Essen/Tampa. Patrick Mahomes gilt als bester Quarterback der Gegenwart. Im Super Bowl trifft er auf Tom Brady – den besten Quarterback der Geschichte.

Es ist schon etwas seltsam, irgendwie wartet man bei Patrick Mahomes auf den Tag, an dem mal etwas schiefläuft. An dem der Quarterback der Kansas City Chiefs ein Spiel mal versaubeutelt. Oder er sich verletzt, ehe er ein glorreiches Comeback gibt. Wobei, das wünscht man ja niemandem. Aber heroische Geschichten über den aktuell besten Footballspieler der Welt wären noch aufwühlender, wenn eben nicht alles glatt läuft, sondern er zuvor auch einmal am Boden lag.

Tom Brady hat mit den Tampa Bay Buccaneers beim Super Bowl ein Heimspiel.
Tom Brady hat mit den Tampa Bay Buccaneers beim Super Bowl ein Heimspiel. © Getty Images | Unbekannt

Patrick Lavon Mahomes II ist so einem Erlebnis am ehesten vor einem Jahr im Super Bowl 54 entkommen. Gut sieben Minuten waren noch zu spielen, und der Mann mit der Nummer 15 auf den Trikots der Chiefs aus dem US-Bundesstaat Missouri war bis dahin nicht der Mann, der sonst der Mann mit der Nummer 15 auf den Trikots der Chiefs aus dem US-Bundesstaat Missouri ist. Die San Francisco 49ers führten mit 20:10, Mahomes musste mit dem dritten Versuch einen Raumgewinn von 15 Yards erzielen. Fleischberge mit aufgesetzten Helmen stürzten auf den Chiefs-Spielmacher zu, aber Mahomes entkam und brachte in Rücklage einen Pass für 44 Yards zu seinem Mitspieler an. Dieser Moment drehte das Spiel: Kansas verkürzte, Kansas ging in Führung, Kansas feierte mit dem 31:20 den Titel. Und Mitspieler Travis Kelce gab seinem magischen Quarterback den Beinamen „Showtime-Mahomes“.

Brady kann zum siebten Mal den Super Bowl gewinnen

Seitdem ist, soweit bekannt ist, Patrick Mahomes rein gar nichts Negatives widerfahren. Und das lässt ihn vor dem Super Bowl in der Nacht zu Montag (0.30 Uhr deutscher Zeit/Pro7) in besonderem Glanz erscheinen: Finalgegner der Chiefs ist in Tampa Bay das Team aus Tampa Bay, die Buccaneers um Superstar Tom Brady. Der beste Quarterback der Gegenwart, Mahomes (25), trifft auf den besten Quarterback der Geschichte, Brady (43), der bis zu seinem Wechsel von den New England Patriots nach Florida im vergangenen Jahr sechsmal einen Meisterring an den Finger gesteckt bekam.

Noch Jahrzehnte lang werde man über dieses Spiel reden, wird prognostiziert. Der frühere Dallas-Cowboys-Star Tony Romo, heute ein angesehener TV-Experte, sagt: „Es ist, als würden wir LeBron James gegen Michael Jordan erleben.“ Es geht nicht mehr allein um Sport, die Stars sind längst Teil einer Popkultur. Jugendliche in den USA lassen sich Mahomes‘ Frisur schneiden, er ist in lauter Werbespots zu sehen. Seine Verlobte Brittany Matthews twittert hin und wieder aus ihrem Privatleben, sodass man schon mit ihr seit Teenager-Tagen zusammen und beim Abschlussball der High School gewesen sein muss, um beim Lesen der Beiträge nicht die Augen zu verdrehen. Das Paar baut gerade ein Luxus-Anwesen nahe Kansas City, in wenigen Monaten komplettiert das erste gemeinsame Kind ihr Familienleben.

Der Glamour ist das eine, die sportliche Bedeutung das andere. Verbunden mit Super Bowl LV ist auch die Frage: Erleben wir hier den Mann, der dem GOAT, dem Größten aller Zeiten, eines Tages seinen Titel widerspenstig machen wird?

Mahomes hat die Football-Welt revolutioniert

Aus Sicht von Brady muss man wohl sagen: Es steht zu befürchten. Mahomes wurde in Texas geboren, in Kindheitstagen als Kermit verspottet, weil er manchmal so klang, als hätte er einen Frosch im Hals. 2017 wurde er an zehnter Stelle in der Talentschau der NFL gedraftet. In den drei Jahren, in denen er für die Chiefs in Spiele startet, hat er die Football-Welt revolutioniert. Zugegeben, nicht alleine, denn vier der fünf aktuell besten Passgeber sind schwarz. Mit Brady – und das ist nicht despektierlich gemeint – läuft auch eine Domäne alter weißer Werfer aus.

Mahomes verkörpert alle modernen Anforderungen, seine Stärke ist es, den Ball aus dem Lauf heraus zu werfen. Das wirkt immer ein bisschen improvisiert, aber wenn er mal Abwehr-Kolossen entkommen ist und nicht selbst für Raumgewinn sorgt, muss sich nur noch irgendein Passempfänger freilaufen – dieser kann sich sicher sein, dass ihm das Ei von Mahomes millimetergenau in die Hände geworfen wird. Diese Präzision stammt vermutlich vom Vater Pat, der zehn Jahre lang Baseball als Pitcher in der Major League spielte. Auch in dem Sport war Mahomes so talentiert, dass ihn die Detroit Tigers drei Jahre vor dem Einstieg in die NFL an 1120. Stelle auswählten. Es kam jedoch nie ein Vertrag zustande, und Pat Senior stellte einmal resigniert fest: „Ich habe immer versucht, ihn vom Football fernzuhalten. Aber ab der elften Klasse wollte er eigentlich nur noch Quarterback spielen.“

Brady lobt Mahomes vor dem Showdown

Zum Glück, möchte man sagen, denn Mahomes‘ Football-Talent bringt ihm größte Ehrerbietungen ein: „Er hat diesen süßen, kleinen und agilen Arm, den ich früher hatte, als ich ein bisschen jünger war“, sagt Brady vor dem Spektakel des Jahres im Raymond James Stadium, in dem coronabedingt nur 22.000 der 75.000 möglichen Zuschauer Platz nehmen dürfen. „Er ruht sich nicht aus, Pat liefert immer. Vor allem, wenn sein Team ihn am dringendsten braucht.“

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Der Hochgepriesene kann nun als achter Quarterback den Titel verteidigen. Unter seinen Vorgängern befinden sich Legenden wie Terry Bradshaw (Pittsburgh Steelers), Joe Montana (San Francisco 49ers) – und als bisher letzter ebenjener Brady. Mahomes: „Aufs Feld rauszugehen und die Chance zu haben, den Titel zu verteidigen, noch dazu gegen den Besten – das ist etwas Besonderes.“

Im vergangenen Juli hat Patrick Mahomes den höchstdotierten Vertrag eines US-Profisportlers unterzeichnet: zehn Jahre für 503 Millionen Dollar, eine unvorstellbare Summe. Brady hat seit 2000 vergleichsweise bescheidene 235 Millionen Dollar verdient. Selbst wenn der Altmeister in der Nacht zu Montag mit den Buccaneers seinen siebten Super Bowl gewinnen sollte: Patrick Mahomes wäre im Frühjahr 2031 noch keine 36 Jahre alt. Genug Zeit also noch für einen weiteren Monstervertrag und um das zu werden, was Brady noch ist: der Größte aller Zeiten.