Essen. Läufer sind mitteilsam - auch Moderator Sven Lorig, der ein Buch über seine Laufbegeisterung verfasst hat. Unser Laufblogger hat mit ihm geplaudert.

Der TV-Moderator Sven Lorig wendet sich mit seinem Buch „Lässig laufen“ („Lässig laufen“, Bastei Lübbe, 9,99 Euro.) an ganz normale Freizeit-Athleten und trifft damit einen Nerv. Mit zahlreichen Anekdoten aus seinem Läuferleben nimmt Lorig seine Leser an die Hand und sorgt für hohen Wiedererkennungswert. Denn alles, was Lorig da erzählt, dürfte einem Großteil seiner Leser auch schon passiert sein.

Wie bei Lorig war auch bei vielen anderen Läufern ein Blick auf die Waage oder in den Spiegel der Grund, erste Schritte zu wagen. In lockerem Ton berichtet Lorig von Fortschritten und Rückschlägen und von der Schnapsidee, einen Marathon zu laufen. Dabei scheut sich der inzwischen zum Vereinsläufer gereifte Autor nicht, Fehler zuzugeben. Damit die Leser eben diese Fehler nicht machen, gibt Lorig Tipps zu Training, Lauftaktik und innerer Einstellung.

Laufen mit einer Portion Lockerheit

Trotz aller sportlichen Ambitionen, die der Autor mit der Zeit entwickelt hat, gelingt es Lorig zu zeigen, dass Verbissenheit selten zum Erfolg führt und dass eine gewisse Portion Lockerheit und Lässigkeit die beste Voraussetzung sind, letztlich zum Erfolg zu kommen – oder einfach nur Spaß an seinem Hobby zu haben.

Das Buch
Das Buch "Lässig Laufen" von Sven Lorig. © Bastei Lübbe | Bastei Lübbe

Ich habe mit Sven Lorig über sein Buch, seine Lauferfahrungen und den Laufsport gesprochen. Und darüber, warum Männer Mitte 40 an Wettkämpfen teilnehmen und Mut zu mehr Selbstbewusstsein haben sollten. Aus einem Interview entwickelte sich ein Gespräch über die gemeinsame Leidenschaft: das Laufen.

"100 Meter waren früher kürzer"

Stefan Reinke: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Laufbuch zu schreiben?

Sven Lorig: Beim Laufen höre ich immer Hörbücher – Krimis und Thriller. Das trägt mich in der Marathon-Vorbereitung durch die langen Läufe. Ich bin ein Krimi- und Thriller-Fan und wollte so etwas schreiben. Mit meinem Management saß ich dann bei Lübbe, stellte aber fest, dass wir dort der Leiterin „Sachbuch“ gegenüber saßen. Die fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, ein Sachbuch zu schreiben. Ich antwortet, dass ich ja außer Laufen nichts kann – sie sagte: „Laufbuch ist super!“

Ich war erst skeptisch, ob ich das überhaupt kann. Meine Managerin sagte dann aber, dass ich ihr eh ständig mit meiner Lauferei in den Ohren liege und auf Partys kein anderes Thema kenne... Ich würde schon sehen, dass ich auch darüber schreiben kann. Beim Schreiben floss es dann tatsächlich nur so aus mir heraus.

War von Anfang an klar, dass es kein klassischer Ratgeber, sondern eher ein Buch mit Anekdoten?

Lorig: Ja, genau. Es sollte anekdotisch sein, aber auch Praxis-Tipps enthalten. Wir haben es dann so entwickelt, dass ich in einem Teil erkläre, wie es richtig geht und im anderen Teil erzähle, wie ich es gemacht habe. Ich habe ja logischerweise viele Fehler gemacht und wollte dann anhand vieler Beispiele zeigen, wie man sich beim Laufen auch selber im Weg stehen kann, zum Beispiel wenn man sich zu hohe Ziele setzt und die zu verbissen verfolgt. Beim Schreiben habe ich gemerkt, dass mich dieses lässige Laufen weitergebracht hat.

Die Lehre, die man aus dem Buch ziehen kann, ist, dass Laufen kein Hexenwerk ist. War das Ihr Ziel?

Lorig: Ich wollte viele Sachen schreiben, die mir passiert sind. Keine Geschichte in dem Buch ist ausgedacht, alles ist so passiert. Ich habe versucht, es so darzustellen, dass sich viele darin wiedererkennen und auch über sich lachen können. Der Lerneffekt soll der sein, dass man einfach gelassener sein sollte.

