Essen/Bodensee. Paul Bieber hat vor Kurzem den deutschen Rekord im Eisschwimmen aufgestellt. Wie er lernte, mit Schmerzen und extremer Kälte umzugehen.

Der Winter hat NRW in seinen eisigen Fingern. Die Straßen sind schneebedeckt, die Temperaturen sinken die ganze Woche über unter null Grad. Ein Besuch am See? Höchstens, um dick eingepackt spazieren zu gehen. Außer man heißt Paul Bieber.

Der 37-Jährige aus dem Allgäu ist Extremschwimmer. Am 30. Januar dieses Jahres stellte Bieber den deutschen Rekord im Eisschwimmen auf. Auf dem Bodensee legte er eine Strecke von 2210 Meter zurück und überbot damit die bisherige Bestmarke um rund 60 Meter. Die Wassertemperatur: 4,9 Grad. Bieber war 43 Minuten im eiskalten See. "Ich habe dieselbe Zeit gebraucht, um mich aufzuwärmen", sagt der Extremschwimmer.

Das Eisbaden findet immer mehr Anhänger. Sie versprechen sich eine Verbesserung des Immunsystems und der Vitalität. Extremsportler wie Paul Bieber aber belassen es nicht beim kurzen Ein- und Auftauchen: Sie schwimmen im eiskalten Wasser, als wären sie im Pool.

Die ersten hundert Meter: Wie in einer Waschmaschine

Die sogenannte Eismeile ist dabei das Ziel. Rund 1600 Meter im Wasser werden dabei zurückgelegt. Die besten Zeiten werden auf der Homepage der "International Ice Swiming Association" (ISLA) dokumentiert. Ganz frisch ist noch der Eintrag von Paul Bieber. Auch er wollte die Eismeile schwimmen, hatte im Hinterkopf aber den Rekord.

"Die ersten hundert Meter habe ich mich wie in einer Waschmaschine gefühlt", erzählt der 37-Jährige aus Röthenbach (Kreis Lindau) am Telefon. Die Bedingungen im 4,9 Grad kalten Bodensee waren alles andere als optimal: Es herrschte Wellengang und Wind. "Dann habe ich mir gedacht: Komm', schwimm erstmal." Mit dem medizinischen Personal des Uniklinikums Ulm und seinen Betreuern war eine maximale Zeit von 40 Minuten ausgemacht. Doch Bieber blieb im "Flow" und schaffte den Rekord.

Im Einklang mit der Natur

Geschafft: Paul Bieber wird nach seinem Rekord an Land gebracht
Geschafft: Paul Bieber wird nach seinem Rekord an Land gebracht © DPA | Unbekannt

Warum tut ein Mensch sich so etwas an? "Das werde ich oft gefragt", sagt der Allgäuer. "Meistens antworte ich, dass es ich wissen will, wo die eigene Grenze liegt." Vor drei Jahren fing Bieber mit dem Extremsport an, mittlerweile hat er ein professionelles Umfeld. Er wird trainiert vom Weltrekordhalter Hamza Bakircioglu. Dieser legte 2018 im Sonthofer Baggersee eine Strecke von 3450 Metern zurück. Die Temperatur betrug 4,1 Grad. Mittlerweile sei aber auch der Einklang mit der Natur interessant für Bieber. "Man wird eins mit der Umgebung. Das finde ich reizvoller als Poolwettbewerbe."

Der Sport verlangt absolute Professionalität. Bei seinem Rekordversuch wurde Bieber von einem ganzen Team begleitet. "Ich würde es niemandem einfach so empfehlen", sagt Bieber. Eine strikte medizinische Betreuung sei unumgänglich. Denn unerkannte Vorerkrankungen wie Herzmuskelentzündungen können im Eiswasser zu einem großen Risiko werden. "Man sollte kerngesund sein", sagt Bieber, der täglich ein EKG macht und den Blutzuckerspiegel misst. Am gefährlichsten sei der Moment nach dem Schwimmen, wenn der Körper wieder warm wird: "Dann droht ein Herzstillstand."

Wichtige Regel: Langsam ins Wasser

Um das Herz-Kreislaufsystem zu schonen, sollte der "Sprung ins kalte Wasser" dringend vermieden werden: "Man sollte sehr langsam hineingehen und die Ruhe bewahren. Sonst kann es zu einem Herzinfarkt kommen", sagt Bieber. Für ihn fängt die Vorbereitung ohnehin schon früher an: Er stellt sich 30 Minuten vorher mithilfe der Atmung auf die bevorstehende Grenzerfahrung ein.

An die Kälte lässt sich der Körper nicht gewöhnen. "Den Kälteschock gibt es immer", sagt Bieber. "Aber die Schmerzlinie kann man trainieren." Diese lasse sich durch die Gewöhnung Stück für Stück verschieben. Extremleistungen sind dadurch wie in anderen Disziplinen, etwa beim Laufen oder im Radsport, möglich.

Extremschwimmer peilt weitere Bestmarken an

Bieber wird es wieder machen. Und wieder. Er hat große Ziele. In diesem Winter würde er gerne noch die Marke von fünf Eismeilen knacken, die der Extremschwimmer Bruno "Orca" Dobelmann aufgestellt hat. Der Stuttgarter schaffte es auch, drei Eismeilen in 24 Stunden zurückzulegen. Auch das traut sich Bieber zu: "Da ist noch viel drin." Im eiskalten Wasser.