Essen. Michael Mronz will Olympia 2032 an Rhein und Ruhr holen. Der Initiator konkretisiert im Interview seine Vorstellungen für ein Olympisches Dorf.
Digitalisierung, Mobilität, Nachhaltigkeit – Michael Mronz sind diese Schlagwörter wichtig. Der 53 Jahre alte Sportmanager aus Köln macht sich intensiv Gedanken um das Nordrhein-Westfalen von morgen. Der Kongress #neuland im Duisburger Landschaftspark Nord, bei dem heute und morgen Interessierte virtuell und kostenfrei (Anmeldung hier) unter anderem den Ideen von Wirtschaftsgrößen wie Ola Källenius (Daimler), Hannes Ametsreiter (Vodafone) und Ralf Martin Schmitz (RWE) zuhören können, behandelt die Themen.
Mronz verknüpft diese Themen als Gründer einer Privat-Initiative zudem mit dem Ziel, die Olympischen Spiele 2032 an Rhein und Ruhr zu holen. 14 Kommunen, darunter Essen, Duisburg, Düsseldorf, Dortmund und Köln, sind mit ihren Sportstätten für die Wettkämpfe vorgesehen. Ende 2021, spätestens 2022 soll es eine Bürgerbefragung geben, dann soll auch das Budget erstellt sein.
Herr Mronz, die Olympischen Spiele sind verschoben in das nächste Jahr. Werden Sie 2021 nach Tokio reisen, um noch mal vor Ort Anregungen für die Rhein-Ruhr-City-Bewerbung zu bekommen?
Michael Mronz: Das hängt von den äußeren Rahmenbedingen ab, von den Reisemodalitäten und Kapazitäten in den Stadien. Die Priorität liegt bei den Sportlern, Trainern und Betreuern. Wenn darüber hinaus noch die Möglichkeit besteht, wäre es sicher sinnvoll, vor Ort zu sein. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt.
Welchen?
Michael Mronz: In einer Phase, in der man überlegt, in eine Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele zu gehen, blickt man sehr differenziert auf die Dinge. So zum Beispiel auch auf die Medialisierung: Es ist wichtig zu sehen, wie diese strukturiert ist, und zu lernen, wie Medienhäuser und Fernsehanstalten aufgrund von Corona neue Redaktions- und Übertragungskonzepte konzipieren. Daher könnte es auch klug sein, nicht in Japan, sondern in Europa zu sein und sich hier damit zu beschäftigen.
Beim Kongress #neuland geht es um ökologisch und ökonomisch nachhaltige Zukunftsvisionen. Diese gewinnen in den gerade außergewöhnlichen Zeiten für die Bevölkerung an Bedeutung, aber auch für den Sport.
Michael Mronz: Wichtig wird sein, jetzt nicht den Fehler zu machen und zu sagen: Wir haben keine Zeit, die Zukunft zu gestalten, denn wir haben jetzt Corona. Sonst werden wir eines Tages wach und merken, dass wir die Chancen für wichtige Zukunftsvisionen nicht oder nicht ausreichend genutzt haben. Es wird aktuell viel über die Digitalisierung in den Schulen diskutiert – auch schon vor fünf oder zehn Jahren. Wenn wir vor fünf Jahren gewusst hätten, dass solch eine Pandemie kommt, würde die Digitalisierung in den Schulen heute sicherlich anders aussehen. Deutschland ist nicht arm an Ideen und Visionen, Deutschland ist arm an Zieldaten, um etwas bis zu einem konkreten Zeitpunkt umzusetzen. Die U-Bahn in München rund um die Olympischen Spiele 1972 lässt in diesem Kontext grüßen. Ein Zieldatum zu haben, ist sehr hilfreich. Das kann auch 2032 sein, weil es dann durch die Spiele unverrückbar ist. Diesem Datum zentrale Themen, von denen sich die Menschen Antworten für die Zukunft erwarten, wie Nachhaltigkeit, vernetzte Mobilität und Digitalisierung unterzuordnen, würde der ganzen Entwicklung und der gesamten Metropolregion einen immensen Beschleunigungsprozess ermöglichen. Das wollen wir auch auf dem Kongress #neuland zeigen, zu dem sich jeder interessierte Bürger virtuell kostenlos einklinken kann.
Inwiefern beeinflusst die Corona-Pandemie Ihre Arbeit?