Sie sind ja mit einem konkreten Ziel zum Laufen gekommen: Gewichtsreduktion.

Lorig: Ja, das sind wir ja alle, oder? Ich weiß ja nicht, wie es bei Ihnen war...

Klar, auch so.

Lorig: Das Lustige ist ja, dass es vielen Menschen in unserem Alter so geht. Die waren in der Jugend total aktiv und dann kam die Phase, in der man gar nichts mehr macht und plötzlich feststellt, dass man auf seinem Bauch ein Bierglas abstellen könnte. Dann fängt man an zu laufen. Ich bekomme auch total Feedback und Fotos von Leuten, denen es eben auch so ergangen ist.

Im Kopf war ich ja ganz sportlich. In Wirklichkeit wog ich 100 Kilo und war extrem unsportlich.

Dann kam aber relativ schnell der sportliche Ehrgeiz?

Lorig: Nee. Zum ersten Marathon bin ich ja eher durch eine Schnapsidee gekommen. Der richtige sportliche Ehrgeiz mit Vereinstrainer und so kam erst Jahre später. Was aber gut so war, weil ich dadurch wirklich langsam angefangen habe. Viele machen ja den Fehler, dass sie viel zu schnell viel zu viel erreichen wollen. Durch das langsame Steigern bin ich glücklicherweise auch verletzungsfrei durch all die Jahre gekommen, bilde ich mir ein. Haben Sie denn viel mit Verletzungen zu kämpfen?

Bislang hatte ich einen Muskelfaserriss. Den habe ich mir bei einem verunglückten Testrennen gegen eine Sprinterin zugezogen.

Lorig: (lacht) Jaaa, das soll man nicht machen.

Ich wollte zeigen, dass wir Hobbyläufer keine Vorstellung davon haben, was Leistungssportler drauf haben und dass es oft ganz schön überheblich ist, zu behaupten, man könne etwas, nur weil man es ab und zu mal macht. Vorm Fernseher lässt es sich halt leicht über die Leistungen von Leichtathleten meckern.

Lorig: Da muss man bloß mal zum Sportplatz um die Ecke gehen und beim Sportabzeichen mitmachen. Da stellt man schnell fest, dass die 100 Meter früher auch mal kürzer waren.

Allerdings. Die Verletzung hatte mich jedenfalls den Paris-Marathon im vergangenen Jahr gekostet. Da war für mich klar, dass ich den in diesem Jahr nachholen muss.

"Bei Volksläufen sieht man, dass es noch andere Irre gibt"

Lorig: Dann sind Sie ja jetzt in der schwierigsten Phase für einen Läufer. Nach dem Marathon macht man ja erst einmal Pause und muss sich dann erst wieder für neue Ziele motivieren. Was ist Ihr Ziel?

Um gar nicht erst in das Loch zu fallen, habe ich mein Laufjahr nach dem Marathon komplett durchgeplant. Ich laufe aber Stand jetzt keinen Marathon mehr in diesem Jahr. Stattdessen will ich meine Halbmarathon-Zeit deutlich verbessern und in der Gesamtwertung des Revier-Cups weit vorne zu landen. Für kommendes Jahr ist Paris wieder gebucht – so lange mich niemand nach New York einlädt, muss ich ja woanders laufen.

Wie sieht's bei Ihnen aus?

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Lorig: Ich laufe den Düsseldorf-Marathon (hat er inzwischen und mit 3:12 Stunden eine neue persönliche Bestzeit erreicht - herzlichen Glückwunsch!!!) und würde später im Jahr den Halbmarathon gerne unter 1:30 Stunden laufen. Und im nächsten Frühjahr würde ich dann die 10 Kilometer unter 40 Minuten laufen. Aber erst mal geht’s an den Halbmarathon.

Haben Sie auch das Gefühl, dass Ihnen die Zeit wegläuft, was die Verbesserung der eigenen Zeiten angeht?

Lorig: Ja, auf jeden Fall! Früher waren die Jahre länger und irgendwie hat man das Gefühl, dass schon wieder ein Jahr dazu gekommen ist und man sein Ziel immer noch nicht erreicht hat. Aber auch da empfehle ich Lockerheit. Ganz ehrlich: Man kann sich für die Zeiten ja auch nichts kaufen und sollte daher den Spaß in den Vordergrund rücken. Ich laufe ja in erster Linie, weil es mir Spaß macht. Ist man ein besserer Mensch, weil man 39:59 Minuten auf 10 Kilometer läuft? Ich glaube nicht.

