Doha. Kritiker halten dem WM-Gastgeber von 2022 Menschenrechtsverletzungen vor. Es gibt Boykottforderungen. Beobachter erkennen aber auch Fortschritte.

Rup Chandra Rumba aus Nepal hatte einen großen Traum. So erzählt es seine Frau, die am Telefon noch immer traurig klingt. Ihr Mann wollte dem gemeinsamen Sohn ein besseres Leben bieten und ihn auf eine englischsprachige Schule schicken. Er wollte Land kaufen und ein Haus bauen. Erfüllen wollte er sich diesen Traum als Arbeiter in Katar, dem Gastgeber der Fußball-WM 2022. Doch statt mit dem erhofften Geld kehrte er im Sarg nach Hause zurück. Gestorben in Katar als junger Mann Mitte 20.

Kritiker sehen in dem Fall des jungen Nepalesen ein Beispiel dafür, warum das reiche Emirat am Golf wegen Menschenrechtsverletzungen immer wieder in die Schlagzeilen gerät. Sie halten Katar vor, dort würden Arbeitsmigranten von skrupellosen Firmen ausgebeutet und misshandelt. Die Liste der Klagen ist lang. „Die Arbeitsmigranten haben wenig zu essen, wenig Freizeit, sie werden manchmal gar nicht bezahlt, sie können ohne ihren Pass nicht ausreisen“, erklärt Regina Spöttl, Katar-Expertin bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, dieser Redaktion.

6500 Arbeiter kamen bisher ums Leben

Rumba zählt zu den mehr als 6500 Arbeitern aus Nepal und vier anderen südasiatischen Ländern, die laut dem britischen Guardian seit der WM-Vergabe 2010 in Katar starben. Das Blatt hält Hitze bei der Arbeit als eine wahrscheinliche Ursache für viele dieser Todesfälle. Katars Regierung erklärt hingegen, angesichts von mehr als 1,4 Millionen Menschen aus den fünf Ländern, die in Katar lebten, liege die Sterberate in einem zu erwartenden Bereich. „Es ist generell sehr schwierig, zu überprüfen, wie viele Todesfälle es gibt“, sagt Spöttl. „Die Kataris veröffentlichen keine Zahlen. Wir setzen uns dafür ein, dass Zahlen und Todesursachen transparent gemacht werden, damit man die Ursachen bekämpfen kann.“ Einen Boykott des Turniers lehnt sie auch ab. „Amnesty arbeitet mit Dialog“, sagt Spöttl. „Der Fußball kann mit den Kataris ins Gespräch kommen, er kann seine Popularität nutzen, um etwas zu verändern.“

Die Organisatoren der Weltmeisterschaft verweisen auf die hohen Sozial- und Sicherheitsstandards, die bei der Versorgung und Unterkunft der Arbeiter gelten. Diese Erfahrung hat auch Konstantin von Eicken gemacht, der für die Firma Hightex aus Bayern für den Bau der Außenfassade des Al-Bayt-Stadions im Norden Katars verantwortlich war. Auf den Stadionbaustellen werde nach internationalen Standards gearbeitet, die regelmäßig kontrolliert worden seien, auch von Spezialisten, berichtet von Eicken. „Die Sicherheitsvorkehrungen waren extrem.“ Penibel sei darauf geachtet worden, dass die Arbeiten bei zu großer Hitze gestoppt wurden: „Dann war die Baustelle gesperrt“, erklärt er.

Abbau des Kafala-Systems

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Auch Menschenrechtler räumen ein, dass sich die Lage der Arbeitsmigranten in Katar im Vorfeld der WM verbessert hat – das Ergebnis von mehreren Reformen der Regierung. So wurden etwa die strikten Ausreiseregelungen gelockert. Die UN-Arbeitsorganisation ILO bescheinigt dem Emirat, dass in Katar das Kafala-System effektiv abgebaut worden sei. Dieses auch in anderen Ländern der Region verbreitete System bindet ausländische Arbeiter fest an einen einheimischen Bürgen – und öffnet so deren Missbrauch Tür und Tor.

Trotzdem legen die Menschenrechtsorganisationen den Finger weiter in die Wunde. „Katar hat den Arbeitnehmern zwar das Recht zugestanden, dass sie den Job wechseln können, dass sie also gehen können, wenn sie schlecht behandelt werden, dass sie selbstständig ausreisen können“, sagt Spöttl. „Aber es zeichnet sich leider ab, dass Katar diese Reformen wieder zurücknimmt – auf Druck der Firmen im Land. Das wäre ein großer Rückschritt.“

Das Beispiel des Nepalesen Rup Chandra Rumba ist ein Beleg für diese Aussagen. Ihr Mann sei in Katar unglücklich gewesen, erzählt seine hinterbliebene Ehefrau Nirmala Pakhrin. Die Witwe fühlt sich immer dann am schlimmsten, wenn ihr acht Jahre alter Sohn nach dem Papa fragt. Sie musste noch eine andere böse Erfahrung machen: Die Firma des nepalesischen Geschäftsmannes blieb ihr zunächst eine Entschädigung schuldig. Erst nach unzähligen Anrufen und einem Brief an das WM-OK habe sie gut 1600 Euro erhalten. (mit dpa)