Frankfurt. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Wolfgang Niersbach, befürchtet in den Bundesligastadien englische Verhältnisse. Wie in der Premier League könnten die von den Stehplatzrängen ausgehenden Gewaltaktionen dazu führen, dass es in Zukunft nur noch Sitzplätze geben werde.

Die zunehmende Gewalt im deutschen Fußball könnte nach Angaben des neuen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach zu einem Stehplatzverbot in den Bundesliga-Stadien führen. 'Eines ist klar: Wir wollen und wir wünschen uns das nicht, aber es ist nicht zu leugnen, dass die Probleme weitgehend im Stehplatzbereich entstehen und nicht auszuschließen ist, dass aus der Politik irgendwann möglicherweise die Forderung danach kommen könnte, wie es in England geschehen ist', sagte der 61-Jährige im Interview mit dem kicker.

Streit um Zukunft der Stehplätze in Fußball-Stadien

Die Stehplätze gelten in Deutschland bei den Fans als 'Heiligtum'. In den Stadien der englischen Premier League werden aus Sicherheitsgründen dagegen nur noch Sitzplätze angeboten. Zuletzt hatte sich unter anderem Liga-Boss Reinhard Rauball klar gegen eine Abschaffung der vor allem bei den Ultras beliebten Stehplätze ausgesprochen.

'Eine Abschaffung der Stehplätze wird es unter meiner Führung nicht geben. Ich bin der Auffassung, dass Stehplätze zum Fußball dazugehören. Wir dürfen es nicht darauf ankommen lassen, dass bei uns die Politik eines Tages wie in England per Gesetz Stehplätze abschafft', sagte Rauball dem Sport-Informations-Dienst (SID).

DFL-Chef Seifert setzt auf Selbstreinigungskräfte in der Kurve

Auch DFL-Chef Christian Seifert hatte sich vor einiger Zeit mit Blick auf die
überragende Stimmung - beispielsweise in Dortmund oder Gelsenkirchen - für einen
Erhalt der Stehplätze ausgesprochen. 'Man denke nur an die Gelbe Wand der
Südtribüne in Dortmund. Stehplätze per se zu verdammen, wäre ein Affront gegen
den weitaus größten Teil der friedliebenden Fans auf den Stehplätzen. Ich hoffe
auf die Selbstreinigungskräfte der Kurve. Denn wenn sich der Fan eines Tages
nicht mehr sicher fühlen sollte, werden die Stadien schneller leer, als man
gucken kann', sagte Seifert dem Hamburger Abendblatt.

Dagegen plädierte Franz Beckenbauer wegen der jüngsten Ausschreitungen in den Stadien für das Ende der Stehplätze. 'Die Abschaffung von Stehplätzen wäre eine Maßnahme, um die Aggressivität zu reduzieren', sagte Beckenbauer, der zudem der Überzeugung ist, dass die Ultra-Kultur nicht ausufern dürfe: 'Man hat in Italien gesehen, wozu das führen kann, wenn Ultras zu viel Macht bekommen. Dann hast du als Verein irgendwann gar nichts mehr zu sagen. Darum habe ich ja immer gesagt: Wehret den Anfängen.'

Fußball stoße an seine Grenzen

Niersbach wünscht sich auch von den Medien einen etwas
differenzierteren Umgang mit dem Thema Gewalt und Fußball. 'Wenn jemand auf der
Autobahn einen anderen abdrängt, ist das kein Fußballfan. Das ist ein
Gewalttäter', sagte Niersbach, nachdem Ultras des 1. FC Köln vor einigen Wochen
einen Fanbus von Borussia Mönchengladbach auf der Autobahn attackiert
hatten.

'Wir müssen uns klar sein, dass der Fußball an seine Grenzen stößt.
Wenn jemand im öffentlichen Raum, egal, ob das ein Restaurant oder die
Wartehalle eines Bahnhofs ist, gegen Gesetze verstößt, dann ist die Justiz
gefordert', sagte Niersbach, der aber noch einmal betonte, dass im Zuge dieses
Themas beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) keine Ohnmacht herrsche.(sid/dapd)