Essen. Vor 100 Jahren kraulte Johnny Weissmüller, der später mit der Rolle des Tarzan berühmt wurde, die 100 Meter unter einer Minute
Es gibt Sätze, die in die Geschichte eingegangen sind. Worte, die für immer mit einer Person verbunden bleiben. Wie das Zitat von Gaius Julius Cäsar, als er im Jahr 47 v. Chr. nach der gewonnenen Schlacht bei Zela an seinen Freund Gaius Matius schrieb: Veni, vidi, vici (ich kam, ich sah, ich siegte). Cineasten lieben Filmzitate wie das in „Casablanca“, als Humphrey Bogart Ingrid Bergman den unvergesslichen Satz „Ich schau dir in die Augen, Kleines“ zuflüsterte. Vier Worte aus der deutschen Synchronfassung sind es, die für immer mit Johnny Weissmüller verbunden bleiben. „Ich Tarzan, du Jane“, sagte Weissmüller 1932 in seinem ersten Tarzan-Film zu Jane, die von Maureen O’Sullivan, der späteren Mutter von Mia Farrow, dargestellt wurde.
67 Weltrekorde
Obwohl Johnnys Weissmüllers Fähigkeiten als Schauspieler so begrenzt waren wie die Dialoge zwischen Tarzan und Jane, ist er eine Film-Legende. Zugleich ist der 1904 im heute rumänischen und damals zu Österreich gehörenden Freiberg geborene Weissmüller einer der größten Schwimmer der Sport-Geschichte. Am 9. Juli jährte sich zum 100. Mal der Tag, an dem Johnny Weissmüller in Alameda, Kalifornien, als erster Mensch in 58,6 Sekunden die 100 Meter Freistil unter einer Minute schwamm. Es war der erste von wahrscheinlich 67 Weltrekorden, die der US-Amerikaner in seiner Karriere aufstellte. Eine genaue Zahl ist schwer zu bestimmen, da damals die Rekordlisten noch nicht akribisch geführt wurden.
Johnny Weissmüller schwamm in seiner eigenen Liga. Bis zu seinem Rücktritt blieb er in allen Einzelrennen ungeschlagen. Fünfmal wurde er Olympiasieger: 1924 über 100 und 400 Meter Freistil sowie in der Freistil-Staffel, 1928 erneut über 100 Meter Freistil und mit dem US-Quartett. Außerdem holte er als Wasserballer 1924 mit dem US-Team die Bronzemedaille.
Eigentlich heißt der Ausnahmeschwimmer János Weißmüller. Als er sieben Monate alt war, wanderten seine Eltern, die Donauschwaben Petrus Weißmüller und Elisabeth Kersch, aus Österreich-Ungarn in die USA aus, wo sie am 26. Januar 1905 in Ellis Island ankamen. Die in der Passagierliste als Deutsche mit ungarischer Staatsbürgerschaft geführten Familienangehörigen änderten ihre Namen mit der Einreise, so dass Jànos zu Peter John, genannt Johnny Weissmüller wurde. In der neuen Heimat ging die Familie nach Winber in Pennsylvania. Nach dem Umzug nach Chicago lebten die Weissmüllers in einem Viertel der Banater Schwaben. Dort erlernte Johnny auch das Jodeln. Dies sollte ihm nicht nur Siege bei Jodel-Wettbewerben einbringen, sondern ihm auch später zu Tarzans unvergesslichem Urwaldschrei verhelfen.
Eintrittskarte nach Hollywood
Schon mit zwölf Jahren brach Weissmüller die Schule ab, um zu arbeiten und Geld zu verdienen. Er jobbte als Liftboy und Page. Zum Schwimmen brachte ihn ein Arzt. Weissmüller litt an Kinderlähmung, auf ärztliche Empfehlung begann er, viel zu schwimmen. Mit einzigartigem Erfolg. Seine Olympiasiege und Weltrekorde waren für Johnny Weissmüller die Eintrittskarte nach Hollywood. Als Tarzan musste man nicht viel reden, sondern gut aussehen, mit Krokodilen um die Wette schwimmen und von hohen Bäumen herab jodeln. Weissmüller war prädestiniert für diese Rolle, wie er selbst 1974 berichtete: „Ich wurde gefragt, ob ich einen Baum hochklettern kann. Das habe ich gemacht. Dann hatte ich die Rolle“, sagte er.
Bilanz: Wie gewonnen, so zerronnen
Den ersten der zwölf Tarzanfilme, „Tarzan The Ape Man“, drehte er 1932 in fünf Monaten für 500 Dollar pro Woche in Los Angeles. Obwohl Ihn die Rolle berühmt machte, bezeichnete er seine Unterschrift auf dem Filmvertrag später als größten Fehler seines Lebens: „Danach war ich in Hollywood zum Muskelmann mit wenig Gehirn abgestempelt. Als Schauspieler war ich erledigt.“ Im knappen Lederschurz kam er jedoch zumindest zeitweise zum großen finanziellen Erfolg. 1954 drehte er mit „Jungle Jim“ seinen letzten Tarzan-Film, allerdings für das Fernsehen. Insgesamt zwei Millionen Dollar soll er für seine Filmrolle als Tarzan erhalten haben – für die damalige Zeit eine ungeheure Summe.
Doch in der Zeit der Studenten-Unruhen wurde der Hollywood-Held vom Sockel gestürzt. 1970 protestierten Studenten der Yale-Universität in New York gegen die Aufführung des Kult-Filmes „Tarzan the Apeman“. Weil dieser Streifen ein Symbol weißer Überheblichkeit und des Rassismus sei. Sie blockierten ein Kino und schlugen den anwesenden Johnny Weissmüller in die Flucht. Es war dies der Anfang seines Abstieges.
Die sprichwörtliche Bilanz seines Lebens heißt: Wie gewonnen, so zerronnen. Ein paar Jahre beschäftigte ihn ein Spielkasino in Las Vegas als Händeschüttler für jene Gäste, die es nach der verblassenden Aura des Stars gelüstete, für Schwimmflossen und Planschbecken machte einer der ganz Großen in der Geschichte des Films Reklame. Gegen freie Kost und Logis gab er Kindern Schwimmunterricht.
Das Privatleben des Olympia- und Filmhelden verlief turbulent. Johnny Weissmüller war mit Bobbe Arnst, Lupe Vélez, Beryl Scott, Alleen Gates und Maria Baumann insgesamt fünf Mal verheiratet. Seine letzte Frau Maria Baumann fehlt in keinem ZDF-Rückblick des Aktuellen Sportstudios. Im Oktober 1971 war das Ehepaar Weissmüller Gast im Sportstudio. Während Moderator Dieter Kürten mit dem betagten Sportstar und seiner Gattin plauderte, begann der ins Studio gebrachte Schimpanse herumzuturnen und zog Maria Baumann in einer überraschenden Attacke die Perücke vom Kopf. Erschrocken griff sich Maria Baumann an den Kopf. Dann löste sich ihre Anspannung und sie lachte mit ihrem Mann über den Streich des kleinen Affen.
Es war einer der letzten entspannten Momente in Johnny Weissmüllers Leben. 1979 wurde er bevormundet und in ein Altersheim für verarmte Hollywood-Schauspieler eingewiesen. Er fühlte sich dort allerdings nicht wohl und verbrachte seine letzten Lebensjahre in Acapulco (Mexiko). Dort verstarb Johnny Weissmüller 1984 verarmt nach mehreren Schlaganfällen.