Cortina d'Ampezzo. Die nächste deutsche faustdicke Überraschung: Kira Weidle gewinnt bei der alpinen Ski-WM in Cortina d'Ampezzo die Silbermedaille in der Abfahrt.
Kira Weidle war überwältigt, sie wusste erst mal nicht, was sie sagen sollte. „Wahnsinn“, entfuhr es der gebürtigen Stuttgarterin, dann bat sie um Geduld: „Es braucht noch ein bisschen, bis ich das realisiert habe.“ Tatsächlich durfte sie ja erst mal sprachlos sein: Der 24 Jahre alten Abfahrerin gelang nach Romed Baumann im Super-G die nächste deutsche Sensation bei der alpinen Ski-WM. Im Rennen ihres Lebens holte sie mit Platz zwei das bislang beste Ergebnis ihrer Karriere.
Schon als sie über die Ziellinie am Fuße der von ihr so geliebten „Olimpia delle Tofane“ gerast war, wusste Weidle: Das war eine gute Fahrt. Sie reckte den rechten Zeigefinger nach oben, als wollte sie andeuten: Seht her, ich hab's euch doch gesagt. Und als dann feststand, dass nur Mitfavoritin Corinne Suter (Schweiz) schneller als sie gewesen war (um 0,20 Sekunden), da betonte sie: „Klar“, es sei immer das große Ziel gewesen, eine Medaille zu gewinnen, „ich wusste, ich hab“s drauf."
Weidle musste noch zittern
Als Weidle mit der Startnummer 11 im Ziel war, leuchtete die „2“ neben ihrem Namen auf, danach aber musste noch ein bisschen zittern: Noch standen Medaillenanwärterinnen oben am Start. Doch nur Lara Gut-Behrami, die Super-G-Weltmeisterin aus der Schweiz, konnte sich als Dritte noch auf das Podest schieben (+0,37 Sekunden). Und somit blieb Weidle das sensationelle erste WM-Silber in der Abfahrt seit Katja Seizinger 1996 und die erste Medaille in der Königsdisziplin seit Bronze von Maria Höfl-Riesch 2013.
Durch die Coups von Baumann und Weidle hat die deutsche Mannschaft bereits nach drei Rennen ihren ambitionierten Medaillenplan erfüllt, und so kam der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier an diesem sonnigen Tag aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. „Das ist natürlich schon eine Hammerleistung. Wenn wir nach dem bisherigen Saisonverlauf gesagt hätten, sie bewegt sich unter den ersten Fünf, wäre es okay gewesen. Aber dass es sich auf eine Medaille rausgeht, ist schon erstaunlich. Für uns ist es ein Traum.“
"Hey, Kira, das hast du klasse gemacht"
Erstaunlich, weil Weidle ja ohnehin erst zwei Mal im Weltcup auf dem Podest gestanden hatte. Erstaunlich, weil sie lange Zeit so große Schwierigkeiten hatte, enge oder enger werdende Kurven zu fahren. Aber, betonte Maier: „Sie hat viel Riesenslalom trainiert, sie hat viel investiert, und jetzt hat sie sich den Lohn dafür abgeholt.“ Das lag an diesem Tag auch an Markus Voppichler: Der österreichische Servicemann von Weidle, die für den SC Starnberg startet, hatte ihr ein „Weltklassematerial“ (Maier) gegeben.
Ohnehin habe Weidle, aufgrund der vielen Verletzungen im Team derzeit als Solistin unterwegs, alles gut angenommen, was man ihr mitgegeben habe für das Rennen, lobte Maier. „Im Endeffekt muss sie es machen, und sie hat es gut umgesetzt, was man ihr gesagt hat. Und da kannst nur sagen: Chapeau.“ Für den DSV sei das „Weltklasse“, sagte Maier, Weidle sei der einzige „Schuss“ gewesen, der bei den Frauen zur Verfügung gestanden habe: „Da kann man nur den Hut ziehen und sagen: Hey, Kira, das hast du klasse gemacht.“
Und so fiel es Maier leicht, das Zimmer von Weidle noch um einen Tag zu verlängern. Die kündigte nämlich an: „Wir bleiben noch eine Nacht. Das wird noch gefeiert.“ (sid)