London. Den deutschen Bahnsprinterinnen Miriam Welte und Kristina Vogel ist nicht vorzuwerfen, dass ihren Rivalinnen Wechselfehler unterliefen. Ein wenig Mitgefühl mit den disqualifizierten Chinesinnen aber hätte man von den deutschen Gold-Frauen aber schon erwarten dürfen. Ein Kommentar
Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen durfte sich der österreichische Rückenschwimmer Markus Rogan zwanzig Minuten lang als Olympiasieger fühlen. Sein amerikanischer Rivale Aaron Peirsol, der das 200-m-Rennen klar gewonnen hatte, war wegen eines vermeintlichen Beinfehlers disqualifiziert worden. Und was tat Rogan? Er jubelte nicht etwa, sondern erklärte dem verblüfften Reportern, dass er auf diese Weise nicht Olympiasieger werden wolle.
Miriam Welte und Kristina Vogel waren den Chinesinnen chancenlos unterlegen
Er wurde es dann auch nicht, weil einem Protest der Amerikaner stattgegeben wurde. Woraufhin Rogan noch einmal bestätigte, sein amerikanischer Konkurrent sei der bessere Schwimmer, dem allein die Goldmedaille gebühre. Eine Haltung, die ihm später einen europäischen Fair-Play-Preis und die Wahl zu Österreichs Sportler des Jahres einbrachte.
Warum die Erinnerung an diese olympische Geschichte? Nun, in London sind am Donnerstag zwei deutsche Bahnsprinterinnen Olympiasiegerinnen geworden, obwohl sie in einem Finale, in das sie ohne die Disqualifikation der Britinnen nicht gekommen wären, gegen die Chinesinnen Gong Kinjie und Guo Shuang chancenlos waren. Weder hätte jemand von Miriam Welte und Kristina Vogel erwartet, sich für den Glücksfall zu entschuldigen, dass auch dem China-Duo ein Wechselfehler unterlaufen war. Noch, dass sie gar auf den Olympiasieg verzichten hätten (was von der Jury ohnehin nicht akzeptiert worden wäre).
Wahre Champions verhalten sich anders als die deutschen Gold-Siegerinnen
Aber wäre ein mitfühlendes Wort für die unglücklichen und untröstlichen Chinesinnen, die sich keinen relevanten Vorteil verschafft hatten und die den Deutschen bei der Siegerehrung fair gratulieren zu viel verlangt gewesen? Stattdessen nannte Kristina Vogel den Rennausgang „einfach verrückt, aber auch sehr schön.“
Wohlgemerkt: Welte/Vogel sind regelgerecht Olympiasiegerinnen geworden. Wahre Champions freilich – siehe Markus Rogan – sehen anders aus. Ihr Medaille bei den Spielen in London wird in den Olympia-Geschichtsbüchern als Gold mit Fußnote erscheinen.