Essen. Bundestrainer Joachim Löw verzichtet auf den früheren Schalker. Dabei ist der doch ein Unterschiedsspieler. Ein Kommentar.

Wochenlang wurde darüber spekuliert, welche Nationalspieler am Tag der endgültigen WM-Kader-Nominierung das Quartett der Enttäuschten bilden würden. Sieben, acht Namen wurden wiederholt genannt. Dieser hier nicht: Leroy Sané. Dass Bundestrainer Joachim Löw freiwillig auf den Hochgeschwindigkeitsfußballer verzichtet, ist eine heftige Überraschung. Eine Entscheidung, die schwer nachvollziehbar ist.

Leroy Sané, in Essen geboren, in Wattenscheid aufgewachsen und auf Schalke zum Star aufgestiegen, hat in England eine großartige Saison gespielt. Sein Anteil am Titelgewinn von Manchester City ist hoch, nicht zufällig wurde er von Englands Fußball-Profis zum besten Nachwuchsspieler der vergangenen Premier-League-Spielzeit gewählt. Sané hat das gewisse Etwas, ein Alleinstellungsmerkmal: Wenn er mit dem Ball am Fuß Tempo aufnimmt, ist er auch mit einem Lasso nicht mehr einzufangen. Er ist stark in der Torvorbereitung und im Abschluss. Allerdings: nicht immer.

Leroy Sané scheint an einer Nationaltrikot-Allergie zu leiden. Sobald er den Adler auf der Brust trägt, funktionieren seine Läufe und Abläufe nicht mehr. Am Samstag in Österreich war dies nicht zum ersten Mal zu besichtigen: Er trennte sich wiederholt nicht vom Ball, er rannte sich fest, seine Körpersprache verriet keine sonderlich hohe Anspannung. Es gibt also zwei Leroy Sané: Den, der von Pep Guardiola zur Höchstleistung animiniert wird. Und den, der bei Joachim Löw den Durchbruch nicht schafft.

Löw begründete seine Entscheidung damit, dass Sané „bei der Nationalmannschaft in den Spielen noch nicht so ganz richtig angekommen“ sei. Das stimmt. In Manchester wird das Spiel oft gezielt auf Sané ausgerichtet, da bekommt er die Räume, die er braucht. In der Nationalmannschaft steht Sané taktisch nicht im Mittelpunkt, da muss er sich anpassen. Das ist ihm bisher nicht gelungen.

Es spricht für den Bundestrainer, dass er weiterhin unberechenbar geblieben ist. Dadurch kann sich kein Spieler sicher fühlen und zurücklehnen. Aber es spricht gegen Löw, dass er es nicht geschafft hat, die außergewöhnlichen individuellen Fähigkeiten von Leroy Sané für sein Team zu nutzen. Warum er nur im Verein den Turbo zündet, muss sich nicht nur der Spieler fragen lassen.