Kreta. Diskus-Olympiasieger Robert Harting hat den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dessen Präsidenten Thomas Bach scharf kritisiert. Harting fühlt sich ungerecht behandelt.
Diskus-Olympiasieger Robert Harting hat den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dessen Präsidenten Thomas Bach scharf kritisiert. "Mir geht auf den Senkel, dass es eine extreme Diskrepanz zwischen Ausführern und Entscheidern gibt. Ein Bach weiß nicht, was ein Julius Brink tut", sagte Harting im Gespräch.
"Die Versickerung, die Verteilung des Geldes ist undurchsichtig. Da hat der Deutsche Olympische Sportbund einiges zu tun, man muss selbstkritisch mit sich umgehen. Ich hoffe, dass sich wirklich etwas ändert, sonst geht das alles gegen den Baum."
Harting fühlt sich ungerecht behandelt
Der 27-Jährige fühlt sich vom DOSB ungerecht behandelt, "wenn der Verbandspräsident mir persönlich sagt: unser Ziel ist nicht die Finanzierung der Athleten, sondern die duale Karriere. Und dass sie primär nicht dafür verantwortlich sind, dass die Athleten Geld verdienen. Wenn Athleten Geld verdienen wollen, sollen sie Lotto spielen - das höre ich von dem DOSB-Präsidenten. Ich, der acht Stunden am Tag trainiert und danach noch zwei Stunden Uni macht. Da fehlen mir die Worte, da fehlen mir einfach die Worte. Das ist sowas von daneben. Das ist so selbstgefällig und einfach blass", sagte Harting.
Das Interview im Wortlaut:
"Herr Harting, Sie gelten als großer Kritiker des deutschen Sportfördersystems. Was sind Ihre hauptsächlichen Kritikpunkte?"
Robert Harting: "Mir geht auf den Senkel, dass es eine extreme Diskrepanz zwischen Ausführern und Entscheidern gibt. Ein Bach weiß nicht, was ein Julius Brink tut. So geht es halt nicht. Wer Erfolg will, wer Zielvereinbarungen mit Verbänden macht, darf nicht vergessen, dass es am Ende die Sportler sind, die es ausführen. Man entscheidet über Sportler wie über Produkte. Natürlich ist Sport ein Wirtschaftszweig, und die Athleten sind in der Lage, das temporär zu leisten. Letzten Endes darf man sie aber nicht wie Produkte behandeln. Wir sind am Ende der Kette und sind die, die die Arbeit umsetzen und verantworten müssen, wie viele Millionen in Sport investiert wurden. Die Versickerung, die Verteilung des Geldes ist undurchsichtig. Da hat der Deutsche Olympische Sportbund einiges zu tun, man muss selbstkritisch mit sich umgehen. Ich hoffe, dass sich wirklich etwas ändert, sonst geht das alles gegen den Baum."
"Haben Sie konkrete Ideen, was sich ändern muss?"
Harting holt Olympia-Gold
Harting: "Ich bin auch Sportler und kann nur sagen, dass es so nicht weiterläuft. Und kann sagen, wo es mir gefehlt hat und wie ich mich gefühlt habe. Ich bin in diesem Sinne kein Stratege, und das ist auch zu viel verlangt von den Sportlern. Wir können nicht Sport machen, nicht studieren, diversen Parteien dienen und jetzt auch noch das Sportsystem umbauen. Da hört es irgendwo auf. Dafür gibt es genug Leute, die dafür Geld bekommen und sich politisch gebildet haben, um jetzt den Schritt vom Funktionär, der sitzt, hin zum Aktiven zu machen. Da hoffe ich, dass der DOSB Druck macht und selbtskritisch mit sich umgeht in Sachen Geldverteilung und Prämienausschüttung. Es sind viele Wirtschaftspartner im DOSB vorhanden. Die Kanäle sind aber fragwürdig, und die muss man überarbeiten."
"Soll heißen: die Förderung stimmt, nur die Verteilung nicht?"
Harting: "Es ist die Frage, ob mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss. Man kann nicht gleich sagen, mehr Geld bringt die Lösung, sondern man wird relativ schnell erkennen, dass nicht das Geld das Problem ist, sondern die Leute und die Verteilung. Wenn ich aber Veränderungen erzielen will, muss ich erstmal Investitionen machen, und dafür ist mehr Geld notwendig."
"Inwieweit ist das auch eine Personalfrage?"
Harting: "Ich fühle mich sehr ungerecht behandelt beziehungsweise fühle keine Nähe zu diesem Verband. Und wenn der Verbandspräsident mir persönlich sagt: unser Ziel ist nicht die Finanzierung der Athleten, sondern die duale Karriere - die es ja insofern gar nicht gibt, weil ja jeder auf sich allein gestellt ist, also da wird nicht geholfen -, und dass sie primär nicht dafür verantwortlich sind, dass die Athleten Geld verdienen. Wenn Athleten Geld verdienen wollen, sollen sie Lotto spielen. Das höre ich von dem DOSB-Präsidenten. Ich, der acht Stunden am Tag trainiert und danach noch zwei Stunden Uni macht. Da fehlen mir die Worte, da fehlen mir einfach die Worte. Das ist sowas von daneben. Das ist so selbstgefällig und einfach blass. Wenn wir das nicht mit Herz tun würden, dann wären wir gar nicht mehr da. Und das ist ja das, was man manchen auch unterstellt, das es einigen nur ums Geld geht. Das ist Quatsch. Wenn ich einen jungen Sportler habe, der Existenzängste hat, dann kann er nicht an den Sport denken. Wenn diese Angst weg ist, kann er sich auf den Sport konzentrieren."
"Sehen Sie sich bei der Kritik als Sprachrohr aller Sportler oder vertreten Sie in erster Linie Ihre eigenen Interessen?"
Harting: "Ich bin natürlich verpflichtet, mich selbst zu erhalten. Das ist keine Frage, sonst kann ich auch keinem anderen helfen. Ich bin immer auf der Seite desjenigen, der es schwer hat. Es ist mir sehr sympathisch, wenn Leute kämpfen." (sid)