Berlin. Nach der Debatte um das umstrittene Erdogan-Foto tritt Mesut Özil aus der DFB-Elf zurück. Das sind die Reaktionen in Politik und Netz.


Der Rücktritt von aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beschäftigt das Netz: Die Entscheidung des 29-Jährigen trifft auf Zustimmung und Verständnis, provoziert aber auch deutliche Kritik.

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„Mit schwerem Herzen und nach langer Überlegung werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschland auf internationaler Ebene spielen, so lange ich dieses Gefühl von und Respektlosigkeit verspüre“, schrieb Özil in einer und kritisierte den scharf. Wir haben Reaktionen auf diesen Entschluss gesammelt.

Unterstützung für Mesut Özil aus der Türkei

Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht die Wogen zu glätten. „Die Bundeskanzlerin schätzt Mesut Özil sehr. Mesut Özil ist ein toller Fußballspieler, der viel für die Fußball-Nationalmannschaft geleistet hat“, sagte eine Regierungssprecherin am Montag in Berlin. „Mesut Özil hat jetzt eine Entscheidung getroffen, die zu respektieren ist.“

Das Verhalten des Deutschen Fußball-Bunds im Fall Özil wollte die Sprecherin nicht kommentieren. Der DFB handele autonom und werde sich sicher mit der Aufarbeitung der gesamten Weltmeisterschaft beschäftigen. Zugleich wies die Sprecherin daraufhin, dass sich der DFB sich mit zahlreichen Projekten für Integration engagiere.

Ein Bild aus glücklicheren Zeiten: Mesut Özil jubelt 2009 gemeinsam mit dem damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger.
Ein Bild aus glücklicheren Zeiten: Mesut Özil jubelt 2009 gemeinsam mit dem damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger. © dpa | Friso Gentsch

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Aus der Türkei erhielt Unterstützung. „Aber stellen Sie sich vor, welchem Druck Herr Mesut in diesem Prozess ausgesetzt war. Wo sind Höflichkeit, Toleranz, Pluralismus geblieben...?!“ erklärte der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, ebenfall via Twitter.

Außenminister Heiko Maas greift Özil scharf an. „Ich glaube auch nicht, dass der Fall eines in England lebenden und arbeitenden Multimillionärs Auskunft gibt über die Integrationsfähigkeit in Deutschland“, sagte er auf einer Pressekonferenz.

Und weiter: „Ansonsten liegt die Wahrheit auf dem Platz. Dass die Deutschen so früh ausgeschieden sind, hat wenig damit zu tun, dass Herr Özil sich mit Herrn Erdogan hat fotografieren lassen.“


• SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat die Kommunikation des Deutschen Fußball-Bundes kritisiert. Bisher habe der DFB „leider den falschen Ton angeschlagen und die Diskussion unnötig verschärft“, sagte Nahles der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Dabei seien Sport und Fußball eine große Chance für gelungene Integration, die genutzt werden müsse.

Nahles kritisierte auch den Fußballer, nahm ihn aber zugleich in Schutz. „Özil hat mit seinem Auftritt mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan einen Fehler gemacht.“ Aber der Grundsatz „Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam“ gelte für ihn wohl nicht. Das Wort „Rassismus“ sei hier zwar möglicherweise zu stark.

„Aber das Gefühl, ausgegrenzt zu sein, insbesondere wenn es einmal schlecht läuft und schnell nach Sündenböcken gesucht wird, droht auf viele Migranten auf und neben dem Fußballplatz überzugehen“, sagte Nahles. „Da müssen wir gegenhalten - für ein offenes, tolerantes Land, in dem Rassismus geächtet wird.“

• Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli, Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement in Berlin, spricht von einem „Armutszeugnis“ für Deutschland. Und wirft ganz grundlegende Fragen auf.

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Justizministerin Katarina Barley (SPD) sieht in dem Rücktritt Özils ein „Alarmzeichen“, wie sie schrieb:

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• Nach Meinung von Grünen-Frau Renate Künast kommt der Rücktritt einem Scheitern auf ganzer Linie gleich. Sie fordert auch den auf, seinen Hut zu nehmen.

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• Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, schreibt auf Twitter:



„Gut, dass sich Özil endlich erklärt. Bei allem Verständnis für die famil. Wurzeln, müssen sich Nationalspieler Kritik gefallen lassen, wenn sie sich für Wahlkampfzwecke hergeben. Zugleich darf diese berechtigte Kritik nicht in pauschale Abwertung von Spielern mit MGH (Migrationshintergrund) umschlagen.“

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach kritisiert die Argumentation von Mesut Özil.
Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach kritisiert die Argumentation von Mesut Özil. © Getty Images | Hannes Magerstaedt


• Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach hat die Kritik des zurückgetretenen Fußball-Nationalspielers Mesut Özil am DFB zurückgewiesen.

Der Rassismus-Vorwurf sei unverständlich, sagte Bosbach am Montag im Inforadio vom rbb. Er kenne DFB-Präsident Reinhard Grindel seit langem, dieser sei kein Rassist. Bosbach betonte, Özil habe mit seinem Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Wahlkampfhilfe für einen autoritären Politiker geleistet.

