Essen. Italien ist ein würdiger Europameister. Den Engländern einen Erfolg zu gönnen, fiel schwer. Das hatte mit ihren Fans zu tun. Ein Kommentar

Bisher kam es nicht oft vor, dass man schon während des Eröffnungsspiels eines großen Turniers ahnen konnte, bereits den späteren Sieger zu sehen. Als Italien zum EM-Start mit 3:0 über die Türkei hinwegrauschte, war schon all das zu erkennen, was diese Mannschaft danach über Wochen konservieren konnte: Leidenschaft, Offensivgeist, individuelle Klasse und dennoch mannschaftliche Geschlossenheit.

Von wegen Catenaccio. Noch immer sichern die Italiener ihr Spiel mit einer stabilen Defensive ab. Doch der alte Gedanke, dass ein 1:0 völlig ausreicht und mit allen Mitteln verteidigt werden muss, ist überholt. Italien hat mit Begeisterung nach vorne gespielt. Und ist im Finale nach dem frühen Rückstand zurück ins Spiel gekommen. Nur drei Jahre nach der verpassten Qualifikation für die WM lässt sich feststellen: Italien ist ein würdiger Europameister.

Trauriger Schlussakt: Rassistische Beleidigungen gegen drei englische Fehlschützen

Italiens Traum, Englands Trauma. Die englischen Anhänger machten es anderen schwer, ihnen den Erfolg zu gönnen. Das berühmte englische Fair Play muss vor der EM abgeschafft worden sein. Wir erlebten Fans, die bei Hymnen pfiffen, bei gegnerischem Ballbesitz buhten, Spieler mit Laserpointern irritierten und höhnisch jubelten, als auf der Stadion-Leinwand ein weinendes deutsches Mädchen gezeigt wurde. Und die das Schinden von Elfmetern plötzlich gar nicht mehr so schlimm fanden, wenn es dem eigenen Team zum Sieg verhalf.

Besonders traurig war der Schlussakt. Nationaltrainer Gareth Southgate leistete sich den offensichtlichen Fehler, drei junge Spieler, denen er zuvor nicht oder nur wenig vertraut hatte, ins Elfmeterschießen zu schicken. Diese Jungs sahen sich nach ihren Fehlschüssen rassistischen Anfeindungen ausgesetzt. So wurde der Fußball einmal mehr zur Projektionsfläche für große gesellschaftliche Probleme. In diesem Fall sollte aber niemand mit dem Finger auf England zeigen. Rassismus ist ein Übel, das es überall zu bekämpfen gilt.