Sotschi. Halbzeit bei der Schach-WM: Weltmeister Magnus Carlsen führt mit 3,5:2,5 gegen seinen Herausforderer Viswanathan Anand. Der Inder wirkt angeschlagen - und will es jetzt in den zweiten sechs Partien wissen.
Der Ruhetag kam für Magnus Carlsen daher nach seinem glücklichen Sieg in der sechsten Partie gerade recht. Der Schach-Weltmeister aus Norwegen tauchte am Sonntag so gut es ging ab und versuchte sich neue Energie zu holen für die zweite Hälfte des nervenzehrenden WM-Marathons in der Olympia-Stadt Sotschi. 3,5:2,5 führt der Titelverteidiger in der Gesamtwertung, sein Herausforderer Viswanathan Anand wirkte angeschlagen vor den zweiten sechs Partien. Der große Patzer des Inders im sechsten Duell wirkt nach - Vorteil Carlsen.
"Ich bin total erleichtert, das hätte den WM-Verlust bedeuten können", erklärte Carlsen. "Aus meiner Sicht stand ich klar besser, hatte aber natürlich sehr viel Glück, dass er meinen Fehler nicht ausnutzte." Der 23-Jährige eröffnete das Spiel wieder mit seinem Königsbauern, worauf sich Anand wie in der vierten Partie für die Sizilianische Verteidigung entschied. Carlsen übte permanent Druck auf die Stellung seines Gegners aus, leistete sich aber im 26. Zug ein zu riskantes Königsmanöver - und hatte Riesenglück. Anand übersah die gute Chance, mit einem einfachen Zug seines Springers die Partie gewinnen zu können. Der 44-Jährige gab nach 38 Zügen auf - und war untröstlich.
"Wenn du ein Geschenk nicht erwartest, siehst du es manchmal auch nicht. Das war insgesamt eine furchtbare Partie", kommentierte Anand sichtlich niedergeschlagen. "Es fühlt sich nicht gut an. Ich habe schnell gemerkt, dass ich einen Fehler gemacht habe." Die siebte Partie ist für Montag angesetzt. Da das Reglement in der Mitte des Duells einen Farbenwechsel vorsieht, führt Carlsen noch einmal die weißen Steine. Zum WM-Sieg sind 6,5 Punkte aus zwölf Partien nötig. Bei einem Gleichstand von 6:6 würde der Weltmeister in vier Schnellpartien ermittelt.
"Es wird sehr schwer für Anand noch einmal zurückzukommen", twitterte der ehemalige Weltmeister Garri Kasparow nach Anands Fehler, der sogar das Potenzial habe, als "größter Aussetzer" in die WM-Geschichte einzugehen. "Von einem Riesenvorteil zu einer wahrscheinlichen Niederlage in einem Zug", so Kasparow.
Von diesem Montag an soll alles anders werden. Anand will Carlsen überraschen und zeigen, dass seine monatelange Vorbereitung nicht umsonst war. Verglichen mit seiner Leistung in Partie sechs kann es aus seiner Sicht nur besser werden. Vielleicht schlägt ihm auch die äußerst triste Stimmung im ehemaligen Medienzentrum der Olympischen Winterspiele aufs Gemüt. Die Tribünen blieben trotz freien Eintritts für die russischen Zuschauer bisher weitgehend leer. Kasparow nannte die WM-unwürdige Atmosphäre "eine Schande".