Rio de Janeiroa. Tischtennis-Profi Boll wurde von Athleten und Fans zum deutschen Fahnenträger in Rio gewählt. “Besser hätte es nicht kommen können“, sagt Olympia-Chef Hörmann.

Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), lachte mit dem stolzen Fahnenträger um die Wette. Tischtennisprofi Timo Boll wird die deutsche Mannschaft bei der Eröffnungsfeier der 31. Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro in der Nacht vom Freitag auf Samstag (1 Uhr deutsche Zeit) ins Maracana führen.

Boll ist "Markenbotschafter des Teams Deutschland

„Timo“, schwärmt Hörmann bei der Bekanntgabe im Deutschen Haus in Rio in höchsten Tönen, „ist der Markenbotschafter des Teams Deutschland. Besser hätten wir es nicht treffen können.“

Der 35-jährige Hesse selbst war „einfach stolz. Es ist ein wahnsinniges Gefühl und vielleicht der Höhepunkt meiner Karriere“.

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Und die ist durchaus reich an Erfolgen. Boll gewann sechsmal den Titel des Einzel-Europameisters – das ist Rekord, genau wie seine zehn Deutschen Meisterschaften als Solist. Er war WM-Dritter im Einzel und schaffte es in den vergangen 15 Jahren immer wieder, die besten Chinesen in Verlegenheit zu bringen. Insgesamt zehn Monate belegte er Platz eins der Weltrangliste. „Er ist der bekannteste Deutsche in China, aber nicht als Gegner, sondern als fairer Wettbewerber“, sagte Hörmann. Als einer, der alles daran setzen will zu gewinnen, aber dabei immer fair und respektvoll bleibt. Das ist es, was der DOSB-Präsident mit dem Markenbotschafter meinte.

Hörmann wünscht sich bei den nun beginnenden Spielen eine Mannschaft, die nicht nur auf den Gewinn von Medaillen schielt. „Lieber Ehrlichkeit und Demut als Siege um jeden Preis“, sagte er in Anspielung auf das Thema Doping. „Die alleinige Fokussierung auf Medaillen verliert jetzt noch mehr an Berechtigung.“

Leidenschaft und Gemeinschaftssinn

Das bedeute andererseits nicht, dass nicht alle 423 deutschen Athletinnen und Athleten versuchen würden, ihre Leistungsgrenze zu erreichen. 44 Medaillen haben die deutschen Olympia-Teilnehmer 2012 aus London mitgebracht. Die gleiche Zahl hat Hörmann auch für Rio als Zielsetzung ausgegeben. Gemeinschaftssinn, Leidenschaft, Lust an Perfektion und moralische Integrität sollten die Kennzeichen der Mannschaft sein, „in der sich jeder Deutsche wiederfinden soll“.

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Für viele ist Timo Boll ein Vorbild, weil er trotz aller Erfolge so ein fairer Sportsmann geblieben ist. So ist es wohl auch zu erklären, dass er sich vor seinen fünften Olympischen Spielen bei der Wahl, an der sich insgesamt rund 300 000 Menschen online beteiligten, gegenüber lauter Olympiasiegern durchsetzte, obwohl er selbst bisher nur Silber und Bronze im Teamwettbewerb gewonnen hat.

Frau Boll zu Tränen gerührt

Erstmals hatte diese Wahl öffentlich stattgefunden. Der DOSB hatte eine Vorauswahl getroffen und fünf herausragende Persönlichkeiten aus dem deutschen Aufgebot ausgesucht: neben Boll noch Hockeyspieler Moritz Fürste, Olympiasieger 2008 und 2012, die Moderne Fünfkämpferin Lena Schöneborn, Olympiasiegerin 2008, Bahnradfahrerin Kristina Vogel, Olympiasiegerin 2012, und die Vielseitigkeitsreiterin Ingrid Klimke, Olympiasiegerin 2008 und 2012. „Timo ist absolut der Richtige dafür“, lobte der Hamburger Fürste den Fahnenträger.

Typisch, berichtet der deutsche Chef de Mission Michael Vesper, sei Bolls Reaktion gewesen, als er am Mittwochabend vom Ergebnis informiert worden sei. Natürlich habe er sich sehr gefreut. Aber „die anderen vier hätten es genauso verdient gehabt“, seien seine ersten Worte gewesen. Danach hat der Familienvater erst einmal zu Hause angerufen, um stolz zu berichten, dass er nun in einer Reihe steht mit Sportgrößen wie Dirk Nowitzki oder Natascha Keller, die in Peking und London die deutsche Fahne getragen hatten. „Meine Frau hat geweint, aber das waren Freudentränen, und sie musste unserer Tochter erst einmal erklären, warum sie denn weint“, erzählte Boll.

Nowitzki scherzt mit Boll

Zuvor hatte er noch mit seinem Freund Nowitzki gescherzt, der gespöttelt hatte, dass ihm die Fahne ganz schön schwer werden würde. Der 2,13 Meter große Basketball-Star überragt ihn um stolze 32 Zentimeter. Aber das ficht Boll nicht an. „Selbst als Tischtennisspieler sollte ich es schaffen, die Fahne zu tragen.“ Auch ihn hat gestört, dass zuletzt „nur noch über Sportpolitik gesprochen wurde. Es wäre schön für die Sportler, wenn auch ihre Leistung wieder gewürdigt werden könnte“. Er hat sich fest vorgenommen, auch in diesem Fall mit gutem Beispiel voranzugehen: „Ich will um die Medaillen kämpfen.“