London. Roger Federer zieht nach Marathon-Match ins Finale ein. Für seinen Sieg gegen Juan Martin Del Potro (3:6, 7:6, 19:17) benötigt der Schweizer vier Stunden und 26 Minuten. Es ist das längste olympische Tennis-Match aller Zeiten.

Es gab Momente, in denen er sich als Verlierer sah; erledigt, enttäuscht und erschöpft. In anderen Augenblicken sah er sich selbst schon mit einer Medaille um den Hals. Alles schien möglich zu sein in diesem Spiel, in dem es kein Ende zu geben schien, und mit diesem Gegner, der nicht nachließ und nicht zurückwich, keinen einzigen verdammten Millimeter. Nach vier Stunden und 26 Minuten war Roger Federer schließlich am Ziel, und der Sieg gegen Juan Martin Del Potro (3:6, 7:6, 19:17) führte ihn ins Finale des olympischen Tennisturniers, und damit steht auch fest, dass sich sein Traum von einer Medaille im Einzel erfüllen wird.

Zum ersten Mal während des Turniers waren die grünen Ränge des Centre Courts fast voll besetzt, mehr als ein Dutzend Schweizer Flaggen flatterte, eine Kuhglocke schepperte, ein Jodler ertönte und Kleinkinder schrien. Federer meinte hinterher im Scherz, in dieser Umgebung habe er sich gleich zuhause gefühlt – seine Zwillingstöchter Myla und Charlene feierten vor kurzem den dritten Geburtstag.

Del Potro dominiert Satz eins

Den ersten Satz an diesem kalten, stürmischen Sommertag dominierte der Argentinier; danach gewann Federer den Tiebreak des zweiten Durchgangs. Soweit zum normalen Teil des Spiels.

Vor dem Turnier hatten Federer und die anderen Spitzenspieler oft darauf hingewiesen, wie gefährlich das Format der zwei Gewinnsätze sei, in dem fünf nervöse Minuten bisweilen in die Niederlage führen. Das war an diesem Tag, wie sich in den restlichen zwei Stunden und 43 Minuten der Partie herausstellte, nicht das Problem. Die Ballwechsel wurden besser und besser, Federer hatte das Niveau seines Gegners längst erreicht, aber was er auch unternahm – Del Potro war nichts aus dem Konzept, nicht aus dem Rhythmus zu bringen.

Für einen Moment öffnete sich das Fenster mit der Aussicht zum Sieg mit einem Breakball beim Stand von 4:4 – Del Potro wehrte ab. Dasselbe bei 7:7, beim Stand von 9:9 gelang Federer endlich das Break, die Leute jubelten, denn sie wussten, dass er nun nur noch seinen Aufschlag durchbringen musste. Aber mit einem seiner schwächsten Spiele in diesem dritten Satz gab er seinen Aufschlag ab, Del Potro glich zum 10:10 aus, weiter ging’s, und Federer spürte, dass der Widerstand des Gegners nicht nachließ.

Wie ein geprügelter Hund

Was einem in solchen Momenten durch den Kopf geht? „Da hoffst du nur noch, dass er andere irgendwann einbricht“, gab er hinterher zu. „Normalerweise willst du so ja nicht gewinnen, aber das war mir in dem Moment egal.“ Beim Stand von 17:16 hatten sie die Spielzeit des Wimbledonfinales von 2009 übertroffen, in dem Federer den Amerikaner Andy Roddick besiegt hatte – wohlgemerkt in fünf Sätze. Ein paar Minuten später war’s vorbei, die Leute sprangen von ihren Sitzen, der Argentinier schlich wie ein geprügelter Hund zum Netz: „Das Spiel auf diese Art zu verlieren tut unglaublich weh“, gestand Del Potro.