Aber trotzdem setzen wir uns diesem Druck aus.

Lorig: Ich bin überzeugt davon, dass man Ziele braucht. Egal, ob das eine Gewichtsreduktion oder eine Zielzeit ist. Sonst bleibt man nicht bei der Stange. Daher finde ich es auch gut, bei Volksläufen mitzumachen. Man sieht dort, dass es noch andere Irre gibt, die das machen. Es ist ja ein schönes Gefühl, zu merken, dass man nicht alleine ist oder sogar mit den Vereinskollegen in eine Mannschaftswertung zu laufen.

Aber irgendwann kommt der Punkt, wo es nicht mehr darum geht, die Leistung zu steigern, sondern den körperlichen Verfall zu bremsen...

Lorig: Ja, aber auch das ist ja auch ein schönes Ziel.

Manchmal denke ich bloß, dass es arg spät ist, wenn man erst mit 40 anfängt zu laufen.

Lorig: Ja, aber im Verein kenne ich Leute, die mit Mitte 50 immer noch Bestzeiten laufen und schneller laufen als ich. Laufen ist zum Glück eine Sportart, mit der man auch spät noch anfangen kann. Ich sehe schon, dass da bei mir noch Luft nach oben ist. Ein Vereinskollege von mir ist über 60 und läuft den Halbmarathon eine Minute schneller als ich.

Ist das ein Ansporn?

Lorig: Auf jeden Fall! Als ich den vor mir gesehen habe, habe ich immer versucht, dranzubleiben. Aber es ging nicht. Der hat aber auch schon als Kind angefangen zu laufen und sein ganzes Leben lang trainiert. Das muss man einfach auch anerkennen. Die haben eine ganz andere Qualität.

Ich trauere dem total nach, dass ich als Jugendlicher nicht angefangen habe, ernsthaft Sport zu treiben.

Lorig: Geht mir ähnlich! Aber damals war es für mich sinnlos, ohne Ball oder Puck einfach irgendwo zu laufen.

Ich habe in der Schule leider gelernt, dass ich nicht laufen kann. Bei uns war Laufen gleich Rennen. Es gab da so eine Standardrunde hinter der Schule, ungefähr 3000 Meter. Wenn wir da im Sportunterricht gelaufen sind, war das purer Darwinismus. Alle sind losgerannt wie verrückt, die meisten blieben dabei auf der Strecke.

Lorig: Ich glaube, das ist heute immer noch so. Manchmal mache ich vormittags Intervalltraining auf der Bahn und sehe dann auch Schulklassen. Wenn ich sehe, wie die trainieren, wird mir ganz schlecht. Da erklärt niemand, wie man systematisch vorgeht. Meine Tochter hat mich neulich gefragt, wie man schneller wird – im Sportunterricht lernt die das nicht. Dabei müssen die intensiv 800-Meter-Läufe machen, die auch benotet werden. Aber wie man das richtig macht, wird ihnen nicht erklärt. Das ist verrückt!

Dabei sind das ja die Basics. Laufen ist doch der Sport, den jeder kann, Schulen brauchen dafür nicht mal eine Sporthalle. Und trotzdem bringen sie es den Kindern nicht bei.

Lorig: Keiner erklärt ihnen, dass es auch langsame Läufe und so etwas wie eine Grundlagenausdauer gibt.

Erst in Biologie habe ich gelernt, dass es einen aeroben und einen anaeroben Stoffwechsel gibt. Es wäre schön gewesen, dieses Wissen gleich im Sportunterricht anwenden zu können.

Weg von der Schule, hin zum Beruf. Wann trainieren Sie bei Ihren Arbeitszeiten?

Lorig: Irgendetwas Gutes muss es an der Nachtschicht ja geben. Der Vorteil ist, dass man im Prinzip Zeit zum Trainieren hat. Wenn ich das Morgenmagazin mache, fange ich um 2 Uhr an und bin um 11 Uhr zu Hause. Dann kann ich laufen, während meine Frau arbeiten ist und die Kinder in der Schule sind. Aber ich bin dann nicht unbedingt in der körperlichen Blüte. Intervall-Training ist dann schon schwierig. Aber die Zeit ist bei mir eher da als bei jemandem, der von 8 bis 17 Uhr arbeitet.

Wenn ich unterwegs bin, zum Beispiel zum Nachtmagazin nach Hamburg reise, sind meine Laufschuhe immer dabei. Wann immer es geht, laufe ich. Da bin ich konsequent. Laufschuhe wiegen ja nichts, die kann man überallhin mitnehmen.

