Ruhpolding. Ole Einar Björndalen gab auch nach Bandscheiben-Problemen nicht auf. 38 ist für ihn kein Alter. Mit der norwegischen Mixed-Staffel gewann er am Donnerstag in Ruhpolding seinen 17. WM-Titel. Björndalen blieb bescheiden: “Es war nicht mein Verdienst, dass wir gewonnen haben.“
König Ole hat seiner Krone ein weiteres Goldstück hinzugefügt. Der Triumph in Ruhpolding in der Mixed-Staffel war sein 17. WM-Titel. Aber Ole Einar Björndalen schrie nicht seine Begeisterung über diesen neuerlichen Erfolg heraus. Im Gegenteil. "Es ist irgendwie komisch, so zu gewinnen", sagte der 38-Jährige, der wegen einer technischen Panne am Schießstand eine Zeitgutschrift von 28,4 Sekunden erhalten hatte. So wurde das norwegische Quartett, das als Zweiter ins Ziel gekommen war, zum Weltmeister erklärt. Und weil Björndalen nicht nur der beste Biathlet der Geschichte ist, sondern auch ein sehr fairer Sportler, ordnete er seine Vorstellung ohne die geringste Spur von Ergebniskosmetik so ein: "Mein Rennen war nicht optimal. Ich habe zu viele Fehler am Schießstand gemacht. Es war nicht mein Verdienst, dass wir gewonnen haben. Ich muss jetzt kämpfen, dass ich meiner Mannschaft etwas zurückgebe."
Schon am Wochenende muss Björndalen zeigen, dass er nicht nur in der Staffel mit seinen Kollegen Spitze ist. Am Samstag will er im Sprint (12.30 Uhr/ZDF und Eurosport), am Sonntag in der Verfolgung (13.15 Uhr/ZDF und Eurosport) ganz weit vorne landen. So wie im letzten Weltcup-Rennen vor der WM, als Björndalen im Februar im finnischen Kontiolahti alle Konkurrenten, von denen einige seine Söhne sein könnten, hinter sich ließ. Ein herrliches Gefühl sei das gewesen, sagte er. Wie ein Neustart.
Vor der Saison hatte es nämlich so ausgesehen, als ob auch der scheinbar ewig junge Ole die biologische Uhr nicht länger zurückdrehen könnte. Am 26. April 2011 war es passiert. Diesen schwarzen Tag wird der Norweger nie vergessen. In seiner Wahlheimat in Südtirol, wo er in Obertilliach seit einigen Jahren mit seiner Frau Nathalie Santer, einer früheren italienischen Weltklasse-Biathletin, lebt, war ihm ein kleines Malheur mit großen Auswirkungen passiert. "Ich habe im Wald mit meinem Schwager gearbeitet und habe einen dummen Fehler gemacht", erinnert er sich, "ich war müde und faul und habe ein zu schweres Holzstück zu schnell aufgehoben. Plötzlich machte es peng."
Drei Bandscheiben waren vorgeschoben. Höllische Schmerzen, ungewohnte Hilflosigkeit. Der Mann mit der unglaublichen Dynamik war von einer Sekunde auf die andere stillgelegt. Er konnte kaum noch laufen, geschweige denn Auto fahren. Statt zu trainieren, eilte er von Krankenhaus zu Krankenhaus, von Arzt zu Arzt. In Bruneck fand er dann endlich zwei Mediziner, die ihm helfen konnten. Es folgte die Entwarnung: Keine Operation.
Björndalen lobt Neuners Charme
Gedanken ans Aufhören hat er nie gehabt. "Aufgeben kam für mich nie in Frage", sagt er, "ich habe eine brutale Motivation. Im Herbst und Winter habe ich dann gespürt, dass mein Motor noch da ist, oder nein, vielleicht habe ich einen noch besseren als zu der Zeit, in der ich 24 Jahre alt war." Björndalen ist der Gegenentwurf zu einer Magdalena Neuner. Der Norweger hat bei Olympischen Spielen sechs Gold-, vier Silber- und eine Bronzemedaille gewonnen, er hat 95 Weltcupsiege gefeiert und 37 WM Medaillen (17 in Gold, elf in Silber und neun in Bronze) geholt, doch die Winterspiele 2014 im russischen Sotschi hat er schon fest eingeplant: "Dann bin ich 40. Das ist doch kein Problem. Ich werde vielleicht auch noch mit 42 oder 43 im Biathlon-Zirkus dabei sein."
Magdalena Neuner ist erst 25 – und hört schon auf. "Es ist ihre Entscheidung. Man muss sie akzeptieren", sagt Björndalen, "sie ist schon jetzt eine Legende." Ihre Ausstrahlung und ihr Charme seien einmalig, sie habe alles, was man neben dem Sport brauche, um so populär zu werden. Während sich die deutsche Legende nach Normalität sehnt, bekennt die norwegische Legende, dass sie nicht für ein normales Leben gemacht sei. Das sei langweilig, sagt er. Und so wird er weiter das Gewehr schultern und durch die Loipe hetzen, bis ihm buchstäblich der Schaum vor dem Mund steht. Die Jagd nach Medaillen geht heute weiter: Das ist die Spannung, für die Ole Einar Björndalen lebt.