„Jetzt versucht er, aufgrund der massiven Kritik wegen seines Treffens [...] und der Huldigung für Erdogan, sich als Opfer des DFB darzustellen – oder der gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland. Das ist doch wirklich grober Unfug.“

Viele Nutzer auf Twitter kritisieren die Rolle des DFB in der Causa Özil. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz spricht wie Sawsan Chebli von einem „Armutszeugnis“ – allerdings stellt er dieses dem Deutschen Fußball-Bund aus.

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Thomas Bareiß (CDU), Staatssekretär im Bundeswirtschafzsministerium, hät Özils Vorwurf des Rassismus für „deplatziert“. So „einfach“ könne man es sich nicht machen:

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Paul Ziemiak (CDU), Vorsitzender der Jungen Union, sagt zu „Bild“: „Niemand Vernünftiges will, dass Mesut Özil seine Herkunft verleugnet. Aber zu behaupten, dass ein Foto mit Erdogan – mitten im türkischen Wahlkampf – ohne politische Absichten entstanden sei, ist naiv.“

Linken-Chefin Katja Kipping
(Die Linke) bezeichnete die Debatte als vielschichtig und „ärgerlich“. „Man weiß gar nicht, worüber man sich mehr ärgern soll: Über das deplatzierte Foto mit dem Despoten Erdogan oder über die rassistische Debatte, die danach über Mesut Özil hereingebrochen ist“, sagte Kipping im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“

• Für Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sei der Fall Özil in den vergangenen Monaten „sehr unglücklich gelaufen“, wie sie dem „Tagesspiegel“ sagte. Letztlich gebe es „nur Verlierer“.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte „Bild“: „Niemand muss oder soll Wurzeln verleugnen, freilich wünsche ich mir schon auch ein deutliches Bekenntnis für das neue Heimatland.“ „Gegenüber jemandem“ wie Erdogan wünsche er sich „ein klares Bekenntnis zu unseren Werten“.

• Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel schlägt versöhnliche Töne an. Er hebt die erfolgreiche fußballerische Bilanz des ehemaligen Nationalspielers hervor und spricht sich gegen Rassismus aus.

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• Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir meldet sich zu Wort. Özils Erklärung überzeuge nicht, schreibt er auf Twitter. Aber auch für den DFB findet er keine guten Worte. „Mindestens so desaströs ist das agieren der DFB-Spitze.“ Er fordert einen Neubeginn beim DFB.

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• Die Autorin und Publizistin Hatice Akyün sieht in dem Rücktritt Özils ein Zeichen, dass die Integration in Deutschland kaum vorangekommen ist:

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• Auch aus der Türkei gibt es Reaktionen zum Rücktritt. Sportminister Mehmet Kasapoglu schrieb am Sonntagabend auf Twitter: „Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen.“

Justizminister Abdulhamit Gül gratulierte dem gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln, weil dieser mit seinem Rücktritt das „schönste Tor gegen den faschistischen Virus geschossen“ habe.

• Der in Deutschland aufgewachsene Abgeordnete der türkischen Regierungspartei AKP Mustafa Yeneroglu kritisierte die „weitverbreitete Bevormundung von Deutschtürken“. Die deutsche Debatte konzentriere sich vor allem auf Özils Foto mit Präsident Recep Tayyip Erdogan. Migranten solle „das einseitige deutsche Bild von Erdogan“ aufgezwungen werden – jenen, die nicht spurten, würde der Weg zum Ausgang gewiesen.

Die Affäre zeige, dass „die deutsche Öffentlichkeit bei der Frage der Achtung der Binnen-Identität von Millionen Migranten noch nicht“ weit sei, sagte Yeneroglu – gerade, wenn sie als Türkeistämmige zu ihren Wurzeln stünden. „Özil gibt ihnen eine Stimme. Deswegen ist er mit seiner Erklärung zur Legende geworden.“

Rücktritt von Özil schlägt hohe Wellen

Besonders eine Passage in den Statements von Özil bewegt viele Twitter-Nutzer. Darin betont der Fußballer die unterschiedliche Wahrnehmung seiner Person in der deutschen Öffentlichkeit, je nach Wetterlage sozusagen: „Wenn wir gewinnen, bin ich ein Deutscher, aber wenn wir verlieren, bin ich ein Einwanderer“.

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In seiner Beobachtung bestätigen ihn viele Twitter-Nutzer. Wer Leistung liefert, wer nicht, dem werde die Zugehörigkeit kurzerhand aberkannt.

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Doch es regt sich auch deutliche Kritik an Özils Entscheidung, aus der Nationalmannschaft auszutreten. Auch sein Umgang mit dem Erdogan-Foto in den vergangenen Wochen wird dabei kritisiert.

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Andere wiederum kaufen es Özil nicht ab, das er nicht geahnt habe, was für eine Welle der Empörung er durch das Bild mit dem türkischen Staatspräsidenten auslöst. Die Rede ist zum Beispiel von einer „perfekt inszenierten Marketingaktion“ des Fußballers.

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