Les Sables d´Olonnes. Boris Herrmann beendet das Segelrennen Vendée-Globe als Fünfter. Auf den Schlussmeilen der gefährlichen Weltumsegelung rammt er einen Trawler.

Boris Herrmann drückte seiner kleinen Tochter Marie-Louise einen dicken Kuss auf die Stirn und zog seine Frau Birte ganz dicht an sich heran. Dann hängte sich der Hamburger eine Deutschland-Flagge um die Schultern und ließ im Hafen von Les Sables-d’Olonne den Champagner-Korken knallen. „Ich bin absolut glücklich mit dem Rennen, mit dem Resultat, mit allem“, sagte Herrmann, die großen Glücksgefühle hatten den schweren Schock verdrängt.

Dieser Schock war eine Kollision mit einem Fischkutter. Sie hatte den 39-Jährigen nur 90 Seemeilen vor dem Ziel um den Sieg in der härtesten Solo-Regatta der Welt gebracht. Bei der seit 1989 nur alle vier Jahre ausgetragenen Vendée-Globe, in der die Skipper ohne Zwischenstopp den Erdball umrunden müssen, belegte der anfangs noch tief enttäuschte Hamburger am Ende nur den fünften Platz.

Schiffbrüchigen Konkurrenten gerettet

Das Unglück ereignete sich in der Dunkelheit der Nacht zum Donnerstag. „Ich habe geschlafen, und als ich aufgewacht bin, war es zu spät. Da stand das Fischerboot wie eine Wand vor mir“, schilderte der unverletzt gebliebene Herrmann den „Albtraum“ über Funk. Seine Yacht „Seaexplorer“ jedoch wurde bei dem Zusammenstoß erheblich beschädigt, weitersegeln konnte Herrmann nur noch mit stark reduzierter Geschwindigkeit. Ein Rätsel blieb vorerst, warum der Kutter dem eingeschalteten Radarsystem von „Seaexplorer“ entging, welches keinen Alarm ausgelöst hatte.

Bereits am Mittwochabend hatte der Franzose Charlie Darlin als Erster die Ziellinie vor Sables d´Olonnes gekreuzt. Aber obwohl Darlin die rund 50.000 Kilometer der Weltumsegelung in nur 80 Tagen, 6 Stunden und 15 Minuten absolvierte, wusste er, dass er kaum Aussichten auf den Sieg hatte. Der hinter ihm liegende Herrmann nämlich verfügte über einen Zeitbonus von sechs Stunden, und zu diesem Zeitpunkt konnte man davon ausgehen, dass er höchstens mit einer Verspätung von etwa vier Stunden eintreffen würde. Der Zeitbonus war Hermann zugesprochen worden, weil er zu den vier Teilnehmern zählte, die am 1. Dezember von ihrer Route abgewichen waren, um dem schiffbrüchigen Konkurrenten Kevin Escoffier zur Hilfe zu eilen.

Er fühlt sich wie Phileas Fogg

Schließlich war es der wegen seiner Beteiligung an der Rettungs-Aktion mit einem Zeitbonus von zehn Stunden entlohnte Franzose Yannick Bestaven, der am Donnerstagmorgen die Siegeskrone errang. Ursprünglich war Bestaven der Einzige, der Herrmann aufgrund der Bonusregelung noch hätte abfangen können. Überglücklich erklärte der bei seiner Ankunft völlig erschöpfte Skipper, sich wie Phileas Fogg zu fühlen. Dies ist der Held in Jules Vernes berühmtem Roman „In 80 Tagen um die Welt“.

Noch nie ist ein Finish der sagenumwobene „Vendée Globe“ so spannend gewesen. Messen sich die Abstände zwischen den Teilnehmern gemeinhin in mehreren Tagen oder gar Wochen, so rangen diesmal bis zuletzt acht Skipper um den Sieg, die maximal 48 Stunden auseinanderlagen. Allein die Tatsache, dass Herrmann zum Kreis dieser Favoriten zählte, stellt eine Riesenleistung dar. Nicht von ungefähr hat die Klima-Aktivistin Greta Thunberg (18), welche von Herrmann 2019 im Segelboot über den Atlantik nach New York gebracht worden war, den Deutschen auf Twitter „wahrer Held“ genannt. Weit über Seglerkreise hinaus gilt jeder, der an der Vendée-Globe teilnimmt und es bis ins Ziel schafft, als ein absoluter Ausnahmesportler.

Kollisionen, Ruder- und Mastbrüche

„Allein, nonstop, ohne jede Hilfe von außen und so schnell wie möglich einmal um die Welt“ lautet das markige Motto der Regatta. Ein härteres und gefährlicheres Segelrennen gibt es nicht, und in der Tat muten die Risiken ebenso absurd hoch an wie die Ausfallquote. Von den 33 im vergangenen November in Sables d´Olonnes aufgebrochenen maritimen Einzelgängern sind bislang acht ausgeschieden – nach Kollisionen, Ruder- und Mastbrüchen, oder weil ihre hochgezüchteten, unverkleideten und ultraleichten Kohlefaseryachten in schwerstem Sturm kenterten. In der Vergangenheit haben Havarien und schwere Unfälle sogar bis zu zwei Drittel der Konkurrenten aussortiert und zwei Todesopfer gefordert.

Auch bei dieser neunten Auflage des Ozeanmarathons gewann wie stets wieder ein Franzose. Aber gerade links des Rheins hat man lange befürchtet, dass Boris Herrmann dieser Serie ein Ende setzen würde. Entsprechend groß ist der Respekt, der dem Hamburger gestern auch in französischen Medien gezollt wurde. (mit sid)