Essen.. Diskuswerfer Robert Harting hat seinen Marktwert seit seinem Olympiasieg in London 2012 steigern können. Aber der Sportler des Jahres 2012 denkt auch an seine Kollegen: Er will ein neues Fördersystem entwickeln. Harting kritisiert DOSB-Chef Thomas Bach harsch.

Noch will Diskuswerfer Robert Harting keine Details nennen, woher das Geld kommen soll. In unserem Interview übt er harte Kritik am Deutschen Olympischen Sportbund und dessen Präsidenten Thomas Bach.

Europameister, Olympiasieger, Sportler des Jahres – 2012 war das Jahr des Robert Harting. Sind überhaupt irgendwelche Wünsche offen geblieben?

Robert Harting: Solche Dinge kann man sich nicht wünschen. Das sind Folgeleistungen aus den Jahren zuvor, aus dem Trainingsaufwand und anderen Dingen. Aber die Wahl zum Sportler des Jahres macht mich sehr stolz. Das hat kein Diskuswerfer vor mir geschafft. Wir Werfer sind doch so etwas wie die Bauern. Wir ziehen die Karre aus dem Dreck. Während sich andere dumm und dämlich verdienen, fallen wir hinten herunter.

Aber im Vergleich zu einigen anderen Sportarten wie Moderner Fünfkampf oder Judo verdienen Leichtathleten nicht schlecht.

Harting: Keine Frage. Es gibt immer jemanden, der über und unter dir ist. Downgrading kann jedoch nicht der Ansporn fürs Leben sein.

Wie sehr motiviert Sie Geld?

Harting: Jeder mag Anerkennung für seine Leistung. Geld ist auch eine Anerkennung. Alles muss im Rahmen bleiben, nichts darf übersättigt sein. Bei mir ist finanziell noch viel Luft nach oben. Auch deshalb bin ich noch hungrig.

Es heißt, Robert Harting arbeite an einem eigenen Fördermodell.

Harting: Ich habe strategische Maßnahmen in einer Idee integriert. Die Idee stammt von einem starken Unternehmer. Wir wollen das Projekt so schnell wie möglich auf die Beine stellen. Aber uns werden immer neue politischen Grenzen gesetzt, die wir immer neu überbrücken müssen.

Was meinen Sie damit?

Harting: Ich kann noch nicht alles verraten. Aber ein neues Fördersystem ist natürlich auch ein Politikum. Ich verspreche mir viel davon. Das Wichtigste, bei uns steht der Athlet im Vordergrund.

Wird nur die Spitze davon profitieren?

Harting: Nein, sogar der paralympische Sport. Es geht um Risikovermeidung, um Absicherung. Wer voll auf den Sport setzt, muss Risiken eingehen und benötigt eine Absicherung. Da gibt es viele Baustellen. Als Athlet hätte ich mir gewünscht, dass sie bearbeitet werden. Wenn unser Projekt nicht aufgeht, dann wäre es schade, aber wir haben es zumindest probiert.

Soll es eine Ergänzung zur Sporthilfe sein?

Harting: Es wird ein neues System. Allein über die bestehenden Wege wird es keine Veränderung, keine Verbesserung geben.

DOSB-Präsident Thomas Bach hat keinen Rückhalt der Sportler

Also trauen Sie dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) mit seinem Präsidenten Thomas Bach keine Verbesserung zu?

Harting: Passen Sie auf, machen Sie einen Test. Wenn Sie Herrn Bach erst zum deutschen Fördersystem und dann zum Präsidium des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) befragen, dann wird er über das erste Thema zwei und über das zweite Thema mindestens zehn Minuten sprechen. Da sehen Sie, was für Herrn Bach wichtiger ist.

Und in diesem Jahr wird das IOC noch wichtiger für ihn, weil er Jacques Rogge als Präsident ablösen will.

Harting: Keine Ahnung. Den Rückhalt der Sportler hat Herr Bach jedenfalls nicht. Aber das wird ihm auch egal sein. Er ist nur für die Verbände da.

Ist Thomas Bach der falsche Mann?

