Weimar/Essen. Der DOSB klärt heute die Nachfolge des umstrittenen Präsidenten Alfons Hörmann. Die Wahl von Thomas Weikert gilt als sicher.

An der Tischtennisplatte gibt es den Angriffsspieler und den Abwehrspieler. Erster ergreift gerne die Initiative, will den Punktgewinn selbst herbeiführen. Zweiter hält den Ball eher mit Bedacht im Spiel, wartet auf Fehler des Gegners. Thomas Weikert stand in seinem Leben sehr häufig an der Tischtennisplatte, er spielte in der Bundesliga, führte zehn Jahre den Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB), war bis zuletzt Präsident des Weltverbandes ITTF. Für seine neue Aufgabe – wenn sich nicht noch eines der bekannten Sportwunder ergibt – wird der 60-Jährige beide Fähigkeiten benötigen. Wenn er an diesem Samstag in Weimar auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zum neuen Präsidenten gewählt und damit zum Hoffnungsträger für einen Aufbruch im zerrütteten Dachverband des deutschen Sports werden sollte.

Auch Bokel tritt für DOSB-Posten an - aber Weikert ist Favorit

Claudia Bokel tritt für den Posten der DOSB-Präsidentin an.
Claudia Bokel tritt für den Posten der DOSB-Präsidentin an. © DPA | Unbekannt

Dies ist die landläufige Annahme für das, was sich in der Weimarhalle unter dem Tagesordnungspunkt 14 abspielen dürfte. Formal ist es ein Zweikampf um die Nachfolge des umstrittenen und über sich selbst gestolperten Alfons Hörmann (61), denn in Claudia Bokel gibt es eine weitere Anwärterin. Die frühere Fecht-Weltmeisterin, 48 Jahre alt, wurde bis zu ihrer kurzfristigen wie überraschenden Kandidatur noch dem Unterstützerlager von Thomas Weikert zugeschrieben, aber „ich scheue mich nicht, Verantwortung zu übernehmen“, sagt sie. Dass Bokel weitgehend auf Presse- und Lobbyarbeit verzichtete, mag mit den klaren Ausgangspositionen zu tun haben: Weikert weiß den Zuspruch von 14 Spitzenverbänden hinter sich, „deshalb denke ich, dass meine Chancen ganz gut sind“. Den DOSB aus der Krise zu führen, bezeichnet er als „interessante Aufgabe“.

Es gilt, in der DOSB-Zentrale in Frankfurt die vielen Scherben zusammenzufegen und zu beseitigen, die die Briefaffäre um Alfons Hörmann und die zum Jahresende scheidende Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker („Kultur der Angst“) hinterlassen hat – weshalb die Entlastung des noch aktuellen Präsidiums wie Vorstands keine Selbstverständlichkeit sein dürfte.

Weikert steht für flache Hierarchien - auch beim DOSB?

Immerhin kommt Hörmann die Corona-Pandemie zugute: Weil das Programm auf drei Stunden Dauer zusammengerafft wurde, bleibt dem künftigen Ex-Präsidenten die Schmach erspart, jegliche Eskapade der vergangenen sechs Monate, die ihm selbst und dem DOSB immensen Schaden zugefügt haben, noch mal den Mitgliedern erklären zu müssen. Hörmann wird gar nicht erst nach Weimar reisen. Für die Neubesetzung gibt es aber noch weitere drängende Sachthemen: die Folgen für alle durch Corona, der besorgniserregende Mitgliederschwund, die seit Jahren schwächelnde Olympia-Ausbeute, den Breitensport, marode Sportstätten und, und, und.

Alfons Hörmann tritt nach den Skandalen nicht mehr zur Wahl als DOSB-Präsident an.
Alfons Hörmann tritt nach den Skandalen nicht mehr zur Wahl als DOSB-Präsident an. © DPA | Unbekannt

Erkundigt man sich bei langjährigen Wegbegleitern nach Thomas Weikert, erscheint der Familienjurist aus Limburg an der Lahn als geeignete Lösung, von der eine Aufbruchstimmung, ein neues Zusammenraufen ausgehen kann. Weikert gilt als Anführer, der aber gut zuhört. In der Gesellschaft, der Wirtschaft und im Sport haben autoritäre Entscheider ausgedient; bevor Weikert eine klare Position vertritt, erstellt er ein umfassendes Meinungsbild, er lässt alle Seiten zu Wort kommen, ist offen und nahbar. Eben ein kommunikativer Mann der flachen Hierarchien, der in seinem Handy nicht nur die Nummern von Funktionären, sondern noch immer auch die von Sportlerinnen und Sportlern gespeichert hat. In Konflikten kann er vermitteln, was gerade aktuell zu seinen dringlichsten Aufgaben gehören wird beim DOSB. Genauso angriffslustig ist der 60-Jährige im positiven Sinne, wenn es den Kampf gegen Doping und Good Governance geht, um transparentes und moralisch verantwortliches Handeln.

Weikert hat drei Favoritinnen als DOSB-Vizepräsidentinnen

Thomas Weikert kann im Falle seiner Wahl die Herausforderungen nicht alleine angehen und stemmen. „Ich habe mich dafür ausgesprochen, dass neue Leute ins Präsidium kommen“, sagt er. Die Delegierten in Weimar wählen deshalb auch die fünf Vizepräsidenten. Aus den sieben Kandidatinnen und Kandidaten betrachtet Weikert ein Trio bestehend aus Verena Bentele (Präsidentin des Sozialverbandes VdK und Paralympics-Siegerin im Biathlon), Miriam Welte (Vizepräsidentin des LSB Rheinland-Pfalz und Bahnrad-Olympiasiegerin) und Kerstin Holze (ehrenamtliche Vorsitzende der Deutschen Kinderturnstiftung) als ein „sehr gutes Zeichen für einen Neuanfang“. Als neuer DOSB-Präsident würde Thomas Weikert seine Arbeit gerne nach 100 Tagen im Amt das erste Mal beurteilt sehen.

Wie viel auf Thomas Weikert zukommt, weiß Johannes Herber, denn der Geschäftsführer von Athleten Deutschland sagt: „Wir sind gut beraten, die neue Präsidentin oder den neuen Präsidenten nicht mit Erwartungen zu überladen.“