Rom. Alica Schmidt ist der Social-Media-Star der Leichtathletik. Bei der EM steht sie im Staffel-Finale. Ihr Wert für den Sport ist immens.
Eigentlich müssen sich die Veranstalter der Leichtathletik-EM in Rom bei Alica Schmidt bedanken. Auf ihrem Instagram-Account hat die deutsche Sprinterin dazu aufgerufen, doch zu ihrem Vorlauf am Dienstagmorgen mit der 4x400-Meter-Staffel zu kommen. Die Wettkämpfe in Italiens Hauptstadt sind durchwachsen besucht. Das Stadio Olimpico, in dem sonst die Fußballklubs Lazio und AS Rom vor 72.000 Zuschauern spielen, ist einfach zu riesig. Alica Schmidt versuchte daher einen kleinen Schubser – immerhin erreicht sie mit ihren Postings weltweit Millionen.
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Vielleicht waren also ein paar Kurzentschlossene dabei, als Skadi Schier, Alica Schmidt, Luna Bulmahn und Eileen Deme als Zweite ihres Vorlaufs ins Finale am Mittwoch einzogen und mit ihrer Zeit von 3:25,90 Minuten einen riesigen Schritt Richtung Olympia-Teilnahme machten. Überglücklich lagen sich die Vier anschließend in den Armen. „Wir haben zum richtigen Zeitpunkt performt, darauf sind wir sehr stolz“, sagte Schmidt.
Alica Schmidt hat über fünf Millionen Instagram-Follower
Die 25-Jährige ist Deutschlands erfolgreichste Leichtathletin – zumindest in den Sozialen Netzwerken. Mehr als fünf Millionen Menschen folgen ihr allein auf Instagram. Damit liegt sie weit vor 100-Meter-Weltmeister Noah Lyles (USA) und auch vor Fußballnationalspieler Jamal Musiala. Jedes Mal freue es sie, wenn sie bei Wettkämpfen wie in Rom ihre Instagram-Fans auch einmal persönlich kennenlerne. „Wenn jemand auf mich zukommt, dann ist das immer auf einer sehr schönen Ebene“, sagt sie. „Man kommt ins Gespräch, macht Fotos, gibt Autogramme.“ Sie schätzt „den Support“, findet es aber „umso schöner, wenn sie auch ins Stadion kommen“.
Alica Schmidt ist ein Geschenk für die seit Jahren kriselnde Leichtathletik: Sie bringt die Begeisterung für ihre Disziplin in jene Generation, mit der sich die altehrwürdige Olympia-Kernsportart so schwertut. Auch der Deutsche Leichtathletik-Verband hat das mittlerweile erkannt und wirbt mit der Berlinerin. Bei Deutschen Meisterschaften ist der Jubel schon seit Jahren ohrenbetäubend, wenn sie an die Startlinie geht – auch wenn sie am Ende gar nicht die Siegerin ist. „Ich bin unfassbar dankbar dafür, wie viele Leute Bock darauf haben, mir zu folgen – und meinem Sport zu folgen“, sagte sie 2023 dem Münchner Merkur. „Ich möchte die Leichtathletik gern mehr in den Mittelpunkt rücken, mehr Bewusstsein für unseren Sport schaffen.“
Blog verlieh ihr den Titel „heißeste Athletin der Welt“
Auf ihren Kanälen gibt die Athletin des SCC Berlin Einblicke in ihr Leichtathletik-Leben – mit allen Facetten. Mal zeigt sie Videos einer Trainingseinheit, mal posiert sie an einem schönen Ort, an den sie ihr Sportlerinnenleben geführt hat, ein anderes Mal spricht sie während des Schminkens über die finanziellen Bedingungen von deutschen Leichtathleten. Und ihre Fans hören zu, reagieren, senden Herzchen und unzählige Kommentare. In einem Podcast mit Influencer Paul Ripke hat sie einmal gesagt: „Es ist ein Problem in Deutschland: Wenn man die Sportler nicht kennt, dann interessiert der Sport auch keinen.“
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Angefangen hat ihr ungewöhnlicher Weg mit einem Foto. 2017, nachdem sie mit der 4x400-Meter-Staffel Silber bei der U20-EM gewonnen hatte, veröffentlichte ein Blog ein Strandfoto von ihrem Instagram-Account und verlieh ihr den Titel „heißeste Athletin der Welt“. Weltweit griffen Medien dies auf. Ihre Followerzahl schoss in die Höhe. Manchmal nerve sie diese Geschichte. Aber: „Ich bin auch dankbar dafür, weil es für mich ein Wegöffner war.“
Als Model für Hugo Boss auf dem Laufsteg
Alica Schmidt hat diesen Zufall genutzt und mit viel Aufwand und Disziplin zu einem Erfolg geführt – ganz im Sinne des Leistungssports. Sie beschränkt sich nämlich nicht nur auf ein paar hübsche Fotos, sie verbindet schicke Optik mit Gehalt. Und ihre Reichweite in der relevanten Zielgruppe lockt Sponsoren: Sie hat Verträge etwa mit Puma, Porsche und Hugo Boss. Für das Modelabel lief sie schon in Mailand auf dem Laufsteg, auf der Tartanbahn stellt es ihre Arbeitskleidung.
Lange wurde Alica Schmidt belächelt: Sie sei nur ein Social-Media-Sternchen, sie vernachlässige ihre sportliche Karriere. Doch die gebürtige Wormserin hat die Kritik verstummen lassen. Sie hat sich emanzipiert, kann mit ihrem Weg Vorbild sein.
Ja, man muss noch immer sehr weit in der Weltrangliste nach unten schauen, um sie mit ihrer 400-Meter-Einzelzeit zu finden. Doch als Staffelteil erreichte sie schon Top-8-Platzierungen bei EM und WM. Auch bei den Olympischen Spielen wird sie dabei sei – mindestens mit der Mixed-Staffel. Und auch mit der Frauenstaffel ist sie ein ganzes Stück nähergekommen. Ihre Follower werden sie auf diesem Weg begleiten.