Harting: Wir Sportler brauchen Menschen, die bestimmte Sympathien und Emotionen teilen, die mit einem über Probleme diskutieren wollen. Ich habe das Gefühl, dass Herr Bach nicht der Typ dafür ist. Aber es bringt nichts, darüber weiter zu klagen. Ich mache meinen Job, er seinen. Ich würde meine Kompetenz verlassen, wenn ich als Funktionär sprechen würde. Herr Bach verlässt seine Kompetenz, wenn er darüber spricht, was ein Sportler braucht. Ich komme auf diesem Weg nicht mehr weiter und mache einen anderen strategischen Zug.

Haben Sie keinen Kontakt zu Thomas Bach?

Harting: Er hat sich nicht an mich gewendet. Und für mich ist es verschwendete Energie, ihn zu kontaktieren.

Sie selbst sind finanziell abgesichert. Sie setzen sich jedoch für ihre Sportlerkollegen ein. Sind Sie ein Gutmensch, der sich um andere sorgt?

Harting: Nee, ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker. Ich kämpfe dafür. Gerechtigkeit widerfährt den wenigsten Menschen, ich versuche eine Million fehlender Sicherungsseile festzuzurren.

Was sagen Ihre Kollegen?

Harting: Es gibt viele Sportler, die das toll finden. Sie sagen, mach weiter so. Der größte Aha-Effekt wird jedoch eintreten, wenn ich das Konzept in den Einzelheiten vorstellen werde. Aber noch einmal: Ich kann jetzt noch nicht mehr sagen.

Wann soll das Projekt stehen?

Harting: Mitte des Jahres.

Bindet dieses Vorhaben nicht eine Menge Energie, die sie eigentlich für Ihren Sport benötigen?

Harting: Na klar. Deshalb höre ich jetzt auf mit dem Hämmern gegen die Wand. Wenn ich den DOSB kritisiere, ändert sich doch eh nichts. Wenn mich mein Trainer kritisiert, dann bin ich erst einmal sauer. Dann analysieren wir das Problem, nehmen eine Korrektur vor, so dass es zu einer Verbesserung kommt. Beim DOSB gibt es dagegen keinen Willen zur Veränderung. Ich kämpfe nicht weiter gegen Windmühlen. Ich nehme es selbst in die Hand.

Einer Ihrer Sponsoren ist R(h)einpower. Wie kommen die Duisburger Stadtwerke dazu, einen Berliner Diskuswerfer zu unterstützen?

Harting: R(h)einpower ist eine nationale Marke und ein cooles Projekt, das mit Sportlern arbeitet. Und Power passt doch zu mir.

Harting will eine "Diskus-Macht aufbauen"

Was treibt Sie nach den vielen Erfolgen im vergangenen Jahr sportlich für 2013 an?

Harting: Ich funktioniere generell über Herausforderungen. Die gilt es zu meistern. Für 2013 ist die größte Herausforderung die Weltmeisterschaft in Moskau. Meinen Diskus-Kollegen geht meine Siegesserie seit 2010 mächtig auf den Keks. Die planen meinen Sturz. Das will ich verhindern. Es gibt aber ein weiteres Ziel.

Welches?

Harting: Ich beziehe auch Motivation aus der Leistung meines Bruders Christoph (Anm. der Redaktion: 22 Jahre, Fünfter der U 23-EM 2012, Bestleistung 62,12 Meter) und meiner Freundin Julia Fischer (22,  EM-Fünfte 2012, Bestleistung 64,22). Wir wollen eine kleine Diskus-Macht aufbauen.

Können Sie Ihrer Freundin Tipps geben? Sind Sie für Ihren Bruder ein Vorbild?

Harting: Ein Vorbild bin ich eher weniger. Ich bin so etwas wie der technische Berater. Wir müssen aufpassen, dass mein Bruder und meine Freundin eingebunden, aber nicht überfordert werden. Ich bin in der Macher-Rolle, mein Trainer kommt aus der strategischen Position. Bei uns treffen schon mal Wunsch und Wirklichkeit aufeinander. Wir reiben uns schon mal.