Glasgow. Borussia Dortmund muss bei den Glasgow Rangers einen Zwei-Tore-Rückstand aufholen. Sonst droht das gefühlte Ende der Saison im Februar.
Sechs Grad zeigt das Thermometer. Es fühlt sich aber deutlich kälter und sehr viel unwirtlicher an, als die Spieler von Borussia Dortmund am Mittwochabend zum Abschlusstraining das Ibrox Stadium betreten, ein nasser, scharfer Wind peitscht über den Rasen. Und wer es in der BVB-Reisegruppe noch nicht gewusst haben sollte, merkt spätestens jetzt, dass dies ein eher ungemütlicher Betriebsausflug werden könnte.
Wegen des Wetters, weil 50.817 leidenschaftliche Fans im ausverkauften Stadion den Gegner nach vorne peitschen werden – vor allem aber wegen der Ausgangslage: Bei den Glasgow Rangers muss Dortmund am Donnerstagabend (21 Uhr/RTL) mindestens mit drei Toren Unterschied gewinnen, um die Play-offs zum Achtelfinale der Europa League zu überstehen. Zwei Treffer reichen zumindest für die Verlängerung, da die Auswärtstorregel abgeschafft ist.
Erling Haaland ist gar nicht erst mitgeflogen
Ähnlich kompliziert wie Wettbewerbsbezeichnung und Ausgangslage gerät wieder einmal das Personalpuzzle. BVB-Trainer Marco Rose hatte schon vor dem Abflug in Dortmund recht finster geguckt, was aber vor allem an der Sonne lag, die ihm sehr ungnädig durch eine große Fensterfront in die Augen schien. Ein paar Stunden später in Glasgow ist von der Sonne nichts mehr zu sehen und Roses Blick hat sich deutlich entspannt – die Personallage aber nicht.
Erling Haaland nämlich war gar nicht erst mitgeflogen nach Schottland. Der Stürmer hatte zuletzt zwar mehr und mehr mit der Mannschaft trainiert, seine seit knapp fünf Wochen andauernden Adduktorenprobleme machen bei ganz schnellen Sprints und harten Schüssen immer noch Probleme.
Wer also soll sie schießen, die mindestens drei Treffer zum Weiterkommen? „Erling fällt schon fast die Hälfte der Saison aus, trotzdem haben wir viele Tore in der Bundesliga geschossen“, sagt der Trainer. „Ich glaube aber, dass es morgen vor allem um die richtige Balance geht. Wir müssen angreifen, auf Tore gehen, aber hinten aufmerksam sein und ihre Qualitäten verteidigen.“
Hummels ist der letzte Innenverteidiger, dem Rose vertraut
Denn das ist Problem: Niemand kann sicher sein, dass drei Tore zum Weiterkommen reichen, die Dortmunder Defensive ist auch in dieser Saison notorisch anfällig. Nun fehlt neben Manual Akanji auch noch Dan-Axel Zagadou – und es bleibt ein einziger Innenverteidiger, dem Trainer Rose wirklich vertraut: Mats Hummels. „Wir haben jetzt in der Abwehr eine schwierige Situation“, sagt Lizenzspielerchef Sebastian Kehl. „Aber der Trainer wird trotzdem eine Lösung haben.“
Sollte er dringend, sonst würde sich die Stimmung rund um den BVB dem miesen schottischen Wetter rapide angleichen, rund um den Klub würde das Grummeln noch lauter werden. Es ist ein echtes Endspiel. Nicht für Rose, der Trainer müsste auch bei einem Ausscheiden in Glasgow nicht akut um seinen Job bangen. Wohl aber für die gesamte Dortmunder Saison: Im DFB-Pokal ist man bereits ausgeschieden, in der Liga ist der Rückstand auf Platz eins mit sechs Punkten groß und der Vorsprung auf die Nicht-Champions-League-Ränge mit zwölf Zählern gewaltig. Nach oben wie nach unten wird kaum noch etwas passieren, was für Ziele gibt es also noch?
Die Gefahr ist groß, dass die Spielzeit schon im Februar austrudelt, das wissen auch die beteiligten. „Das ist für uns ein Finale“, sagt Kehl. „Es ist ein Do-or-die-Spiel“, ergänzt Kapitän Marco Reus. „Wir wissen, was auf dem Spiel steht und was wir liefern müssen, um eine Runde weiterzukommen.“ Derartige Worte aber hat man schon so manches Mal gehört in der laufenden Saison in Dortmund, nicht immer folgten entsprechende Taten. Im ungemütlichen Glasgow muss sich das dringend ändern.