Bochum. Christian Hochstätter bewertet vor dem Duell zwischen dem VfL Bochum und Borussia Mönchengladbach seine Ex-Klubs. Der 58-Jährige würde gerne ins Fußballgeschäft zurückkehren.
Als er sich am Telefon meldet, ist Christian Hochstätter noch im Urlaub auf Mallorca. Er sagt aber gleich zu Beginn des Gesprächs, dass er natürlich pünktlich zurück sein werde, um an diesem Freitag ins Ruhrstadion zu gehen. Die Partie zwischen dem VfL Bochum und Borussia Mönchengladbach (20.30 Uhr/DAZN) hat für ihn einen ganz besonderen Reiz: Der 58-Jährige sieht ein Duell seiner Ex-Klubs.
Herr Hochstätter, wem drücken Sie die Daumen?
Christian Hochstätter: (lacht) Ich bin da neutral, hoffe auf ein schönes Spiel. Und darauf, dass für die Bochumer und Gladbacher am Ende rumkommt, was sie sich wünschen: dass sie in der Bundesliga bleiben. Ich habe für beide Vereine gearbeitet, drücke beiden die Daumen. Vor allem aber freue ich mich auf das Spiel und die Leute, die ich wiedersehen werde.
Auf wen freuen Sie sich besonders?
Hochstätter: Auf Martin Kree und Jupp Tenhagen, zu denen ich ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis habe. Und auf die Menschen, mit denen ich viereinhalb Jahre in Bochum zusammengearbeitet habe.
Sie kennen Bochum und Gladbach sehr gut. Wie würden Sie die Vereine charakterisieren?
Hochstätter: Beide sind Traditionsvereine, wobei die Borussia natürlich, was die Historie und die Erfolge mit fünf Deutschen Meisterschaften und Legenden wie Günter Netzer oder Jupp Heynckes betrifft, weit vor Bochum liegt. Bochum umgab immer der Mythos der Unabsteigbaren, jetzt ist der Verein wieder da. Dieser Klub im Ruhrgebiet bietet eine besondere Atmosphäre, übt eine spezielle Anziehungskraft aus. Beide Vereine sind sehr beliebt − nicht nur in Deutschland. Sie sind positiv belegt, familiär und bodenständig. Man kann sie deshalb auch gut miteinander vergleichen.
Der VfL war elf Jahre in Liga zwei, ist seit dieser Saison wieder Bundesligist. Was läuft dort jetzt besser als in den vergangenen Jahren?
Hochstätter: Die Bochumer sind verdient und souverän aufgestiegen. Sie haben den Kader im Grunde so zusammengehalten. Dieser Kader erfüllt auf jeden Fall die Erwartungen, übertrifft sie vielleicht sogar ein bisschen. Der Schlüssel liegt dabei in den Heimspielen. Die Entwicklung des VfL Bochum ist sehr erfreulich.
Die Gladbacher hingegen bleiben recht weit hinter den Erwartungen zurück. Woran kann das liegen?
Hochstätter: Das ist aus der Distanz schwer zu beurteilen. Aber es kamen viele Dinge zusammen, auch der Rücktritt von Sportdirektor Max Eberl gehört dazu. Er hatte in den vergangenen Jahren fast alles richtig gemacht, plötzlich verließ ein solch wichtiger Mann den Verein. Vielleicht hatte auch alles schon mit dem Abschied von Trainer Marco Rose begonnen. Max hatte schließlich damals beschlossen, sich von Dieter Hecking zu trennen und mit Marco Rose etwas Neues aufzubauen. Doch er ist relativ schnell wieder gegangen, nach Dortmund.
Sie waren Sportchef in Gladbach, Hannover und Bochum. Können Sie die Entscheidung von Max Eberl nachvollziehen, dass er einfach mal raus wollte aus diesem Geschäft?
Hochstätter: Ich glaube, dass es gut ist, ihn erst einmal in Ruhe zu lassen, wenn er eine Pause haben will. Ich hoffe, dass es Max gut geht und er so gesund ist, dass er demnächst wieder in der Bundesliga tätig sein wird. Die Bundesliga kann ihn nämlich gut gebrauchen. Es geht aber in erster Linie um Gesundheit, alles andere ist zweitrangig. Dass dieses Geschäft nervenaufreibend ist und man sich mal eine Auszeit nehmen will, kann ich nachvollziehen.
Max Eberls Nachfolger Roland Virkus ist seit 1990 bei der Borussia tätig, kennt diesen Verein in- und auswendig. Ist er die richtige Wahl?
