Essen. Der Sieg des Zweitligisten Kiel über den FC Bayern im Pokal ist eine unterhaltsame Anekdote. Die strukturellen Probleme bleiben. Ein Kommentar.

Der FC Bayern tut sich in der zweiten DFB-Pokal-Runde schwer. Ein Zweitligist nervt das Münchener Star-Ensemble. Gefragt ist eher Kampf statt Kunst. Und kurz vor Schluss drücken die Bayern den Ball dann eben doch noch über die Linie und siegen. So lief es in Bochum im Oktober 2019 und zig weitere Mal.

Die einen nennen es Dusel, die anderen individuelle Klasse. Die Münchener Dominanz hat jedenfalls dazu geführt, dass ein wesentlicher Reiz des Fußballs - nämlich der, vorher nicht zu wissen, wer gewinnen wird - abhandengekommen ist. Wer schaut schon den Tatort, wenn er vorher den Mörder kennt?

Genugtuung für viele Fußballfans

Insofern war Holstein Kiels sensationeller Erfolg gegen die Bayern mal eine echte Genugtuung für die gelangweilte Fußball-Seele – auch wenn die Umstände mit leeren Fankurven für so einen Moment maximal unwürdig sind. Zuletzt hatten die Münchener vor 17 Jahren gegen eine klassentiefere Mannschaft im Pokal verloren. Alemannia Aachen siegte damals mit 2:1. Und in der Bundesliga düpierten Ailton, Ivan Klasnic und Johan Micoud mit Werder Bremen den Rekordmeister. Eine wilde Saison.

Die strukturellen Probleme bleiben bestehen

Das gilt auch fürs Fußball-Jahr 2020/2021, allerdings aus anderen Gründen. Die besonders hohe Belastung für die Spitzen-Mannschaften, weniger Regeneration, knappe Transferkassen und unerwartete Corona-Infektionen oder Verletzungen führen dazu, dass diese Saison eigentlich kein Maßstab sein kann. Das Aus der Bayern sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Profifußball weiterhin an strukturellen Problemen leidet, die zu einem hohen finanziellen Gefälle und wenig Wettbewerb führen. Irgendwann ist diese Pandemie besiegt und es werden wieder die vorne sein, die es schon vor einem Jahr waren.

Bis dahin aber dürfte der Kieler Sieg nicht die letzte Überraschung bleiben. Und wer den Pokal gewinnt, ist so offen wie lange nicht. Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und RB Leipzig, vier Mannschaften auf Augenhöhe, sind alle noch im Rennen. Zumindest kurzfristig sind das gute Aussichten.