Dortmund. Den BVB plagen Verletzungssorgen. Deswegen sind nun Spieler gefordert, die eigentlich gar nicht mehr da sein sollten. Spieler wie Marius Wolf.
Natürlich hat auch Marco Rose diesen Begriff in seinem Repertoire. Der Trainer von Borussia Dortmund ist ein Freund moderner Trainingslehre und des entsprechenden Wortschatzes. Deswegen kommt ihm das Wort „Belastungssteuerung“ vor dem DFB-Pokalspiel gegen den Zweitligisten FC Ingolstadt an diesem Dienstag (20 Uhr/Sport1) ganz flüssig über die Lippen. Mit der Umsetzung allerdings hat Rose so seine Probleme, seit er im Sommer zum BVB gekommen ist. „Wir konnten bislang keine Belastung steuern, außer auf ein, zwei Positionen“, sagt Rose. Und das ist kaum übertrieben angesichts des grotesken Verletzungspechs, das den BVB erfasst hat.
Erling Haaland ist der prominenteste Verletzungsfall, er wird wegen Problemen mit dem Hüftbeuger noch wochenlang fehlen. Dazu kommen Mahmoud Dahoud, Raphael Guerreiro, Mateu Morey, Giovanni Reyna, Nico Schulz, Thomas Meunier, Youssoufa Moukoko und Dan-Axel Zagadou, die wegen mal kleinerer, mal größerer Wehwehchen ausfallen oder noch in der Reha sind. Donyell Malen wackelt wegen eines Magen-Darm-Infekts, auch Torhüter Gregor Kobel ist angeschlagen – aber im Tor wollte Rose ohnehin dem Ersatzmann Marwin Hitz einen Einsatz gönnen.
Zwischen den Pfosten kann er rotieren und normalerweise würde man das in einem Spiel unter der Woche gegen einen Zweitligisten auch bei den Feldspielern machen – zumal danach in enger Folge Partien gegen den 1. FC Köln, Ajax Amsterdam und RB Leipzig anstehen. Aber: „Es gibt ein paar Positionen, auf denen das überhaupt nicht drin ist“, meint der Trainer. Zum Beispiel in der Abwehr, wo sich Mats Hummels seit Wochen mit Knieproblemen durch die Begegnungen quält. „Wenn ich Mats eine Pause gebe, kann ich Manuel Akanji keine Pause geben, obwohl der gefühlt schon 5000 Spiele bis hierhin bestritten hat“, erklärt Rose. „Und wenn Manu eine Pause bekommt, kann ich Emre Can keine geben, der gerade aus einer Verletzung kommt. Ein paar Jungs müssen da durch.“
Marius Wolf ist flexibel einsetzbar
Und dazu müssen sich nun Profis aus der zweiten bis dritten Reihe beweisen. Spieler, die sich gar nicht mehr im Kader befänden, wären im Sommer alle Pläne der Verantwortlichen aufgegangen. Spieler wie Marius Wolf. Der 26-Jährige ist fit, das ist in diesen Tagen beim BVB schon ein Argument für einen Platz in der Startelf. Und dazu ist er flexibel einsetzbar. In den ersten beiden Saisonspielen musste er noch draußen bleiben, dann aber kam er meist von der Bank – mal als Rechtsverteidiger, mal im rechten Mittelfeld, mal als Linksaußen. „Innenverteidiger habe ich noch nicht gespielt, das ist auch nicht meine Stärke“, flachste er jüngst. Beim 3:1 in Bielefeld spielte er am Samstag 90 Minuten auf der rechten Seite, was auch heute der Plan sein dürfte.
Bislang spielte Wolf nur sporadisch. Seit er 2018 von Eintracht Frankfurt zum BVB kam, er wurde erst zu Hertha BSC und dann an den 1. FC Köln verliehen. Auch im Sommer wollten ihn die Verantwortlichen abgeben, weil Wolf zwar nur Ergänzungsspieler war, aber nicht wie einer bezahlt wurde. Denn als er 2018 kam, war der BVB in Not: Die Saison zuvor hatte man mit Ach und Krach auf Platz vier abgeschlossen, nun sollten Mentalitätsspieler kommen. Wolf hatte man als einen solchen ausgemacht; zudem brachte er Tempo mit, galt nach einer starken Saison mit Eintracht Frankfurt als möglicher Nationalspieler und war dank einer Ausstiegsklausel für 5 Millionen Euro zu haben – heutzutage ein Schnäppchen. All das schlug sich im Gehalt von rund 5 Millionen Euro nieder.
Trainer Rose freut sich über jeden Spieler im Kader
Doch im Sommer, als Corona den Transfermarkt fast zum Erliegen brachte, kam kein adäquates Angebot. So blieb Wolf – zur Freude von Trainer Rose. „Es war vom ersten Tag an Thema, dass wir bei den vielen Spielen jeden brauchen werden“, sagt der. „Genau in der Situation sind wir jetzt.“ So kann Wolf nun spielen, kann beweisen, dass er mehr ist als ein Ergänzungsspieler.
Doch bei allem Lob macht sein Trainer Rose auch deutlich, dass er lieber heute als morgen wieder den kompletten Kader zur Verfügung hätte. „Dann können wir auch mal über das Thema Belastungssteuerung reden“, sagt er. Vor allem könnte er es dann auch mal umsetzen.