Barcelona. 2017 streikte er sich aus Dortmund weg. Nun ist er wieder auf Konfrontationskurs. Dem Franzosen droht die Entlassung
Gespannte Ruhe – so lässt sich gerade die Stimmung beim FC Barcelona beschreiben. Wo seit Jahren einem Skandal die nächste Volte folgt, geht es aktuell um Ousmane Dembélé. Auch der natürlich ein üblicher Verdächtiger. Doch nachdem der 24-jährige Flügelstürmer vergangene Woche aus dem Aufgebot geworfen worden war und am Wochenende dann die Teamzusammenkunft schwänzte, ist äußerlich alles wieder wie immer: Der Franzose drehte mit der Mannschaft seine Trainingsrunden.
Hinter den Kulissen begann derweil ein letzter Einigungsversuch in der monatelangen Saga um die Zukunft eines Spielers, der 2017 für 105 Millionen Euro Grundtarif (inklusive Zusatzprämien mittlerweile rund 140 Millionen) von Borussia Dortmund geholt wurde. Seither war Dembélé mehr verletzt als gesund, er fiel häufig mit Disziplinlosigkeiten auf und wurde seiner Ablösesumme nie gerecht. Jetzt droht sein Anstellungsverhältnis mit ähnlich viel Polemik zu enden wie in Dortmund, wo er sich den Weg nach Katalonien per Trainingsstreik ebnete. Im Sommer läuft sein Vertrag aus – verlängert er ihn nicht, möchte ihn Barça spätestens zum 31. Januar unehrenhaft entlassen. Seit dem Sommer habe man Dembélé und seinem Agenten Moussa Sissoko immer wieder neue Offerten unterbreitet, klagte Fußballdirektor Mateu Alemany, doch diese seien „systematisch zurückgewiesen“ worden: „Für sein eigenes Wohl wie für das des Klubs muss er so schnell wie möglich gehen.“ Dembélé antwortete in einem langen Social-Media-Post: „Ich werde keiner Art von Erpressung nachgeben.“
Eskapaden und schlechte Ernährung
Insgesamt gebrauchte der verschlossene Franzose zu seiner Rechtfertigung mehr Worte, als er in all den Jahren öffentlich gesprochen hatte. Selbst den Trainern fiel es stets schwer, eine belastbare Kommunikation zu ihm aufzubauen. Geredet wurde immer nur über ihn, seine Disziplinlosigkeiten, seine Eskapaden, die schlechte Ernährung, die chronische Unpünktlichkeit. Da war die Anekdote, als ihn ein Klubmitarbeiter zur Stunde des Vormittagstrainings schlafend auf dem heimischen Sofa vorfand, mit etlichen Kumpels, laufender Playstation und heruntergelassenen Jalousien. Oder die Sache, wie er nach einer Blessur beim Spiel in Bilbao zu ärztlichen Untersuchungen einbestellt war, aber lieber gleich am Flughafen blieb. Angeblich, um zu seiner Mutter nach Rennes zu fliegen. In Wirklichkeit ging es wohl mit dem Bruder in den Senegal. Bei Barça jedenfalls schlug er erst zweieinhalb Tage später wieder auf – mit einer Oberschenkelverletzung, die ihn zu einem Monat Pause zwang.
Mickael Naya, einer der vielen von Dembélé gefeuerten Privatköche – der Verein versuchte immer wieder, seinen Menüplan unter Kontrolle zu bekommen –, berichtete mal aus dem inneren Zirkel: „Ousmane ist ein guter Junge, aber er hat sein Leben nicht im Griff. Er hält sich nicht an Ruhepausen, es gibt keine Struktur in seinem Umfeld.“ Mit ihm allein könne man ihn als „neugierig, aufgeschlossen, höflich“ erleben. Aber er unterliege schlechtem Einfluss. Auch berechtigte Kritiken würden von seiner Entourage weggewischt. „Sie sind reich. Es ist ihnen egal.“
Laut der Zeitung „El Periódico“ forderte Dembélés Seite nun eine Unterschriftsprämie von 30 Millionen Euro, eine Agentenkommission von 15 Millionen und ein Bruttojahresgehalt von 30 Millionen. Und so sehr Dembélé in seinem Post beklagte, über ihn werde seit jeher „schamlos gelogen mit dem einzigen Ziel, mir zu schaden“, so sehr passen solche Berichte halt zu seinem Image. Zu den Anfängen in Rennes, wo er schon als Junior einem Wechsel zu RB Salzburg nachhelfen wollte, indem er dem Trainingslager wegen einer vermeintlichen Gastroenteritis fernblieb – seine Standard-Entschuldigung auch in Barcelona, zuletzt am Wochenende. Und natürlich zu seinem Abgang in Dortmund. Warum ihn Barça bei so viel Ärger überhaupt noch halten will? Um nicht komplett den horrenden Investitionswert von 2017 zu verlieren, sicher. Aber schon auch, weil sie im Verein an den Spieler Dembélé trotz allem noch glauben. Wenn er in dieser Saison mal mitwirken konnte, wettbewerbsübergreifend nur 684 Minuten, machten seine Schnelligkeit und Dribbelstärke sofort einen großen Unterschied aus zu dem sonst schablonenhaften Angriffsspiel des mit Tabellenplatz fünf, Champions-League-Vorrundenaus und nur 40 Toren in 30 Saisonspielen kriselnden Renommierklubs.
Auch Xavi kommt in der Realität an
„Richtig angeleitet, kann er der Weltbeste auf seiner Position sein“, sagte der neue Trainer Xavi bei seiner Vorstellung im November – mit dem Optimismus des Neuankömmlings, dass Dembélé in Barcelona noch etwas zu beweisen habe. Mittlerweile äußert sich Xavi skeptischer, auch er ist in der Realität angekommen: Indikativ und Konjunktiv liegen bei Ousmane Dembélé oft weit auseinander.