Paris. Erneut wendet Tennis-Star Alexander Zverev ein frühes French-Open-Aus mit enormer Nervenstärke ab. Jetzt blickt er aufs Viertelfinale.

Alexander Zverev hat einmal gesagt, für einen Grand-Slam-Triumph würde er auch „einen ganzen Tag und eine ganze Nacht“ durchspielen. So viel Durchhaltewillen musste er bisher in Paris und anderswo noch nicht aufbringen, aber der Weg bei den French Open 2024 ist für den amtierenden Olympiasieger mit Marathoneinsätzen und holprigen Nachtschichten gepflastert. Als er um 1.40 Uhr in aller Herrgottsfrühe am Dienstag einen Schmetterball zum 4:6, 6:1, 5:7, 7:6 (7:2) und 6:2-Sieg im Achtelfinale gegen den jungen Dänen Holger Rune verwandelte, hatte er nicht weniger als achteinhalb Stunden Grand-Slam-Tennis binnen drei Tagen in den Knochen stecken. 

„Erschöpft, aber glücklich“ zeigte sich der deutsche Frontmann bei einem Major-Wettbewerb, der eins mehr denn je ist im Hier und Jetzt: Eine extreme Auslesekonkurrenz, bei der nur die fittesten, stärksten und widerstandsfähigsten Profis eine Chance haben. Man wisse ja nie, was in der zugespitzten Endphase des Turniers noch komme, so Zverev, „deshalb muss man sich jetzt gut erholen, neue Kräfte schöpfen.“ Und weitermachen, weiter, immer weiter, am besten bis zum Finale am Sonntag im Sandreich von Roland Garros, bei den schier ewig dauernden Rutschübungen.

Alexander Zverev nun gegen Alex de Minaur

Alexander Zverev im Match gegen Holger Rune.
Alexander Zverev im Match gegen Holger Rune. © Getty Images | Clive Mason

Grand-Slam-Turniere sind in einer Ära des Welttennis, in der sich viele Spitzenkräfte leistungstechnisch näher und näher gekommen sind, eine strapaziöse Herausforderung für Körper und Geist. Viele Matches dauern immer länger, selbst Partien in der Frühphase eines Majors gehen oft schon weit über die Drei-Stunden-Grenze. Zverev zählt zu den Belastbarsten in der Szene, aber auch er spürt wie nun einmal mehr in Paris, welche Anstrengungen für einen Pokalcoup nötig sind – ganz zu schweigen vom Zusatzfaktor der Spiele zu nachtschlafender Stunde. „Es hilft aber auch nichts, das zu beklagen. Weil es nun mal so ist, nicht nur hier“, sagt der 27-jährige Hamburger.

Auch in den eigentlich sportfremden Zeiten, weit nach Mitternacht, zeichnet Zverev aktuell eine kühle Fokussierung aus – und die Qualität, in Matches Rück- und Fehlschläge wieder und wieder wegzustecken und da zu sein, wenn es wirklich zählt. Beispielsweise in der Königsdisziplin Tiebreak, wenn in wenigen Minuten ein Grand-Slam-Duell einen ganz neuen Dreh bekommen kann. Gegen Rune gewann Zverev im vierten Satz die Entscheidungslotterie und entschied damit nicht nur den 22. von 24. Tiebreaks in seinen Roland-Garros-Jahren für sich, sondern lenkte damit auch das Spiel in eine andere Richtung und über die Ziellinie. „Er hatte Höhen und Tiefen in seinem Spiel, es war eine Achterbahn. Aber wenn er unter Druck steht, holt er sein bestes Tennis raus“, so Experte Boris Becker.

Novak Djokovic schluckt fleißig Schmerztabletten

Wen Zverev nach seinen beiden Marathons gegen den Holländer Griekspoor und Rune nun eigentlich nicht auf der anderen Seite des Netzes sehen wollte, ist der Australier Alex de Minaur (25)  – sein Viertelfinal-Gegner, ein wieselflinker Dauerläufer, ein Wunder an Unermüdlichkeit auf den Centre Courts. Der Mann vom anderen Ende der Welt wirkt wie eine moderne Version des kratzbürstigen Energiebündels Lleyton Hewitt, er hat nun auch als erster Aussie seit dem früheren Weltranglisten-Ersten Hewitt wieder das Viertelfinale bei den Pariser Ausscheidungsspielen erreicht. „Er wird gern unterschätzt, läuft ein bisschen unterm Radar“, findet Zverev, „für mich ist es aber keine Überraschung, dass er jetzt auch bei den French Open so gut spielt.“ De Minaur hatte schon in Runde drei den Warsteiner Jan-Lennard Struff ausgeschaltet, im Achtelfinale warf er am Montag den Weltranglisten-Fünften Daniil Medwedew aus dem Turnier.

Eine steinige Wegstrecke hat auch schon Frontmann Novak Djokovic hinter sich, der in den beiden letzten Turnierrunden jeweils einen 1:2-Satzrückstand aufholte und im Achtelfinale den Argentinier Francesco Cerundolo mit 6:1, 5:7, 3:6, 7:5 und 6:3 ausschaltete. Djokovic, der in den ersten vier Runden nun bereits 14 Stunden auf den Courts verbracht hat, plagte sich gegen Cerundolo auch mit einer Knieverletzung herum und schluckte zwischenzeitlich mehrere Schmerztabletten. Dennoch gilt als sicher, dass er am Mittwoch zum Viertelfinalduell gegen den Norweger Casper Ruud antreten wird.