Essen. Die deutsche Nationalmannschaft trägt die Erdogan-Affäre mit zur Weltmeisterschaft in Russland. Es gibt mittlerweile nur Verlierer.

Derzeit gibt es in der deutschen WM-Vorbereitung beinahe nur Verlierer – und das liegt vor allem am Geschehen neben dem Platz.

Ilkay Gündogan ist ein Verlierer, weil er als einer der beiden Protagonisten in der Erdogan-Affäre trotz seiner Versicherung, außerordentlich gerne für Deutschland zu spielen, auch beim Testspiel gegen Saudi-Arabien in Leverkusen wieder gnadenlos ausgepfiffen wurde.

Der Deutsche Fußball-Bund steht als Verlierer da, weil er erst die Dimension der politischen Instinktlosigkeit seiner beiden Fußballstars mit Wurzeln in der Türkei unterschätzt hatte und dann in Person von Oliver Bierhoff den Medien die Schuld für das Sommertheater in die Schuhe zu schieben versuchte.

Sind die Pfiffe der DFB-Fans nur Kritik gegen demokratische Defizite in der Türkei?

Der Fußballfan könnte zum Verlierer werden, weil er sich fragen lassen muss, wieviel Rassismus in den Pfiffen gegen Gündogan (und Özil) steckt. Sicher, Recep Tayyip Erdogan ist eine Reizfigur. Keiner, der für demokratische Werte steht. Einer, den zu besuchen eine kritikwürdige Provokation darstellt. Es steht aber zu befürchten, dass die Pfiffe zu wenig mit berechtigtem Protest gegen demokratische Defizite in der Türkei und viel zu viel mit Vorbehalten gegen türkischstämmige Deutsche im Allgemeinen zu tun haben.

Wenn man ganz ehrlich ist, bleibt einem derzeit aber selbst die Kritik daran, dass sich Gündogan und Özil nicht hinreichend mit der politischen Reizfigur Erdogan, den zu besuchen weder sentimentaler Moment noch Geste der Höflichkeit sein konnte, auseinandergesetzt haben, im Halse stecken. Fifa-Boss Gianni Infantino jedenfalls wischte vor Beginn der WM in Russland Fragen nach Menschenrechten unter  Staatschef Wladimir Putin damit zur Seite, dass jetzt Fußball gespielt werde und den Fan nur noch interessiere, wer das Spiel gewinne.

Vermutlich wird Infantino argumentieren, dass der Sport neutral bleiben muss, damit er völkerverbindend wirken kann. Es bleibt der Verdacht, dass der Fifa-Boss sich wegen des finanziellen Erlöses der gesellschaftlichen Verantwortung des Sports zu entziehen sucht.

Wer es aber klaglos hinnimmt, dass der Chef des Weltfußballs sich an eine aus demokratischer Sicht problematische Figur anbiedert, wer will dann dafür zwei einfache Fußballspieler verurteilen?