Essen.. Viele langjährige Bundesliga-Profis haben nach der vergangenen Saison keinen neuen Vertrag mehr erhalten und sind jetzt arbeitslos. Dabei geht es nicht nur um bekannte Namen wie Ballack, Jarolim, Rosenberg oder Zidan. Sondern auch um diejenigen, die sich im Camp der Spielergewerkschaft fit halten für einen neuen Job.

Man kommt rum in der Welt, zumal als Fußballer. Nächste Woche macht sich ein buntes Trüppchen auf den Weg nach Österreich. Da werden sie in ein paar Testspielen wie um ihr Leben laufen, aber irgendwie geht es ja genau darum: um ihr Leben als Profi-Fußballer.

Es werden um die 20 Kicker sein, man könnte sie etwas zynisch den „FC Arbeitslos“ nennen. Sie treten an als Mannschaft, aber jeder spielt vor allem für sich. Es sind Profis, die in diesem Sommer durch den Rost gefallen sind. Zu alt, zu grün. Nicht mehr oder noch nicht gefragt. Sie trainieren in der Sportschule Wedau in der Obhut der VDV, der Vereinigung der Vertragsfußballer, was ein etwas sperriger Name für eine Art Spielergewerkschaft ist. Sie laufen und leben einen Sommer lang in der Hoffnung, den Fuß zurück in die Tür zu bekommen. Denn die meisten von ihnen können es sich nicht leisten, aufzuhören. Sie haben es nicht so gut wie die Handvoll Branchen-Größen, die im Moment ohne Verein ist, ehemalige Nationalspieler wie Michael Ballack oder Thomas Hitzlsperger, bei denen es nicht darum geht, ob sie noch einen Vertrag bekommen. Sondern nur wann und vor allem: für wie viel.

Ein Blick auf die schönen und die schlimmen Seiten eines Sommers beim FC Arbeitslos.

Stars ohne Job: Man bekommt in diesen Tagen mühelos eine starke Elf voller bekannter Spieler zusammen (siehe Tabelle), die ohne Verein sind. Andreas Hinkel, Chris, Khalid Boulahrouz, David Jarolim oder Mohamed Zidan, natürlich Michael Ballack: Sie alle sind jenseits der 30, sie alle würden in der Bundesliga zusammen wohl nicht in Abstiegsgefahr kommen. Sie alle sind aber auch gestandene Profis, die bis zuletzt das große Geld verdient haben. Und jetzt? Vereinslos. Arbeitslos. Aus der A-Klasse zur Arbeitsagentur.

Vereine sparen am Gehalt

Mohamed Zidan
Mohamed Zidan © Unbekannt | Unbekannt
Khalid Boulahrouz
Khalid Boulahrouz © Unbekannt | Unbekannt

Warum nur? „Bei so einem Kreis kommen drei Komponenten zusammen“, sagt einer der seriösen Berater der Branche, zu dessen Klientel auch Nationalspieler gehören. „Wer erstens jahrelang auf höchstem Niveau verdient, hat sich daran gewöhnt und will oft nicht einsehen, warum es damit vorbei sein soll. Zweitens ist es so, dass fast alle Vereine aufgewacht sind. Im Fußball wird gespart. Bis 2007 haben die Spieler häufig bestimmt, was gespielt wird. Jetzt sind es die Vereine. Nur die richtig guten Jungs werden immer ihre Preise erzielen, darunter sieht es nicht mehr so gut wie früher aus.“

Wer dauerhaft raus ist, hat ein Problem

Und drittens? „Sehen wir die Kehrseite der Talentförderung“, so der Berater, „es kommen immens viele Talente nach, für die der Fußballmarkt in den oberen Ligen gar nicht genug Stellen bietet.“ Wer dann dauerhaft raus ist, glaubt dieser Berater, hat oft ein Problem: „Ich glaube, nur 20 Prozent aller Profis haben nach der Karriere ausgesorgt.“

Furcht vor dem Abstieg: Das ist eine Zahl, der VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky widerspricht. „Es sind eher zehn Prozent, die von ihrer Zeit als Profi leben können. Ein Viertel ist pleite, der Rest steht mehr oder weniger gut dazwischen.“ Bei denen, die es nicht geschafft haben, in ihren rund 15 Jahren als Profi genug Geld zu verdienen oder die es nicht zusammen halten konnten, kommen immer wieder die gleichen Gründe zusammen. Zum einen ist das Gros der gut 1300 Profi-Spieler in Deutschland weit von den Millionen-Einkünften der Stars entfernt.

Schlechte Berater, falsche Freunde

Man sagt, ein durchschnittlicher Bundesliga-Spieler verdiene im Monat um die 35 000 Euro Grundgehalt. In der 2. Liga sollen es 7000 bis 15 000 Euro sein, in der 3. Liga zwischen 3000 und 6000. Das reicht für ein schönes Leben, aber es reicht nicht für ein langes schönes Leben. Dazu kommen persönliche Fehler: Zu hohe Ausgaben, schlechte Berater, falsche Freunde, windige Einflüsterer. „Wenn’s dann nach der Karriere auf den Arbeitsmarkt geht, kommt das dicke Ende nach. Drei Viertel aller Profis“, sagt Baranowsky, „haben keine abrufbare berufliche Qualifikation vorzuweisen.“ Heißt: Wer früher mal eine Lehre gemacht und dann zwölf Jahre als Profi gespielt hat, hat kaum eine Chance.

Unbequeme Wahrheiten

Hilfe vom Fachmann: Auf der Visitenkarte von Frank Günzel steht „Laufbahnberater“. Der VDV arbeitet mit ihm zusammen, „wer in unserem Camp dabei sein will“, sagt Ulf Baranowsky, „muss sich seine unbequemen Wahrheiten anhören.“ Günzel vermittele psychologische Betreuung, juristische Beratung. Es geht um einen Plan B. Günzel rede mit Spielern darüber, es doch auch mal eine Klasse tiefer zu versuchen, dafür aber eine Ausbildung zu beginnen. „Ausbildung ist alles“, nickt Baranowsky.

Traum vom nächsten Vertrag: Trotzdem sieht der VDV sein jährliches Sommer-Camp, in dem die Profis dieses Mal bis Ende September vom ehemaligen Bundesliga-Torwart Ralf Zumdick trainiert werden, in erster Linie als Sprungbrett. Im Vorjahr machte Sven Neuhaus mit, er kam aus der 3. Liga, kam dann überraschend noch beim Hamburger SV unter und gab mit 34 Jahren sein Bundesliga-Debüt. In diesem Jahr kickt Christian Rahn an der Wedau. Er war unter Rudi Völler mal Nationalspieler, er spielte zuletzt für den Bundesliga-Aufsteiger Greuther Fürth. Aber Rahn ist 33, er beklagt den „Jugendwahn“ in vielen Vereinen. Nun rennt er für den nächsten Vertrag, Rahn lebt, wie Baranowsky es nennt, „in einer Komfortzone.“ Er hat Reserven, er kann warten. Rahn ist typisch für eine Gruppe, die ohne Job da steht. Spieler jenseits der 30, im Herbst der Karriere. Die anderen sind die 24-Jährigen, die aus den U23-Mannschaften der großen Vereine heraus gewachsen sind und nichts finden.

Sie alle kicken nun an der Wedau. Nächste Woche geht’s auf Tour. Österreich. Siegen mit dem FC Arbeitslos.

Alles für den neuen Job.

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