Seite von Alexander Bommes unterwegs. „Die Ungarn hatten die besseren Torchancen und wir den besseren Torhüter“, war seine Halbzeitanalyse, gepaart mit Sprüchen wie: „Zum Verteidigen musst du nach hinten laufen“ und „Als Torhüter kannst du nicht jeden Ball festhalten“. Fast auf einer Ebene wie „Wasser ist nass“. Mehr Almuth Schult, die Herrin des Minimalkommentars, würde auch hier der Übertragung guttun.