Michael Mronz: Die Arbeit im Team selbst gar nicht, also die Erstellung eines Budgets, die Fragen nach dem Olympischen Dorf und dem Leichtathletikstadion, die Bürgerbefragung – da haben wir keine Zeit verloren. Einzig den intensiven Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern haben wir so nicht fortführen können. Es gab bislang weit über 200 Dialogveranstaltungen, denn am Ende soll es ein Konzept aus der Mitte der Gesellschaft, ein Konzept der Menschen sein, die an Rhein und Ruhr leben. Am Ende sind die gesamte Metropolregion sowie ganz Deutschland 2032 Gastgeber.
Es gab die Verschiebung der Spiele in Tokio und damit verbunden hohe Kosten. Befürchten Sie Auswirkungen auf die Haltung der Bevölkerung gegenüber Riesenevents, dass die Bürger an Rhein und Ruhr sagen: Wir haben ganz andere Sorgen?
Michael Mronz: Ich teile Ihre Bedenken zu einhundert Prozent. Gerade deswegen ist es aber auch wichtig, an dieser Stelle aufzuzeigen, dass es gerade jetzt darum geht, die Zukunft anzugehen. Corona hat uns aufgezeigt, wo wir Defizite haben. Wir haben uns natürlich auch damit beschäftigt, ob es Sinn macht, das Thema Olympia 2032 weiterzuverfolgen. Aber genau das wollen wir mehr denn je. In dem Zieldatum 2032 besteht eine Riesenchance. Es geht nicht um die Spiele an sich, die sind am Ende des Tages nur die Dividende. Uns geht es um den Weg dorthin, darum, zentrale Fragen, auf die sich die Menschen Antworten erhoffen und bei denen sie wissen wollen, was sie davon haben, mit einem Zieldatum zu versehen und ihre Umsetzung zu beschleunigen. Das gilt während der Corona-Zeit, aber auch davor und umso mehr danach.
Wir müssen noch einmal nachhaken, denn man hat ja schon das Gefühl, dass sich der Blick der Gesellschaft verändert hat. Großveranstaltungen sind ein Tabu, die Menschen wollen sie, sie sind aber ein Ding der Unmöglichkeit. Könnte sich dadurch die Bewertung des Sinns von Olympischen Spielen hier im Land verschieben?
Michael Mronz: Wir können jetzt nicht sagen: Wir hören auf, an Ideen zu arbeiten, und bleiben zu Hause, bis die Pandemie vorbei ist. Es geht genau jetzt darum, in die Hände zu spucken und die Themen einer Nach-Corona-Zeit anzugehen. Wenn man sie irgendwann erfolgreich umsetzen muss, ist es wichtig, dass man sie jetzt sehr fokussiert verfolgt. Wir wollen einen Wandel mit einem konkreten Datum versehen, um daran gezielt zu arbeiten und nicht, um zu sagen: Wir haben eine Idee, die wird dann aber verschoben, weil heute ein Haushalt diese Idee nicht zulässt, morgen eine Pandemie und übermorgen wieder ein Haushalt, weil es davor eine Pandemie gab. Es geht um die Gestaltung der Zukunft.
Sie wollen Ende 2021, spätestens Anfang 2022 die Bürger befragen, ob sie für Olympische Spiele an Rhein und Ruhr sind.
Michael Mronz: Das Verfahren wird noch abgestimmt mit der Landespolitik und den Kommunen. Dem Deutschen Olympischen Sportbund, mit dem wir uns auf eine gemeinsame Zeitschiene verständigt haben, ist wichtig, dass in allen Kommunen am selben Tag und mit der gleichen Fragestellung abgestimmt werden soll. Bis zum Referendum wird Rhein Ruhr City weiterhin eine Privatinitiative bleiben.
Soll nur in den 14 betroffenen Kommunen oder landesweit abgestimmt werden? Und was passiert, wenn in einzelnen Kommunen das Votum negativ, es mehrheitlich aber positiv ausfällt?
Michael Mronz: Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich den Ergebnissen der Gespräche nicht vorweggreifen will. Es kann ja dazu kommen, dass Kommunen, die derzeit noch nicht im Plan berücksichtigt sind, aber ebenfalls über eine entsprechende Infrastruktur verfügen, auch eine Bürgerbefragung durchführen wollen. Für den Fall, dass, wie von Ihnen angesprochen, eine bisher vorgesehene Kommune Olympia nicht möchte. Wichtig ist, dass nicht die Politik und Sportpolitik, sondern ein Konzept zur Abstimmung steht. Und in der Fragestellung geht es nicht darum, ob wir uns um Olympia bewerben sollen, sondern ob uns die Menschen das Vertrauen schenken, den Weg weiter zu gehen und in einen offiziellen Dialog- und Evaluierungsprozess mit dem Internationalen Olympischen Komitee zu gehen. Mir ist dabei eine Sache sehr wichtig.