Das erfordert Selbstdisziplin. Fällt Ihnen das leicht?

Lorig: Wenn man ein Ziel hat, macht es das leichter. Wenn ich das Ziel habe, einen Marathon in einer passablen Zeit zu laufen, motiviert mich das. Ich mag auch Intervall- und Tempo-Trainings. Ich kann das nur nicht im Wettkampf umsetzen.

Auch Hobbyathleten sind Leistungssportler!

Sie trainieren mit einem Trainer. Das ist ja schon fast ein Luxus.

Lorig: Nein, gar nicht. Das ist ein ganz normaler Vereinstrainer. Ich habe das früher völlig unterschätzt. Ich dachte immer ein Trainer schreibt einen Trianingsplan und dann war's das. Es ist aber total wichtig, einen Trainer zu haben, der einen auch laufen sieht und total viele Sachen sieht, die zu verbessern sind. Ich genieße es sehr, einen Trainer zu haben, der selbst Marathon in 2:13 Stunden gelaufen ist und wahnsinnig viel weiß – und mir ab und zu auch in den Arsch tritt.

Das habe ich jetzt allerdings auch gemerkt, als ich Tempo-Training in einer Gruppe mit Trainer gemacht habe.

Lorig: War das einfacher?

Ja, unglaublich. Allein durch den Gruppendruck. Und natürlich weil da jemand war, der mich angespornt hat, den nächsten Kilometer auch noch zu laufen. Ich lasse mich sonst ja gerne davon verleiten, dass mein Auto um die Ecke steht und ich ja auch nach Hause fahren könnte.

Lorig: Ich finde es beim Tempo-Training klasse, wenn man sich einfach an jemanden dranhängen kann, der das Tempo macht. Ich denke beim Laufen immer viel nach, da hilft es, einfach hinter jemandem her laufen zu können.

Es gibt ja zwei Arten von Laufen: das zielgerichtete Laufen, bei man total fokussiert ist – und eben das entspannte Laufen im Wald, bei dem die Gedanken abschweifen.

Lorig: Ja, ich genieße das, einfach in den Wald zu gehen und den Stress rauslaufen kann. Ich bin danach viel entspannter. Das ist eine Art Mini-Urlaub und bringt mich weit nach vorne.

Haben Sie beim Laufen schon Moderationen geschrieben?

Lorig: Ja, das mache ich auch. Ich habe aber auch schon Moderationen beim Laufen gelernt. Vor großen Galas ziehe ich die Moderation auf meinen iPod und höre mir die dann beim Laufen in Endlosschleife an und memoriere sie.

Mir geht es oft so, dass ich beim Laufen eine Idee habe und die dann spontan ins Handy tippe, weil ich Angst habe, sie sonst zu vergessen. Manchmal spiele ich den Gedanken auch einfach weiter, muss dann aber spätestens nach dem Duschen feststellen, dass die Idee gar nicht so genial war, wie ich dachte. Geht Ihnen das ähnlich?

Lorig: Ich schreibe es direkt auf, wenn ich nach Hause komme, weil ich mein Handy nie mitnehme.

Inwieweit sind Sie bereit, für eine Zielzeit Opfer zu bringen und Verzicht zu üben? In der Vorbereitung achte ich ja immer darauf, mich auch nicht total falsch zu ernähren. Ich esse ja total gerne...

Lorig: Gerade in der Marathon-Vorbereitung kann man doch total viel essen!

Ja, aber nicht so viel Pommes und vielleicht mal weniger Bratwürste...

Lorig: Nee, das sehe ich ja komplett anders. Ich verbrenne ja nie so viele Kalorien wie in der Marathon-Vorbereitung. Da haue ich immer total rein. Ich schaffe es auch nicht, ganz ohne Alkohol zu leben oder bei einer Familienfeier auf den Kuchen zu verzichten.

Ich habe versucht, gesündere Kalorien zu mir zu nehmen. In Askese habe ich auch nicht gelebt – ich habe eine Fußball-Dauerkarte. Ich muss also quasi alle 14 Tage Bier trinken und Bratwurst essen. Nee, ich habe nur versucht, öfter mal Salat zu essen. Der schmeckt mir ja auch total gut – aber andere Sachen schmecken noch besser.

