Frankfurt/Main. Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff will mit dem DFB zurück in die Weltspitze. Dazu stellt er einen Maßnahmen-Katalog vor.

Die Entschlossenheit zeigt sich nicht nur in den Augen von Oliver Bierhoff, sondern auch dann, wenn er die Hand zur Faust ballt. Wenn er auch die Arme nutzt, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. Dem Direktor der Nationalmannschaft und der Akademie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist es ernst, als er am Mittwoch in einer Loge im Frankfurter Stadion steht. Hier will der DFB seine Zukunftsvisionen vorstellen. Während also im Hintergrund durch die Fenster das Grün des Arena-Rasens schimmert, stellt Bierhoff klar: „Wir wollen zurück an die Weltspitze.“

Anspruchsvolle Reform

Nachdem sich der Verband nach Jahren des Rumpel-Fußballs im Jahr 2000 umgekrempelt hat, soll nun keine Revolution, aber eine Weiterentwicklung folgen. Nach dem blamablen Vorrunden-Aus bei der WM 2018 und den mäßigen Ergebnisse im Jugendbereich soll die Richtung geändert werden. Um dabei auch alte Tugenden wieder zu fördern, die in den vergangenen Jahren auf der Strecke geblieben sind. „Wir brauchen wieder Bolzplatzmentalität“, meint Bierhoff. Das Ziel? Spätestens bis zur Heim-Europameisterschaft im Jahr 2024 soll Deutschland wieder ganz oben stehen.

„Dafür braucht der deutsche Fußball eine Ausbildungsreform“, sagt der 50-Jährige.

Denn wenn man sich die Jugendausbildung des Deutschen Fußball-Bundes wie einen Wolkenkratzer vorstellt, dann steht dieses Gebäude auf einem riesigen Fundament. Noch immer tummeln sich tausende Kinder auf Deutschlands Fußballplätzen. Rennen, dribbeln, jubeln. Nur in die oberste Etage, die Weltspitze, gelangen immer weniger Nachwuchs-Fußballer, sie bleiben stecken im Stockwerk der Mittelmäßigkeit. Während es in den anderen Ländern viel mehr Talente nach oben schaffen.

England, Frankreich oder Belgien haben den DFB überholt. Was sich schon daran zeigt, dass Bundesligisten häufig Talente aus dem Ausland locken. Ein Jadon Sancho wirbelt mit seinen 18 Jahren auch deswegen im Trikot von Borussia Dortmund, weil deutsche Ausnahmespieler in diesem Alter Mangelware sind. „Diese Lücke müssen wir wieder schließen“, erklärt Bierhoff in Frankfurt.

Nur wie? Dafür hat der DFB einen Maßnahmen-Katalog erstellt. Vier Punkte stehen darin, die überarbeitet werden sollen. Der Kinderfußball, die Förderstrukturen, die Wettbewerbe und die Trainerausbildung. Die Änderungen sollen die Spitze betreffen. In den Nachwuchsleistungszentren soll zum Beispiel nicht mehr nur der identische Fußballtyp gefördert werden, der kleine Dribbler. Auch der große Kämpfer soll wieder seine Berechtigung haben. Zudem sollen Ex-Profis verstärkt in die Vereine geholt werden. Wie Sebastian Kehl, den Bierhoff als positives Beispiel nennt, weil er den BVB als Leiter der Lizenzspielerabteilung mit seiner Kompetenz ein ganzes Stück weiterbringe.

Aber Veränderungen beginnen im Kleinen, deswegen soll der Fußball auch auf dem Platz nebenan verändert werden. Etwa durch neue Spielformen im Jugendbereich. Dafür könnten die ganz kleinen Fußballer künftig nicht mehr „7 gegen 7“ spielen, sondern nur noch „2 gegen 2“ oder „3 gegen 3“. Damit sie mehr Spielanteile bekommen, häufiger am Ball sind, mehr Spaß haben.

Überhaupt brauche es wieder mehr Individualität. „Freigeister werden zu früh in ein System gepresst“, erläutert Bierhoff. Zu häufig würden taktische Abläufe trainiert werden. „Es bedarf wieder mehr Raum für Individualisten.“ Eben: Bolzplatz-Mentalität.

Konkurrenz: Handy und das Internet

Früher existierte diese von alleine. Weil Schüler nach Unterrichtsschluss ihren Ranzen möglichst zügig in die Ecke donnerten, um auf der Straße zu kicken. Heute locken Computerspiele, das Smartphone, das Internet. Und dann ist ja auch noch der Stundenplan wesentlich praller gefüllt. Deswegen sollen Bolzplatz und Trainingsplatz verschmelzen, indem Jugendspieler im Verein einfach mal drauflos spielen dürfen. Ohne Regeln.

Das alles braucht Zeit. Genauso wie die DFB-Akademie in Frankfurt, die vermutlich 2021 fertiggestellt wird. Sie soll das Gebäude der Erneuerung werden. Das Fundament. Damit künftig wieder mehr Talente die oberste Etage des Wolkenkratzer erklimmen. Ab in die Weltspitze.