Welche?
Michael Mronz: Dass der Dialog mit dem IOC auf Augenhöhe stattfindet. Dass, wenn man am Ende einen Vertrag mit dem IOC zur Durchführung von Olympischen Spielen abschließt, dieser Vertrag fair für beide Seiten ist. Wenn wir auf dem Weg dahin feststellen, dass sich die Agenda 2020 des IOC in eine andere Richtung entwickelt oder wir das Budget, das wir noch vor der Bürgerbefragung öffentlich machen wollen, nicht halten können aufgrund verschobener Parameter, dann muss man auch das Rückgrat haben, den Stecker zu ziehen, und zu sagen, dass man für eine Bewerbung nicht mehr zur Verfügung steht.
Sie wollen die Menschen mit Konzepten sowie Fakten begeistern und überzeugen. Eine wichtige, noch offene Frage ist die nach dem Olympischen Dorf.
Michael Mronz: Wir werden in den nächsten Wochen die Kommunen konkret ansprechen, die geographisch in Betracht kommen. Laut Vorgabe des IOC soll das Olympische Dorf 50 Kilometer oder 60 Minuten von den Sportstätten entfernt sein. Es gibt vereinzelt Ausnahmen, die Wettkampfstätte für Reiter zum Beispiel ist häufig außerhalb dieses Radius‘. Uns ist es aber wichtig, dort zu schauen, wo ein Wohnraummangel besteht. Es geht nicht darum, ein Olympisches Dorf zu erstellen. Ein neues Wohnquartier soll nach Fertigstellung für einen Zeitraum von fünf, sechs Monaten für die Sportler genutzt werden und danach ganz normal als eine Smart City der Zukunft der Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Die Kommunen würden also Bauprojekte entwerfen sowie umsetzen und Ihnen dann für die vorübergehende Nutzung als Olympisches Dorf eine Rechnung stellen?
Michael Mronz: Genau, denn die ökologisch und ökonomisch sinnvolle Nachnutzung ist der zentrale Ausgangspunkt aller unserer Planungen. Es geht um eine Fläche von 50 Hektar, auf der 17.500 Personen untergebracht werden müssen. Sie haben hinterher aber gar nicht so viel Bedarf an Zwei-Zimmer-Wohnungen wie für Olympia benötigt. Man muss also einen Umbau mit einplanen. Aus den Gesprächen wissen wir, dass wir drei, vier Optionen für Standorte haben werden.
Das grenzt die Region für ein Olympisches Dorf ja schon beträchtlich ein.
Michael Mronz: Natürlich. Dortmund oder Aachen werden geographisch mit dem Radius 50 Kilometer nicht in Betracht kommen. Es kann auch sein, dass eine Kommune, die im aktuellen Sportstättenkonzept bisher keine Berücksichtigung gefunden hat, für das Dorf infrage käme.
Wird es dann mehrere Standorte für ein Olympisches Dorf geben oder nur einen?
Michael Mronz: Wir erstellen ein Regionenkonzept, 90 Prozent aller benötigen Sportstätten für die Spiele sind dafür bereits heute vorhanden, aber es wird wichtig sein, ein zentral gelegenes Olympisches Dorf zu haben, um an einem Ort den Sportlern dieses besondere Gefühl der Spiele zu vermitteln. Eine Bewerbung mit mehreren Olympischen Dörfern wäre meiner Ansicht nach international chancenlos.
Bleibt noch der Standort des Leichtathletikstadions, für das es ja auch mehrere Ideen gibt. Zum Beispiel die Nutzung eines Arena-Neubaus eines Fußball-Bundesligisten. Herr Mronz, Sie sind ja seit wenigen Wochen im Beirat des 1. FC Köln…
Michael Mronz: Das hat sich sportlich noch nicht ausgewirkt, ist aber auch nicht der Grund meines Eintritts gewesen (lacht). Beim Leichtathletikstadion gibt es tatsächlich noch keine Entscheidung. Die temporären Kosten dafür sind aber im Budget des Organisationskomitees eingeplant.
Welche Kosten sind noch im Budget vorgesehen?
Michael Mronz: Ab dem Zeitpunkt des Zuschlags gehören alle Kosten zur Durchführung bis hin zum Ende der Spiele und zur Rückabwicklung der Gesellschaft zum OCOG-Budget dazu: der Transport und die Verpflegung der Sportler, Ausstattung der Wettkampfstätten, Sicherheitsmaßnahmen rund um die Wettkampfstätten und so weiter. Und eben auch die Kosten für alle temporären Aufbauten. So auch ein Becken für Schwimmwettbewerbe auf Schalke: Das Stadion ist vorhanden, das Geld für den temporären Einbau eines Schwimmstadions, wie es international schon oft eingesetzt wurde, fiele dann in dieses Budget.
