Peking/Essen. Heute in 14 Wochen werden in Peking die Olympischen Winterspiele eröffnet. Für die Athleten geht es um Medaillen, klinische Bedingungen und Menschenrechte
Laura Nolte gehört zu den wenigen Athletinnen und Athleten, die der restlichen deutschen Reisegruppe für die Olympischen Winterspiele voraus ist. Denn: Die Bobpilotin aus Winterberg war schon mal da. Da bedeutet: in der 20-Millionen-Metropole Peking, wo ab dem 4. Februar bei Wettkämpfen auf Schnee und Eis Gold, Silber und Bronze vergeben werden. „Sie ist tricky, hat Kurventypen, die man so gar nicht kennt, fährt sich aber sehr gut“, sagt Nolte (22) über die Bahn, in der sie wie bei einem der raren Tests in den vergangenen Tagen dann in gut 14 Wochen den Sieg holen möchte. Nolte und Deborah Levi (24) haben sich durchaus wohl gefühlt, „die Landschaft drumherum ist schön, ein toller Gesamteindruck“, erklärte die Anschieberin.
Vorbereitung mit dem BND
Die Bobbahn, das China National Sliding Center, befindet sich in Yanqing. Was die 2900 Aktiven und Tausende Trainer, Betreuer, Funktionäre oder Medienvertreter dort sowie in Peking selbst und in Zhangjiakou in der Provinz Hebei erwartet, ist ungewiss. Wegen der Corona-Pandemie fielen Weltcups und Testevents aus. „Wir fischen im Trüben“, sagt Biathlon-Bundestrainer Mark Kirchner (51) mit Bezug auf die No-Covid-Strategie Chinas.
Zu Hause beschäftigt sich Wolfgang Maier (60) noch mit Agenten des Auslandsnachrichtendienstes BND wegen möglicher Technikspionage. „Damit wir nicht, wenn wir nach China reinkommen, schon durch die erste Spy-Version ausgeliefert sind“, sagt der deutsche Alpin-Chef, „jeder weiß, dass seine Daten abgegriffen werden, das ist ein extrem unangenehmes Gefühl.“
Die 460 Athleten, die sich schon mal vor Ort umschauen konnten, berichten von klinischen Bedingungen, Ungeimpfte müssen für 21 Tage in Zwangsquarantäne. Alle Teilnehmer erwartet stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit „in geschlossenen Kreisläufen“, die vom Hotelbett bis zur Wettkampfstätte gelten. Helfer tragen Schutzanzüge, in Bussen sind Lüftungsschlitze zugeklebt, gegessen wird im Hotel mit Glasscheiben zwischen den Tischnachbarn.
Bei Olympia kommt die Jugend zusammen; in Peking ist sie vor allem: gemeinsam einsam.
War Tokio während der Sommerspiele noch eine Blase mit vielen Löchern, werden in Peking nun bezüglich des Corona-Schutzes doppelte Wände hochgezogen. Es soll keine einzige Infektion ins Land gebracht werden. Die Gesamtzahl der Neu-Erkrankten in China ist gerade mal dreistellig, trotzdem wird in der 1,4-Milliarden-Nation über Millionenstädte der Lockdown verhängt.
Xi Jinping braucht die Show
Staatschef Xi Jinping braucht die Olympischen Spiele für sein Reich der Auftritte: Die Weltmacht China entwickelt sich wirtschaftlich gerade nicht so wie gewohnt, sie wird für die Unterdrückung von Uiguren und Tibetern angeprangert, geht hart gegen Regimegegner in Hongkong vor. Nach innen wird Xi Jinping, wenn er ab dem Eröffnungstag lächelnd Fähnchen schwenkt, die Deutungshoheit behalten. Nach außen aber wird er selbst mit perfekt organisierten und inszenierten Spielen nicht die Wahrnehmung verhindern können, die IOC-Chef Thomas Bach dem Fünf-Ringe-Spektakel immer abspricht: in hohem Maße auch politisch zu sein.
„Wenn wir Olympiasieger werden wollen, müssen wir da hin“, sagt Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher (52). Das Internationale Olympische Komitee vergibt die Spiele, erklärt Lena Dürr (30), Deutschland beste alpine Slalomfahrerin: „Olympia ist das, wofür wir vier Jahre trainieren. Wo das stattfindet, ist zumindest mir egal.“ Was sich ignorant anhört, muss relativiert werden: Den Athleten des Deutschen Ski-Verbandes ist sehr wohl bewusst, wohin sie fahren; die berechtigten Vorwürfe wegen der Missstände in China sind ihnen nicht egal. Sie sind aber eben auch Sportler, für die es nur alle vier Jahre diesen Karriere-Höhepunkt gibt. „Natürlich hätte ich mir endlich mal wieder Spiele in Land mit mehr Wintersport-Tradition gewünscht“, sagt der dreimalige Nordische-Kombinations-Olympiasieger Eric Frenzel, „aber so ist der Lauf der Dinge. Das wird kein Beinbruch sein und wird mich auch nicht dran hindern, gute Leistungen zu zeigen, wenn ich in der Lage dazu bin.“