Hennef/Sieg. Der DFB fordert die homosexuellen Spieler der Bundesliga auf, sich zu bekennen. Die Rahmenbedingungen für ein Coming-out des ersten prominenten Bundesligaprofis seien viel besser als noch vor einigen Jahren, sagte DFB-Präsident beim Dialogforum in der Sportschule Hennef..
Das Versteckspiel soll aufhören, die Zeit ist reif für ein „Coming-out“ der schwulen Fußball-Stars. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit dem Präsidenten Theo Zwanziger fordert die homosexuellen Spieler der Bundesliga auf, sich zu bekennen: Das war die zentrale Aussage beim Dialogforum mit dem Thema "Vor dem Ball sind alle gleich - sexuelle Identitäten im Fußball" in der Sportschule Hennef.
Zugleich bot der DFB eine Plattform für Kritik an Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm. Der Münchner hatte zu Wochenbeginn erklärt, dass die deutsche Gesellschaft noch nicht bereit sei für das Bekenntnis eines Fußball-Stars zu seiner Homosexualität. "Ich denke, es war ein Fehler von Philipp Lahm, das zu sagen", sagte Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. "Lahm sollte motivieren, outet euch, habt doch den Mut. Das wäre ein Signal gewesen."
Zwanziger rief die homosexuellen Spieler auf, "den Mut zu haben, sich zu erklären", ähnlich wie es Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit vor einigen Jahren praktiziert hatte. "Klar ist, dass Mut nur der haben muss, der weiß, dass ihm Nachteile drohen", sagte Zwanziger. Es sei sicherlich schwierig, in einer Mannschaft seine Homosexualität preiszugeben. Aber die Rahmenbedingungen für ein Coming-out des ersten prominenten Bundesligaspielers seien viel besser als noch vor einigen Jahren, sagte der DFB-Präsident. Dass Lahm weiterhin Zurückhaltung empfiehlt, wollte Zwanziger nicht kritisieren. "Lahm ist einer der Tolerantesten und ist dafür schon ausgezeichnet worden. Wenn er die Situation so bewertet, verbietet sich mir, dies zu kritisieren", sagte Zwanziger.
Ex-NBA-Profi Amaechi kritisierte Lahm
Kritik kam aber von einem prominenten Teilnehmer der zweitägigen Arbeitstagung. Der frühere NBA-Basketballprofi John Amaechi sagte: "Lahm muss doch ein Vorbild sein in seinen Äußerungen, oder er muss den Mund halten." Amaechi, der 2007 seine Homosexualität in einem Buch publik machte und als Psychologe renommierte Firmen bei Antidiskriminierungs-Maßnahmen berät, warf dem Bayern-Spieler vor, er solle Fußball-Fans nicht als Argument benutzen, dass ein Spieler seine Homosexualität verbergen müsse. "Wenn ich ein Fan wäre, dann hätte ich die Nase voll davon, dass ich für engstirniges Verhalten verantwortlich gemacht werde", sagte der Brite. Die Fans seien viel toleranter als behauptet würde, sagte Amaechi. Professor Gunther Pilz, Fan-Forscher an der Universität Hannover, sieht das anders: in der Ultra-Kurve herrsche eine "Pöbel-Kultur". Pilz: "Das Schlimmste, was man dort sein kann, ist schwul."
Lahm, dem wie andere Nationalspieler gelegentlich unterstellt wird, er sei homosexuell, hatte in einem am Montag veröffentlichtem Interview erklärt: "Fußball ist wie früher Gladiatorenkampf. Sicher, Politiker können sich heute als Homosexuelle outen, aber die müssen auch nicht Woche für Woche vor 60.000 Zuschauern spielen und dann womöglich auch noch schlecht." Er bedauerte, dass betroffene Kollegen ihre Homosexualität verstecken müssten: "Es ist schade, dass es so ist. Aber so schätze ich das ein: Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft schon so weit ist, schwule Profi-Fußballer als etwas Selbstverständliches zu akzeptieren, so wie es in anderen Bereichen bereits möglich ist." Diesen Standpunkt hatte er bereits in seinem vor einigen Monaten veröffentlichen Buch vertreten.
DFB für Engagement gelobt
Der Brite Amaechi räumte ein, dass er selbst in der US-Profiliga der Basketballer niemals Karriere hätte machen können, wenn er sein Coming-out schon als aktiver Spieler vollzogen hätte. Der 41-Jährige zeigte sich erstaunt über die Offenheit, mit der der DFB die Problematik von Schwulen und Lesben angehen würde. Sport stecke in dieser Frage noch "im Dinosaurier-Zeitalter". In der Wirtschaft seien viele Unternehmen viel weiter im Kampf gegen Diskriminierung von Minderheiten. Unternehmen achteten bei ihrem Sportsponsoring darauf, dass Vereine wirklich entschieden gegen Diskriminierung auftreten.
Amaechi lobte den DFB für seinen Engagement: "Der britische Fußball liegt im gesellschaftlichen Bereich viel weiter zurück. Er ist noch in der Neandertaler-Zeit." Christine Lüders betonte die Verdienste des DFB-Präsidenten, der Anfang März zurücktreten will und von Wolfgang Niersbach abgelöst werden soll: "Wir brauchen viele Zwanzigers. Wir sind froh, dass er das Thema so angetrieben hat. Ich hoffe, dass sein Nachfolger in seine Spuren tritt." (dapd)