Sie hätten dann eine Lösung für das Olympiastadion noch vor der Bürgerbefragung, um das endgültige Budget vorstellen zu können?
Michael Mronz: Nein. Wir wollen das Budget nach den Gesprächen mit der öffentlichen Hand präsentieren. Denn das war ja bei der gescheiterten Bewerbung in Hamburg ein zentrales Problem, dass man mit einer offenen Finanzierungsfrage in den Bürgerentscheid gegangen ist. Das wollen wir auf keinen Fall. Wir berücksichtigen in unseren Planungen erst einmal die Kosten für ein komplett temporäres Leichtathletikstadion – denn das ist die teuerste Lösung. Auf dem Weg hin bis zu einer finalen Entscheidung des IOC über die Vergabe der Spiele wollen wir flexibel bleiben, ob es kostengünstigere Alternativen gibt.
Die Idee dahinter ist also, dass anders als bei sonstigen Großprojekten die Kosten nicht nachträglich steigen können, sondern es vielleicht sogar noch günstiger wird.
Michael Mronz: Dass es billiger wird, kann und will ich heute nicht sagen. Ich werbe aber um Vertrauen. Deshalb ist mir noch mal wichtig zu sagen: Wenn wir im Dialogprozess mit dem IOC feststellen, dass wir das Budget nicht einhalten können, weil sich die Rahmenbedingungen verändert haben, muss man auch sagen können: Dann steigen wir aus. Diese Ehrlichkeit ist mir sehr wichtig. In meinem bisherigen Mitwirken bei anderen Großveranstaltungen wie der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin oder der Reit-WM und -EM in Aachen oder dem Americas Cup war es immer mein Ziel, ein Budget zu erstellen, das Anspruch hat, auch kritischen Rückfragen Stand zu halten. Das haben wir bisher immer einhalten können und am Ende besser gewirtschaftet als geplant.
In diesem Budget finden sich aber keine Kosten für den Bau oder die Renovierung von bestehenden Sportstätten.
Michael Mronz: Nein, sie sind deshalb nicht berücksichtigt, weil diese Sportstätten schon heute in einer wöchentlichen, monatlichen, jährlichen Nutzung sind. Das heißt übersetzt: Die Reitanlage in Aachen war schon vor 20 Jahren die Nummer eins der Welt. Seitdem wurden 50 Millionen Euro investiert – aber nicht wegen möglicher Olympischer Spiele 2032, sondern weil wir auch heute die Nummer eins sein wollen. Deshalb muss man in Infrastruktur investieren. Wenn im Stadion von Borussia Dortmund 2024 EM-Spiele ausgetragen werden sollen, ist es wichtig, dass das Stadion modern ist. Und wenn es ein neues Verkehrskonzept braucht, dann nicht für die Spiele 2032, sondern weil der BVB dort alle zwei Wochen spielt. Gleiches gilt für die Veltins-Arena als Multifunktionsstadion.
Handelt es sich dann trotzdem insgesamt um eine Summe, um die es zuletzt in Hamburg ging?
Michael Mronz: In Hamburg hieß es anfangs, das Budget betrüge 3,5 Milliarden Euro. Dann waren es 6,8 Milliarden, am Ende 11,6 Milliarden. Was war passiert? Die 3,5 Milliarden Euro waren das ursprüngliche Organisations-Budget, das auch wir erstellen. Dann aber kamen in Hamburg sämtliche Infrastrukturthemen rund um Sportstätten oder Verkehr dazu, es sollten dort auch Wettkampforte für Olympia neu gebaut werden. Das ist bei uns ja genau anders. Unser Job ist, ein klar nachvollziehbares Budget zu erstellen. An diesem möchten wir gemessen werden. Die anderen Investitionen sind unabhängig von Olympischen Spielen notwendig, um wettbewerbsfähig und attraktiv zu bleiben.
Wann werden Sie mit der Kalkulation fertig sein?
Michael Mronz: Wir werden von unserer Seite aus das Budget Ende des Jahres erstellt haben. Uns begleiten dabei auch externe Partner. Das Budget wird vorgestellt, wenn wir mit Bund und Land alle relevanten Finanzfragen geklärt haben. Sollte man nämlich wie in Hamburg eine Situation haben, in der der Bund vorher nicht abgeholt ist und dann sagt, das sei aber noch alles ungeklärt, würde es keinen Sinn machen, Rhein Ruhr City 2032 weiter zu verfolgen.