339 Bundesliga-Spiele für Gladbach
Christian Hochstätter, geboren am 19. Oktober 1963 in Augsburg, wechselte 1982 vom FCA zu Borussia Mönchengladbach. Im Trikot der Fohlen absolvierte der defensive Mittelfeldspieler 339 Bundesliga-Spiele, in denen er 55 Tore erzielte. 1987 bestritt Hochstätter zwei A-Länderspiele, 1995 gewann er mit Gladbach den DFB-Pokal.Er war Sportdirektor bei der Borussia und bei Hannover 96 sowie Sportvorstand beim VfL Bochum. Jüngst hat er mit seiner Tochter und seinem Sohn die Marketing-Agentur „Hochstätter GmbH“ gegründet. „Wir arbeiten gerade an unserem eigenen Online-Auftritt und haben die ersten Anfragen für richtig spannende Projekte“, sagt er.
Hochstätter: Es steht mir nicht zu, das zu bewerten oder zu kommentieren. Ich kenne Roland relativ gut. Als ich noch Sportdirektor war, wurde er Trainer der U15. Er hat dann seinen Weg gemacht vom Jugendchef zum Sportdirektor. Ich wünsche ihm sehr, dass es für ihn erfolgreich läuft. Ich traue ihm das zu.
Gladbach war mit Europapokal-Ambitionen in die Saison gestartet, belegt aber aktuell nur Rang 13. Wie schätzen Sie die Fähigkeiten des Kaders ein?
Hochstätter: Die Mannschaft hat die Qualität, unter den ersten Fünf zu spielen. Diese Qualität, die sie aus meiner Sicht zuletzt beim 2:0 gegen Hertha BSC gezeigt hat, hat sie in dieser Saison zu selten auf den Platz gebracht. Ich habe einige Spiele gesehen. Für mich verteidigen die Gladbacher nicht gut genug. Sie haben viel zu viele Gegentore bekommen und müssen als Kollektiv einfach bessere Defensivarbeit leisten. Ich hoffe, dass Gladbach mit dem Blick auf die Abstiegsränge nicht noch einmal in die Bredouille kommt. Auf die internationalen Ränge wird in dieser Saison aktuell sicherlich niemand mehr schauen.
Sie mussten Bochum 2018 verlassen, als der VfL im Zweitliga-Abstiegskampf steckte. Damals gab es auch viel Kritik an Ihnen. Wie sind Sie generell während Ihrer Laufbahn mit Kritik umgegangen?
Hochstätter: Grundsätzlich ist sie ja nichts Negatives. Wenn jemand einen anderen kritisiert, zeigt dies ja erst mal, dass er sich für ihn interessiert und ihm vielleicht auch helfen will. Wenn es darum geht, jemandem zu schaden, ist das etwas anderes. Aber wer in diesem Job arbeitet − ob als Trainer, Spieler oder Manager − muss wissen, was auf ihm zukommt. Jeder verarbeitet das anders: Der eine lässt es mehr an sich heran, der andere weniger. Für mich war es nicht einfach, als ich zum ersten Mal ausgepfiffen wurde oder ,Hochstätter raus’ gerufen wurde. Das war in Mönchengladbach der Fall, am Ende auch in Bochum. Aber ich habe schnell festgestellt, dass das Leben danach auch weitergeht.
Zwischenzeitlich waren Sie auch als Berater tätig.
Hochstätter: Ich habe das sechs Monate gemacht, weil ich Zeit hatte und dachte, es schadet mir nicht, diese Seite kennenzulernen. Ich war ja schon Spieler, hatte einen Trainerschein gemacht und im Management gearbeitet. Es hat mir Spaß bereitet, als Spielerberater am Tisch zu sitzen. Ich habe auch viel gelernt. Die oftmals negative Beurteilung vieler Spielerberater finde ich falsch. Ich habe in den 20 Jahren, in denen ich als Sportdirektor oder Sportvorstand unterwegs war, überwiegend nette, sympathische und auch gute Berater sowie Manager kennengelernt, die die Interessen ihrer Spieler vertreten haben. Natürlich wird da auch viel Geld verdient. Aber diese Branche ist bei weitem nicht so schlecht wie ihr Image.
Würden Sie gerne noch einmal ins Fußballgeschäft zurückkehren?
Hochstätter: Ja, das würde ich machen, wenn die Aufgabe interessant ist, wenn ich in ihr erkennen würde, dass man etwas entwickeln und weiterbringen kann. Falls ein attraktives Angebot kommt, würde ich auf jeden Fall gerne darüber reden.
Reden wir noch einmal über das Spiel am Freitagabend: Haben Sie einen Tipp?
Hochstätter: Ich erwarte ein gutes Spiel − und glaube, dass die Gladbacher es gewinnen werden.