Sinsheim. Nico Schlotterbeck überzeugt beim DFB-Debüt trotz eines Patzers. Der Freiburger macht Eigenwerbung – nicht nur fürs Nationalteam.

Dieses Mal waren die Laufwege perfekt synchronisiert: Bundestrainer Hansi Flick war auf dem Weg in jene Ecke der Sinsheimer Arena, in der die TV-Kameras warteten. Da kam ihm Nico Schlotterbeck entgegen, der den Fragemarathon gerade absolviert hatte, weil er nach dem 2:0 (2:0)-Sieg gegen Israel aus guten Gründen ein gefragter Mann war. Flick nahm den 22 Jahre alten Innenverteidiger in den Arm und redete sogleich energisch auf ihn ein. Schlotterbeck lauschte und nickte immer wieder.

Es war nicht schwer zu erraten, worum es in dem Gespräch ging. Nicht um das sehr anständige Länderspieldebüt, dass der Innenverteidiger vom SC Freiburg 93 Minuten lang gezeigt hatte. Sondern um jene Szene in der vierten Minute der Nachspielzeit, als der bis dahin so souveräne Schlotterbeck im eigenen Strafraum mit Ball am Fuß plötzlich in einen Sekundenschlaf fiel und den heranstürmenden Yonatan Cohen übersah. Als er wieder aufwachte, war der Ball weg und der Israeli lag am Boden – umgetreten von Schlotterbeck, der noch versucht hatte, zu reparieren, was nicht mehr zu reparieren war. Weil aber Kevin Trapp den fälligen Strafstoß, getreten von Cohen selbst, abwehrte und weil es ohnehin nur ein Testspiel war, kam Schlotterbeck glimpflich davon.

Nico Schlotterbeck verzückte gegen Israel mit einigen Diagonalbällen.
Nico Schlotterbeck verzückte gegen Israel mit einigen Diagonalbällen. © Unbekannt | firo

Nico Schlotterbeck: "Das war einfach schlecht"

Zu glimpflich – fand zumindest Flick, als in den Fragen der Journalisten sehr viel Lob für den jungen Abwehrspieler durchschimmerte: „Wenn er in einem entscheidenden Spiel so einen Fehler macht, kann man am Ende nicht zufrieden sein“, meinte der Bundestrainer. Und deswegen habe er den jungen Abwehrspieler auch kurz nach Spielende an der Seitenlinie ins Gebet genommen. „Natürlich ging es da um die Situation in der Nachspielzeit“, sagte Flick. „Er hat das aber genauso analysiert wie wir Trainer, das ist schonmal ein guter erster Schritt.

Schlotterbecks öffentliche Analyse seines Blackouts fiel bemerkenswert prägnant aus: „Das war einfach schlecht“, urteilte er. „Ich muss mich bei Kevin bedanken, dass das gut ausgegangen ist.“ Aber mit einigem Recht nahm Schlotterbeck auch für sich in Anspruch, dass nicht alles schlecht, sondern ziemlich vieles ziemlich gut gelaufen war an diesem Samstagabend in Sinsheim. In seinem ersten Länderspiel hatte der Innenverteidiger einen selbstbewussten Auftritt hingelegt. In der Defensivarbeit nur selten gefordert, schnappte er sich dafür im Spielaufbau regelmäßig den Ball, dribbelte einige Male energisch vor bis an den gegnerischen Strafraum – konzentrierte sich sonst aber auf öffnende Pässe.

Mal flogen die hoch und lang über das Feld, mal flach und scharf, und meist genau in den Fuß des Adressaten. Mindestens eine Torvorlage hätte Schlotterbeck verdient gehabt, als er in kürzester Folge erst Timo Werner (35.) und dann Kai Havertz (36.) mit perfekt temperierten Steckpässen ins direkte Duell mit Israels Torhüter Ofir Marciano schickte – doch der blieb jeweils Sieger.

„Er hat trotz seines Fehlers am Ende ein sehr gutes Spiel gemacht“, urteilte dann auch ein gnädiger Bundestrainer. „Er war sehr präsent und aktiv, und es gefällt uns gut, wie er mit sehr viel Vertrauen im Ballbesitz agiert.“ Und diese letzte Aktion sei „hoffentlich eine gute Lektion. Daraus kann er lernen, daraus muss er aber auch lernen.“ Schon vor dem Spiel hatte Flick bemängelt, dass der hochbegabte Innenverteidiger manchmal zu Bequemlichkeit neige, sein Spiel nicht in allen Momenten hochkonzentriert durchziehe. Schlotterbeck ist auch da einsichtig: „Ich habe in meinem Spiel ein paar Dinge, die noch nicht so sind, wie der Trainer sie haben will“, räumte er ein. „Daran arbeite ich.“

Nico Schlotterbeck: Was passiert im Sommer?

Aktuell noch mit seinem Vereinstrainer Christian Streich, der ihn in Freiburg zu einem der interessantesten Abwehrtalente in Deutschland geformt hat. Was aber passiert im Sommer? Erstaunlich unbekümmert hat Schlotterbeck in einer Medienrunde im Nationalmannschaftsquartier in Frankfurt erzählt, dass ein Wechsel im Sommer wahrscheinlich ist – dass er sich aber erst nach Saisonende darum kümmern will. Der FC Bayern wie auch Borussia Dortmund buhlen um den Innenverteidiger, für den der SC Freiburg trotz nur noch einem Jahr Vertragslaufzeit eine Ablösesumme deutlich jenseits der 20 Millionen Euro generieren will.

Sicher ist, dass Schlotterbeck auch über den Sommer hinaus eine Zukunft in der Nationalmannschaft hat, mehr und mehr etabliert er sich als erste Alternative zu Antonio Rüdiger auf dem Posten des linken Innenverteidigers. Eine Rückkehr von Mats Hummels wird damit noch unwahrscheinlicher – das ließ auch eine Aussage Flicks in diesen Tagen erkennen: „Wenn man hinten in der Abwehr Speed hat, ist das immer sehr, sehr gut“, sagte der Bundestrainer. Und Speed zählt bekanntlich nicht zu den Stärken des 33-jährigen Hummels. Die Zukunft im DFB-Team gehört anderen – zum Beispiel Nico Schlotterbeck.