Essen. Von Bundesliga- bis Wettskandal: Wie der Fußball schon vor Corona schwierige Situationen überstand
Derzeit erlebt der Fußball, erlebt der Sport seine wohl größte Krise der Neuzeit. Noch sind die Auswirkungen nicht wirklich abzusehen. Dabei steht der Sport in diesem Fall sogar nur am Rand. Das ganze Land, ja sogar fast der ganze Kontinent steht still – und nebenbei darf eben auch nicht Fußball gespielt werden.
Auch die Fußballklubs kämpfen mit ernsten Existenzsorgen, jenseits sportlicher Fragen stehen sinkenden Einnahmen gleichbleibende Kosten gegenüber. Nicht alle Vereine verfügen offenbar über Reserven, einen längeren Stillstand verkraften zu können. Ein Online-Magazin fragte am zweiten Wochenende ohne Bundesliga-Fußball in den Stadien provokant: „Steht der Fußball vor der Kernschmelze?“ Er steht vor gewaltigen Problemen, soviel scheint sicher.
Hilft zur Beruhigung ein Blick auf die Geschichte der Bundesliga? Nicht auf die Sternstunden, sondern auf Momente der Krise? Gleich mehrfach wähnte sich der Fußball am Ende – und es ging doch immer wieder weiter. Eine Chronologie der größeren Erschütterungen.
Der Bundesliga-Skandal
Die Party anlässlich des 50. Geburtstages von Horst-Gregorio Canellas werden die Anwesenden so schnell nicht vergessen. Der Präsident von Kickers Offenbach präsentierte seinen Gästen Tonbandaufnahmen von Spielern, die ihm eindeutige Bestechungsangebote machten. Damit begann die Aufdeckung des ersten Bundesliga-Skandals. Arminia Bielefeld und Rot-Weiß Oberhausen hatten sich in der Saison 1970/71 den Klassenerhalt erkauft. Insgesamt wurden 52 Spieler, zwei Trainer und sechs Funktionäre bestraft. Darunter waren auch die Schalker Spieler Reinhard „Stan“ Libuda, Klaus Fichtel und Klaus Fischer, die erst lebenslang gesperrt und dann begnadigt wurden. Hauptleidtragender war Revierklub Rot-Weiss Essen, der auch wegen des Skandals abstieg. „Wenn wir das Vertrauen nicht wieder zurückgewinnen, ist der Fußball tot“, sagte Chefermittler Hans Kindermann. Doch der Fußball überlebte.
Die Kirch-Pleite
Der Fußball hatte sich mit dem Aufkommen des Privatfernsehens erstmals in die Abhängigkeit von TV-Geldern begeben. Durch die Insolvenz von Medienmogul Leo Kirch und dessen Pay-TV-Sender Premiere in der Saison 2001/2002 stürzte die Liga in eine tiefe Krise. Über 200 Millionen Euro gingen verloren. Wolfgang Holzhäuser, ehemaliger Präsident der Deutschen Fußball-Liga (DFL), hält die Lage damals für noch bedrohlicher als die Corona-Pandemie. „Bei der Kirch-Krise fiel ja der, der bezahlen hätte müssen, weg, obwohl man das Produkt liefern konnte. Heute ist es umgekehrt, die Rechteinhaber können ja zahlen. Es kommt darauf an, die Leistung zu erbringen“, sagte er dem Kicker. Es musste aber kein Klub Insolvenz anmelden, dazu trug auch ein Solidaritätsfonds der DFL bei.
Der Wettskandal
Der Wettskandal um Schiedsrichter Robert Hoyzer löste zuletzt ein größeres Beben im deutschen Fußball aus. Spiele aus der Bundesliga waren zwar nicht betroffen, der Imageschaden war anfangs aber riesig. Der Berliner Hoyzer räumte ein, Begegnungen des DFB-Pokals, der 2. Liga und der Regionalliga verschoben zu haben. Zuvor wurden entsprechende Wetten platziert. Hoyzer beschuldigte zudem weitere Schiedsrichter und Spieler, in den Skandal verwickelt gewesen zu sein. Im November 2005 wurde er zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Das Sommermärchen 2006 sorgte aber schnell wieder für ein positives Image des Fußballs.
Drei Krisen, die groß schienen, die – wenn man den Fußball isoliert betrachtet – ähnlich bedrohlich wirkten, wie die Corona-Lage. Drei Krisen, die – wenn man den Fußball isoliert betrachtet – Mut machen, weil der Sport bislang gestärkt daraus hervorging. Es bleibt die Hoffnung, dass Fußball-Fans in Deutschland sich irgendwann wieder über den schäbigen Abgang Jürgen Klinsmanns bei Hertha, den Besuch von Promifriseuren bei Profis vor wichtigen Spielen, den Verzehr von mit Goldstaub bepuderten Steaks und andere Bagatellen erregen können. (mit SID)