Frankfurt. Neues Jahr, neue Herausforderungen für die Fußball-Nationalmannschaft. Die EM-Qualifikation beginnt. Sorgen bereitet der Nachwuchsbereich.

Es war ein ungemütlicher Novemberabend, als sich Toni Kroos eine blau-weiß gestreifte Strickmütze zum Abgang aus der Arena auf Schalke übergestülpt hatte. Ein letztes Statement sollte der Dauergewinner von Real Madrid zu diesem vermaledeiten Länderspieljahr abgeben, und das fiel dem Taktgeber der deutschen Nationalmannschaft nicht schwer, nachdem die deutsche Nationalmannschaft beim 2:2 vor nicht ausverkauftem Haus einen 2:0-Vorsprung gegen die Niederlande verspielt hatte.

Leichtgewichte in EM-Qualifikation

„Wir hätten das Erfolgserlebnis ein Stück weit gebraucht. Wenn es in der 85. Minuten 2:0 steht, muss es reichen. Diese zwei Aktionen passen hervorragend zu diesem Jahr.“ Auch Joachim Löw hatte in Gelsenkirchen gemeint, dass das unschöne Ende – womit die DFB-Auswahl aus der A-Kategorie der Nations League ohne Sieg abstieg – sich in ein „enttäuschendes Jahr“ fügte.

Gleichwohl: Viel mehr Unmut ließ der Bundestrainer beim Jahresabschluss nicht zu. Sondern der 58-Jährige konstatierte tapfer: „Mein Gefühl sagt mir, dass wir auf einem guten Weg sind, um wieder erfolgreichen Fußball zu spielen.“ Es brauchte vor allem Löw’sches Bauchgefühl, um solch unerschütterlichen Optimismus fürs neue Jahr vorzuleben.

Wie positiv sind wirklich die Perspektiven für eine DFB-Auswahl, die sich im Fifa-Ranking hinter Uruguay, Schweiz und Dänemark, hinter Kolumbien, Chile oder Schweden wiederfindet? DFB-Boss Reinhard Grindel findet, in den Länderspielen gegen Russland (3:0) und die Niederlande (2:2) habe sich „eine Mannschaft mit einem neuen Gesicht präsentiert, die attraktiven Fußball spielen will. Deswegen können wir selbstbewusst in die Qualifikation zur EM 2020 gehen.“

Die Zulassung zur Endrunde hatte Löw bereits versprochen, ehe die Lose gezogen waren, und nach der Prozedur in Dublin am 2. Dezember durfte sich der Fußballlehrer bestätigt fühlen. Bis auf die Niederlande, auf die Deutschland gleich im ersten Qualifikationsspiel am 24. März 2019 in Amsterdam trifft, sind nur Leichtgewichte in der Fünfer-Gruppe. Weder Nordirland (Weltranglistenplatz 35) und erst recht nicht Weißrussland (76.) und Estland (96) dürften zum Stolperstein werden.

Zumal sich der Gruppenerste und –zweite direkt für die EM 2020 qualifizieren. Eingedenk der recht komfortablen Konstellation will Löw sich „zwei wichtigen Themen“ gleichzeitig widmen: „Die Qualifikation schaffen und den jungen Spielern Raum geben, um sich zu entwickeln, ihnen langsam Verantwortung übertragen mit Blick auf 2020.“ Dieser Spagat sei nicht allzu schwierig. Vom EM-Titel redet der 58-Jährige tunlichst (noch) nicht.

Schlüsselrollen bei der Langzeitentwicklung kommt den Jahrgängen 1995/1996 zu. Joshua Kimmich, Niklas Süle, Thilo Kehrer, Leon Goretzka, Timo Werner, Leroy Sané oder Julian Brandt sind gemeint. Und dann ist da ja auch noch Kai Havertz. Bei dem erst 19 Jahre alten Leverkusener handelt es sich jedoch um eines der seltener gewordenen Toptalente im deutschen Fußball.

Denn die Personaldecke für den Spitzenbereich wird die nächsten Jahre dünner. Borussia Dortmunds Manager Michael Zorc betonte kürzlich, dass auf jeden guten deutschen Spieler heute zwei Franzosen, zwei Engländer und zwei Spanier kämen. Im Nachwuchsbereich tun sich nicht nur Lücken auf den Problempositionen wie den Außenverteidiger oder bei den Mittelstürmern auf, sondern grundsätzlich wird es in den kommenden Jahren an Qualität fehlen.

Auch Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff, der mit seiner Direktion Nationalmannschaften und Akademie im neuen Jahr eigene Bürogebäude in Frankfurt bezieht, sieht raschen Handlungsbedarf. „Wir wollen in allen Bereichen zurück an die Weltspitze. Für die Zukunft stellen wir alles infrage.“ Dabei geht es um ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die bis zur Basis reichen. Konkrete Vorschläge will seine Abteilung bis Februar machen, um letzten Endes die Wettbewerbsfähigkeit der Nationalmannschaft zu erhalten.

Erster DFB-Gegner im Jahr 2019 ist Serbien

Zunächst beginnt das neue Länderspieljahr am 20. März mit einem Freundschaftsspiel gegen Serbien. Ursprüngliche Wünsche von Löw, gegen Argentinien oder Brasilien zu testen, waren nicht zu realisieren. Gespielt wird gegen den WM-Teilnehmer in Wolfsburg, was eine Verbeugung vor dem neuen Generalsponsor der Nationalmannschaft darstellt, den künftig der Automobilkonzern VW und nicht mehr Mercedes-Benz bildet. Mittelklassewagen statt Luxuskarosse – irgendwie kennzeichnet diese Veränderung ungewollt den Wertverfall der Nationalmannschaft im Jahr 2018.