Leipzig/München. Der Rekordmeister kassierte bereits 35 Gegentore. Auch die Offensive bereitet vor dem Spiel gegen Leipzig Sorgen. Trainer Flick kontert Hoeneß.
Auf die alte Weisheit hatte schon Jupp Heynckes verwiesen, als er 2011 sein drittes Trainer-Engagement beim FC Bayern antrat. Die Offensive gewinnt Spiele und die Defensive Titel, besagt diese Weisheit. Heynckes zitierte sie vor zehn Jahren, und er reicherte die Weisheit mit seinem Zusatz an, wonach man eine bessere Balance zwischen Offensive und Defensive finden müsse, um erfolgreich zu sein. Am Saisonende standen allerdings drei zweite Plätze in der Bilanz. Zwei Mal musste der FC Bayern Borussia Dortmund den Vortritt lassen, sowohl in der Bundesliga als auch im DFB-Pokal, den der BVB durch ein 5:2 gegen die Münchner gewann. Diese erlebten zudem im Finale der Champions League ihr sogenanntes „Drama dahoam“ gegen den FC Chelsea. Erst in der Saison danach brachte Heynckes‘ Lehre Ertrag, als der FC Bayern 2013 das erste Triple der Vereinsgeschichte gewann.
Weltfußballer Lewandowski fehlt gegen Leipzig
An diesem Samstagabend (18.30 Uhr/Sky) treten die Bayern erneut als Triple-Gewinner und aktueller Tabellenführer der Bundesliga beim vier Punkte dahinter platzierten Ligazweiten RB Leipzig an. In der vergangenen Saison war ihnen ja unter ihrem aktuellen Trainer Hansi Flick nicht nur der zweite Dreifachtriumph der Vereinsgeschichte in Bundesliga, Champions League und Pokal gelungen, sondern sogar das sogenannte Sextuple durch die weiteren Titelgewinne im deutschen und europäischen Supercup sowie bei der Klub-WM. Erreicht hatten sie diesen Erfolg, weil sie zwar sehr offensiv agierten, aber noch genug Balance fanden, um hinreichend zu verteidigen.
In dieser Saison allerdings scheint diese Balance etwas abhanden gekommen zu sein, weshalb allein in der Liga schon 35 Gegentore nach 26 Spieltagen in der Bilanz stehen. Und da den Bayern in Leipzig Weltfußballer Robert Lewandowski wegen einer Bänderdehnung im rechten Knie fehlen wird, scheint die Offensive ihrer größten Gefahr für die Gegner beraubt. Lewandowski hatte in dieser Saison allein 35 Ligatore erzielt und je nach Zählung sechs bis acht Vorlagen beigesteuert, womit er an mehr als der Hälfte der 78 Ligatore direkt beteiligt war. Kaschiert wurden durch Lewandowskis viele Tore auch die zunehmenden Makel im Defensivverhalten.
Choupo-Moting könnte Lewandowski ersetzen
Nun fehlen aber nicht nur seine Treffer und Vorlagen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bayern auch in der Verteidigung auf die beiden Stammkräfte Alphonso Davies (Rotsperre) und Jérôme Boateng (Gelbsperre) verzichten müssen. Wie die Ausfälle aufgefangen werden können, ist in diesem Fall wohl vor allem eine Frage der Abwehrkräfte.
„Wir müssen schauen, wie wir das am besten lösen“, sagte Flick am Freitag. Der einzige andere hauptamtliche Stürmer Eric Maxim Choupo-Moting sei „durchaus eine Option“ als Ersatz für Lewandowski. Denkbar sei aber auch, dessen Aufgaben auf mehrere Spieler zu verteilen, befand Flick, was eher für die Variante mit Serge Gnabry als Neuner im fließenden Wechsel mit dem Zehner Thomas Müller sprach. Und was die Abwehr angeht, versicherte Flick: „Wir werden eine Viererkette stellen können und versuchen uns auf die Schnelligkeit der Leipziger einzustellen.“ Also auch ohne den flinken Davies und ohne Boateng, über die Flick sagte: „Es ist genauso wie bei Robert: Auch diese beiden Spieler sind für uns wichtig.“ Niklas Süle und Lucas Hernández dürften in die Viererkette rücken.
Leipzig-Trainer Nagelsmann: Dann ist das Meisterkampf vorbei
Es fiel auf, dass Flick diesmal mehr über die Defensive als über die Offensive sprach. Vielleicht auch, weil sich die alte Weisheit, wonach die Defensive Titel gewinnt, statistisch belegen lässt. In 61 Prozent der Fälle hatte der Bundesliga-Meister die wenigsten Gegentore kassiert und nur in 51 Prozent die meisten Tore erzielt. Im Moment stellen die Leipziger die beste Defensive der Liga (21 Gegentore). Doch RB-Trainer Julian Nagelsmann ahnt, dass es diesmal wohl auf vor allem Leipzigs Offensive ankommen dürfte, um noch für den Titel in Frage zu kommen. Er sagte: „Wenn wir nicht gewinnen oder unentschieden spielen, ist die Saison zwar nicht vorbei, aber der Meisterkampf.“
Flick kontert Hoeneß-Aussagen zu Boateng
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Flick hat sich derweil auch zu den jüngsten Einlassungen des Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß über Boateng geäußert. Den Innenverteidiger und Weltmeister von 2014 würde er nicht zur EM im Sommer nehmen, hatte Hoeneß in seiner Rolle als RTL-Experte gesagt. „Das ist seine Meinung“, befand Flick dazu. Überrascht hatte ihn die Äußerung von Hoeneß durchaus, wie er zu erkennen gab. Der Trainer sagte: „Ich kenne es von Bayern München, dass man seine Spieler immer unterstützt.“ Zudem sei Boateng zuletzt „in Topform“ gewesen, habe „herausragend gespielt“ und sei „einer der Garanten“ für das zurückliegende Erfolgsjahr gewesen. Es war eine durchaus offensive Verteidigungsrede vor der angestrebten Titelverteidigung, um die es nun in Leipzig geht.