Rom. Mit seinem Sieg in Rom gegen Nicolas Jarry setzt Tennis-Star Alexander Zverev den Schlusspunkt einer langen und beschwerlichen Rückkehr.
Am Viertelfinal-Verlierer auf dem Centre Court von Rom ließ Alexander Zverev kein gutes Haar. „Tausend Kilometer“ sei der von der Weltspitze entfernt, „unglaublich weit weg, mal ein Turnier zu gewinnen“. Und auch was das Niveau des Spiels angehe, gab es Klartext: „Das ist wahrscheinlich das schlechteste Tennis seit 2015, 2016.“
Natürlich sprach Alexander Zverev über Alexander Zverev in jenem denkwürdigen Moment, dem Tiefpunkt seiner damaligen Comeback-Mission. Es war Mitte Mai 2023, vor etwas mehr als einem Jahr, beim Masters-Spektakel in Italiens Kapitale. Er hatte in der Runde der letzten Acht gegen den Russen Daniil Medwedew verloren, sang- und klanglos. Ohne jede Chance. Kurzentschlossen trat der frustrierte Hamburger danach noch mit einer Wild Card beim French Open-Vorbereitungsturnier in Genf an – verlor im Halbfinale gegen den Chilenen Nicolas Jarry.
Alexander Zverev: Sieg in Rom macht ihn zum Tennis-König der Ewigen Stadt
Welch ein Unterschied zwölf Monate machen können. Am Pfingstsonntag hatte Zverev wieder Jarry vor Augen. Nun aber im Masters-Finale im Foro Italico – und als Zverev um genau 18.52 Uhr auf dem Centre Court zu Boden ging, auf seine Knie sank, war er doch obenauf wie nie zuvor nach seiner schweren Fußverletzung aus dem Sommer 2022. „Es ist ein extremes Glücksgefühl, eine riesige Genugtuung“, sagte der Riese nach seinem 6:4, 7:5-Erfolg über den Südamerikaner. Sieben Jahre nach seinem überhaupt ersten Masters-Coup war er wieder der Tennis-König in der Ewigen Stadt geworden.
Statt mit Sorgen und Zweifeln reiste Zverev nun als einer der Mitfavoriten auf die Grand Slam-Krone ins Pariser Stadion Roland Garros. Und zwar aus zweierlei Gründen: Wegen der eigenen Formstärke, dem aufgebauten Selbstvertrauen nach den römischen Festspielen. Und auch wegen der Probleme und Schwächen, mit denen sich viele Konkurrenten herumplagen. Allen voran der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic, der gerade wie Zverev anno 2023 in Genf noch verzweifelt versuchen will, in Schwung zu kommen.
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Alexander Zverev spricht von vielen Höhen und Tiefen bei seinem Comeback
Zverev erster wirklich großer Titel seit dem fatalen Sturz im French Open-Halbfinale 2022 gegen Rafael Nadal ist in gewisser Weise auch der Schlusspunkt einer langen, beschwerlichen und holprigen Comeback-Reise. „Dass ich jetzt hier stehe und wieder einen großen Pokal in den Händen habe, ist nach so einer Verletzung alles andere als selbstverständlich“, sagte Zverev, „es gab viele Höhen und Tiefen in den letzten beiden Jahren. Aber ich bin sehr stolz, was ich nun geschafft habe.“
Während die jugendlichen Hauptdarsteller der letzten Tennis-Monate, der Italiener Jannik Sinner und der Spanier Carlos Alcaraz, nun mit körperlichen Schwierigkeiten kämpfen, scheint Zverev auf den Punkt fit zu sein für Paris – für das herausforderndste aller Grand Slam-Turniere mit potenziell stundenlangen Rutschübungen im roten Sand. Zverev lebte schon immer von seinem starken Service, aber wie er gegenwärtig Matches mit seinem extrem präzisen und wirkungsvollen Aufschlag kraftsparend dominieren kann, ist ohne Beispiel. „Serviert er auf diesem Niveau in Paris, ist er fast unspielbar“, sagte TV-Expertin Andrea Petkovic bei Sky.
Boris Becker lobt Alexander Zverev: „Paris kann kommen“
Gegen Jarry landete der Olympiasieger eine 95 Prozent-Quote beim ersten Aufschlag, erst beim 33. Service verlor er überhaupt den ersten Punkt nach erstem Aufschlag. Die ersten drei Aufschläge im Match waren – drei Asse. Zudem bestach der Hamburger durch starke Fokussierung, in 101 Minuten unterliefen ihm gerade mal fünf sogenannte leichte Fehler. „Sagenhaft. Paris kann kommen“, funkte via Twitter Altmeister Boris Becker in Richtung des DTB-Frontmannes. Einen nicht unwesentlichen Nebeneffekt hatte der Masters-Triumph auch für Zverev: Denn mit dem Rom-Titel sprang er auf Platz 4 der Weltrangliste – und wird damit bestenfalls bis zum French Open-Halbfinale den nominell stärksten Konkurrenten aus dem Weg gehen. Djokovic, Alcaraz und Sinner. „Laßt mich einen Tag glücklich sein und feiern. Dann kommt der Fokus für Paris“, sagte Zverev.