Essen. Kein Basketballer hat je länger in der NBA gespielt als der 43-jährige Vince Carter. Nun droht das Karriereende durch den Corona-Stopp.

Die Abschiedsparty ist ausgefallen. Sie hätte nach dem letzten regulären Saisonspiel der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA stattfinden sollen. Es hätte Würdigungen von einstigen Weggefährten und Videos seiner besten Spielszenen gegeben. Das Publikum in der Heimspielstätte der Atlanta Hawks hätte geklatscht und seinen Namen skandiert. Es wäre ein würdiger Rahmen gewesen für das Karriereende von Vince Carter. Ein Abschied, wie ihn beispielsweise Dirk Nowitzki 2019 erleben durfte. Carter hat diese Szenen miterlebt, wie er so einiges in 22 Profi-Jahren erlebt hat. Nie hat jemand länger in der weltbesten Basketball-Liga gespielt als der 43-Jährige. Selbst 21 Spielzeiten haben nur vier Basketballer durchgehalten – darunter Nowitzki (41), der 1999 mit Carter begann.

Doch dann kam Corona, es gab keine Abschiedsparty, die NBA pausiert seit dem 11. März. Es sieht so aus, als beende eine Basketball-Legende die Saison auf der Couch statt auf dem Spielfeld. Dass die reguläre Saison noch zu Ende gespielt wird, ist kaum anzunehmen. Wie es überhaupt weitergeht, ist ungewiss. Ab Freitag dürfen einzelne Spieler in einigen US-Bundesstaaten wieder in die Hallen, Teamtraining ist jedoch weiter untersagt. Es gibt Gedankenspiele über eine Saisonfortsetzung an einem zentralen Ort. Beispielsweise auf dem Gelände von Disney World in Orlando/Florida oder in den riesigen Hotelkomplexen der MGM-Kette in Las Vegas/Nevada.

LeBron James: „Niemand sollte irgendwas abbrechen“

Auch Gerüchte über den Wunsch eines Saisonabbruchs diverser Ligafunktionäre machen die Runde, doch da protestierte nun LeBron James, bester Basketballer der vergangenen Jahre und ohnehin eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Liga, in den sozialen Medien. „Niemand sollte irgendwas abbrechen. Ich bin bereit und unser Team ist bereit“, sagte der Star der Los Angeles Lakers.

Wirklich bereit für ein plötzliches Ende war auch Vince Carter nicht, auch wenn die Hawks die Play-offs nicht erreicht hätten und die Zahl der verbleibenden Spiele übersichtlich war. Inzwischen habe er „Frieden mit der Situation geschlossen“, wie der 1,98-Meter-Mann dem US-Sender ESPN jüngst verriet. „Ich habe null Einfluss auf die Situation. So ist es nun einmal.“

Carter wurde zum spektakulärsten Spieler der Liga

Am 10. April  wäre er auch noch einmal zum Auswärtsspiel nach Toronto zurückgekehrt, an den Ort, an dem 1999 alles begann. Während Dirk Nowitzki als schmächtige Wundertüte aus Deutschland nach Dallas kam, war Carter nach drei Jahren auf der einstigen Michael-Jordan-Uni bei den North Carolina Tar Heels schon ein Star, bevor er das Trikot seines ersten NBA-Klubs überstreifte. Nowitzki tat sich schwer in den ersten Spielzeiten, Carter erfüllte bei den Toronto Raptors alle Erwartungen, wurde zum spektakulärsten Spieler der Liga. Mit enormer Sprungkraft gesegnet, versenkte der den Lederball nicht nur im Korb. Nein, er hämmerte ihn hinein, prügelte ihn durch die Reuse, wuchtete ihn über Gegner hinweg und schien dem Gesetz der Schwerkraft entbunden.

Carter war eine lebendige Highlight-Show. Sein Sieg beim Dunking-Wettbewerb im Jahr 2000 gilt noch immer als bester Gesamt-Auftritt  der NBA-Geschichte, und als er kurz darauf bei Olympia in Sidney einfach über den 2,18 Meter großen Franzosen Frederic Weis sprang um den Ball brachial durch den Ring zu stopfen, war er endgültig ein Superstar. Die USA gewannen Gold, in Frankreich ist die Aktion noch immer als „Le dunk de la mort“ bekannt – der Dunk des Todes.

Karriere endet bei Atlanta Hawks mit einem Meilenstein

Nicht wenige glauben, dass auch die Toronto Raptors schon in ihren Anfangsjahren das Zeitliche gesegnet hätten ohne ihren Superstar. Das zweite Team der NBA-Expansion nach Kanada im Jahr 1995, die Vancouver Grizzlies, spielt längst wieder im Nachbarland (Memphis/Tennessee). 2004 zog auch Carter weiter. Zunächst nach New Jersey, später sogar nach Dallas, wo er zwischen 2011 und 2014 an der Seite von Dirk Nowitzki spielte. Nowitzki war da nach dem Titelgewinn gerade auf der Höhe seiner Schaffenskraft, Carter nach vielen Verletzungen nicht mehr der große Star von einst. Nun endet seine Karriere bei den Atlanta Hawks. Immerhin mit einem weiteren Meilenstein. Im letzten Spiel am 11. März gegen die New York Knicks kam er in den Schlusssekunden noch einmal aufs Feld und setzte zu seinem vielleicht letzten Drei-Punkte-Wurf an. Er warf, er traf. Nur fünf Spieler versenkten mehr Dreier in der NBA-Geschichte – es war sein 2290.