Essen. Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, erhebt schwere Vorwürfe gegen den DFB und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff. Stein des Anstoßes sind der Auschwitz-Besuch einer DFB-Delegation und unglückliche Formulierungen Bierhoffs im März.

Mit scharfen Worten hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff angegriffen. Dieter Graumann warf Bierhoff in seiner Rede beim Gemeindetag des Zentralrats am Sonntag in Hamburg „kolossale Gefühllosigkeit und Geschmacklosigkeit“ im Zusammenhang mit der Diskussion um den Besuch einer DFB-Delegation im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz vor. Dies berichtet die Katholische Nachrichtenagentur KNA.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ulrich Graumann.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ulrich Graumann. © Unbekannt | Unbekannt

Mitte März hatte Graumann dem DFB vorgeworfen, er sende ein „fatales Signal an die Welt“, wenn gerade die Deutschen im Rahmen der EM in Polen und der Ukraine keine Holocaust-Gedenkstätte besuchten. Bierhoff hatte sich damals gewehrt und unterstrichen, dass sich die sportliche Führung der Nationalmannschaft sehr wohl mit dieser Thematik auseinandersetze. In der Tat sei ein Besuch in Auschwitz bereits Mitte 2011 in Erwägung gezogen worden.

„Natürlich greifen wir die Holocaust-Thematik mit den Spielern auf“, hatte Bierhoff im März gesagt und ergänzt, es sei noch nicht entschieden, in welcher Form dies geschehen werde: „Es kann ein Kamingespräch sein oder ein Vortrag.“ Das Benutzung des Wortes Kamingespräch, sagte Graumann nun am Sonntag in Hamburg, sei unerträglich vor dem Hintergrund, „dass in Auschwitz Menschen, zum Beispiel meine Großeltern, vergast, verbrannt und durch den Kamin gejagt wurden“.

DFB-Besuch in Auschwitz eine "verpasste Chance"

Den Besuch einer DFB-Delegation am vergangenen Freitag mit drei Nationalspielern in der Gedenkstätte Auschwitz wertete Graumann darüber hinaus als verpasste Chance. „Wenn die komplette Nationalmannschaft gekommen wäre, hätte man damit Hunderttausende junger Menschen erreicht, mehr als mit tausend Gedenkreden“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden und fügte hinzu, der DFB habe einen Besuch aller Spieler mit dem Hinweis abgelehnt, sie seien dafür zu sensibel.

Aus dem Kreis der Nationalelf waren am Freitag Kapitän Philipp Lahm sowie die beiden in Polen geborenen Spieler Lukas Podolski und Miroslav Klose mit einer Delegation um Präsident Wolfgang Niersbach, Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw nach Auschwitz gekommen. Dagegen werde die englische Nationalmannschaft die Gedenkstätte geschlossen besuchen, kritisierte Graumann. Beim Besuch des DFB hatte Bierhoff betont, man habe die Aktion klein gehalten und die Medien weitgehend ausgeschlossen, um „keine PR-Aktion“ daraus zu machen.

Kritik auch am IOC

Der DFB hatte sich nach Graumanns ersten Äußerungen im März irritiert gezeigt. Bierhoff bemängelte damals auch, dass Graumann nicht vor dem Gang an die Öffentlichkeit das Gespräch mit dem Verband gesucht habe. Nun könne es „so wirken, als seien wir dahin geführt worden“. Graumann warf Bierhoff nun vor, „haufenweise Porzellan zerschlagen und brutal nachgetreten“ zu haben. „So kann man mit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland nicht mehr umgehen“, sagte er unter dem Beifall der Zuhörer.

Kritik äußerte Graumann auch am Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Das IOC hatte den Vorschlag zurückgewiesen, der israelischen Sportler, die bei den Spielen vor 40 Jahren in München ums Leben gekommen waren, während der Eröffnungsfeier der Spiele in London mit einer Schweigeminute zu gedenken. Graumann nannte diese Ablehnung „gefühlskalt und unmenschlich“. (sid)