Essen. Joachim Löw hört nach der EM in diesem Jahr als Bundestrainer auf. Die Suche nach dem Nachfolger beginnt.
. Es lohnt, noch mal die Aufstellung von Joachim Löws Debüt hervorzukramen, um zu verdeutlichen, wie lange der Bundestrainer Deutschlands wichtigste Fußballmannschaft geformt hat. Im August 2006 hechtete beim 3:0 gegen Schweden in Gelsenkirchen noch Jens Lehmann auf der Torlinie, Jens Nowotny grätschte, Bernd Schneider dribbelte, während Löw aus der zweiten Reihe das Amt von Jürgen Klinsmann übernahm.
Am Dienstag nun, 15 Jahre später, hat der mittlerweile 61-Jährige seinen bevorstehenden Rücktritt verkündet. Nach der Europameisterschaft im Sommer endet eine Ära, in der Deutschland das Image der Rumpelfußballer endgültig abstreifte. In der eine bunte Mannschaft erst berauschte, dann 2014 zum Weltmeister reifte. In der jedoch auch das historische Debakel bei der WM 2018 verschreckte. Längst drängt eine neue Generation in den Kader, Nationalspieler wie Kai Havertz (21) büffelten 2006 gerade in der Grundschule.
Löw verspürte eigentlich den Wunsch, den erforderlichen Umbruch mit Blick auf die Heim-EM 2024 zu gestalten. Doch gerade nach dem 0:6-Debakel in Spanien im November 2020 prasselte die Kritik wie ein Hagelsturm auf ihn ein. Seine demonstrative Gelassenheit wirkte auf viele nur noch stur. Die Rufe nach einem Abschied hallten immer lauter. Auch deswegen hat er den Verband darum gebeten, seinen Vertrag aufzulösen, der eigentlich bis zur Weltmeisterschaft 2022 in Katar gegolten hätte. Er habe dabei aber sehr aufgeräumt gewirkt, heißt es aus DFB-Kreisen.
Jürgen Klopp steht als Löw-Nachfolger nicht zur Verfügung
Nur wenige Momente, nachdem am Dienstagvormittag die Abschiedsnachricht offiziell verkündet wurde, kochte schon die Diskussion über den möglichen Nachfolger hoch. Namen wie Hansi Flick, Ralf Rangnick oder Stefan Kuntz fallen, viele Fans sehnen sich nach Jürgen Klopp. Der Trainer vom FC Liverpool dementierte aber am Dienstag. „Ich habe einen Job und stehe noch drei Jahre unter Vertrag“, erklärte Klopp.
Joachim Löw kann die Kandidatenauswahl jedenfalls gelassen verfolgen, er wird sich nun auf das Turnier im Sommer konzentrieren. „Ich gehe diesen Schritt ganz bewusst, voller Stolz und mit riesiger Dankbarkeit, gleichzeitig aber weiterhin mit einer ungebrochenen Motivation, was das bevorstehende EM-Turnier angeht“, sagte er.
Im Jahr 2004 stieß Joachim Löw zum DFB, zunächst half er als Co-Trainer von Jürgen Klinsmann dabei, die Heim-WM im Sommer 2006 märchenhaft zu gestalten. Weswegen der Ex-Profi, der es als Spieler nicht bis in die Nationalmannschaft geschafft hatte, nach Klinsmanns Rücktritt befördert wurde. Lange begleiteten Löw Zweifel, ob er die große Generation um Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger zu Siegern formen könne, die allerdings mit dem Titel-Gewinn 2014 weggewischt wurden. Unvergessen bleibt, wie er nach dem Schlusspfiff in Rio den völlig verausgabten und weinenden Bastian Schweinsteiger in den Armen hielt.
Fußball-Deutschland reagiert mit Anerkennung auf den angekündigten Rücktritt
Vielleicht hätte sich Löw damals schon verabschieden sollen, denn nach dem großen Abend in Rio folgte der schrittweise Niedergang. Die EM 2016 endete im Halbfinale, bei der WM 2018 kam es zur ganz großen Blamage, dem Aus in der Vorrunde. Löw krallte sich trotzdem an seinen Job, stieg mit der Nationalelf aber sogar in der neu geschaffenen Nations League ab.
Trotzdem formulierten jetzt viele Größen des deutschen Fußballs warme Worte. „Joachim Löw hat eine enorm erfolgreiche Ära geprägt“, sagte Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern. „Alle im deutschen Fußball sind nun dazu aufgerufen, ihren Teil beizutragen, um Joachim Löw im Sommer jenen großen Abschluss zu ermöglichen, den er verdient“, erklärte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. „Ich habe ihm viel zu verdanken, nun wünsche ich ihm zum Abschluss den EM-Titel“, meinte Bastian Schweinsteiger.
Im Hintergrund muss der Deutsche Fußball-Bund jetzt einen Nachfolger finden. „Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung, der DFB weiß, was er an Jogi hat, er ist einer der größten Trainer im Weltfußball“, sagte DFB-Präsident Fritz Keller. „Dass er uns frühzeitig über seine Entscheidung informiert hat, ist hochanständig. Er lässt uns als DFB somit die nötige Zeit, mit Ruhe und Augenmaß seinen Nachfolger zu benennen.“
Löw-Nachfolger: Diese Kandidaten werden gehandelt
Gehandelt werden einige Trainer. U21-Trainer Stefan Kuntz (58) könnte aufsteigen. Marcus Sorg (55) könnte als Assistent befördert werden. Ralf Rangnick (62) hat seine Qualität schon häufig nachgewiesen, er könnte zu haben sein. Jürgen Klopp (53) hingegen, der Sehnsuchtskandidat, hat beim FC Liverpool einen Vertrag bis 2024 unterschrieben und ein Engagement ausgeschlossen. Zudem steht Hansi Flick (56) auf der Liste. Seit seinem Amtsantritt beim FC Bayern 2019 hat er alle möglichen Titel gewonnen, 2014 wurde er als Löws Assistent Weltmeister. Flick würde passen, doch sein Vertrag in München gilt bis 2023. Und ein gültiger Vertrag sei zu respektieren, erklären DFB-Verantwortliche hinter vorgehaltener Hand.
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Dem Nachfolger bleiben ab dem Sommer nur anderthalb Jahre bis zur Winter-WM in Katar, dann folgt die Heim-EM 2024, die für viele Kandidaten verlockend wirken dürfte. Zuvor kann Joachim Löw bei der EM noch daran basteln, dem kommenden Bundestrainer ein möglichst großes Erbe zu hinterlassen.