Lorig: Ja, aber ich finde, gerade in der Marathon-Vorbereitung muss man auch mal Fünfe gerade sein lassen. Aber das muss man ja auch lernen. Ich habe in meiner Anfangszeit mal versucht, drei Monate lang zu leben wie ein Athlet. Das hat mich null nach vorne gebracht. Ich laufe jetzt den Marathon in 3:15 Stunden, obwohl ich unter der Woche gerne mal Pommes oder Bratkartoffeln esse. Vorher lief ich um die vier Stunden und habe gegrübelt, was ich essen darf und was nicht. Da bin ich jetzt viel entspannter. Das gehört für mich auch zum lässigen Laufen. Auch die Sache mit den ganzen Gels... Mein Trainer ist 2:13 Stunden gelaufen, ohne Gel zu sich zu nehmen.

Klar, der ist ja auch nicht so lange unterwegs! Wenn man vier Stunden läuft, braucht man schon was.

Lorig: (lacht) Ja, das reden wir uns alle immer ein. Aber stimmt vielleicht.

Wie setzen Sie sich neue Ziele? Wissen Sie, was für Sie realistisch ist?

Lorig: Das ist schwer zu sagen. Am Anfang dachte ich, dass ich den Marathon niemals 3:45 Stunden laufen werde oder den Halbmarathon unter 1:40 Stunden. Realistisch gesehen, denke ich, dass ich den Marathon nicht unter drei Stunden laufen kann. Da ist mein Körper nicht für gemacht, definitiv.

Wenn man so spät anfängt, weiß man gar nicht, wo die eigene Leistungsgrenze liegt. Das ist ja eigentlich schade. Man weiß nicht mal, ob man Stärken eher im Sprint oder im Ausdauerlauf hat.

Lorig: Auf jeden Fall. Irgendwann ist man auch zu alt oder hat zu viel Lebenserfahrung. Ich zum Beispiel denke viel zu viel nach. Wenn man jungen Leuten sagt, sie sollen laufen, dann denken die gar nicht viel darüber nach. Sobald du 30 bist, einen Job hast und gesettelt bist, denkst du einfach viel zu viel nach. Ich zögere und zaudere. Vom theoretischen Leistungsvermögen her müsste ich längst 38 Minuten auf 10 Kilometer laufen, aber ich kriege es nicht hin. Da frage ich mich schon, warum ich das nicht ausschöpfe. Aber eigentlich habe ich mich von diesen Zeiten und vom Leistungsdenken gelöst. Das rede ich mir zumindest ein. Und dann will ich doch den Marathon unter 3:10 Stunden laufen. Wir sind doch alle verrückt!

Ich habe das mal als Scheinwelt bezeichnet. Wir reden uns ein, im Wettkampf mit 30.000 anderen Läufern zu laufen, obwohl wir keine Chance haben, 29.999 davon zu schlagen.

Lorig: Ja!

Also ist es kein Wettkampf, sondern höchstens ein Wettkampf mit sich selbst.

Lorig: Genau.

Das kann man ja eigentlich auch alleine machen. Und trotzdem geht man dorthin, wo es andere auch machen. Da frage ich mich immer wieder, warum ich das mache. Gibt das einen Kick? Ist es doch das Gefühl, gegen andere zu laufen?

Lorig: Ja klar! Es gibt Gemeinschaftsgefühl und es spornt an, sich ziehen zu lassen und sich nicht hängen zu lassen. Bei einem Wettkampf läufst du viel schneller als bei jeder anderen Tempoeinheit.

Setzen Sie sich dann auch so kleine Ziele, wie den Typen in der blauen Hose einzuholen? Oder Leute, die mit Kleingeld in der Tasche unterwegs sind, schnell hinter sich zu lassen?

Lorig: Klar. Letztens hatte ich einen neben mir, der sein Handy so laut hatte, dass ich jede Ansage gehört hatte, wie schnell er seinen letzten Kilometer gelaufen ist und so weiter. Da musste ich weg. Mein Trainer sagt auch immer, ich soll mich an einem Vordermann festsaugen und mich ziehen lassen. Das klappt nicht immer (lacht).

Ich finde es bloß drollig, wenn ein Mensch Mitte 40 plötzlich stolz sagt: „Ich habe einen Wettkampf!“

Lorig: Meine Frau lacht sich immer kaputt, wenn ich von uns Läufern als Athleten oder Leistungssportler rede. Wir sind natürlich keine Hochleistungssportler, aber wir sind Leistungssportler, weil wir eine bestimmte Leistung erbringen wollen. Da kann man ruhig etwas selbstbewusster sein.