Växjö.. Am Donnerstag starten die deutschen Fußballerinnen gegen die Niederlande in die Europameisterschaft in Schweden, und die erfahrene Torhüterin soll die Richtung vorgeben. Dabei leitet Nadine Angerer die blutjunge “Kindergarten“-Truppe auf ihre Art - locker, unangepasst und unkonventionell.
Der markante Hinweis auf das Alleinstellungsmerkmal von Växjö erfolgt gleich am Ortseingang. „Europas grönaste stad“, Europas grünste Stadt, prangt auf einer Steinkugel. Grün gilt als Attribut in der von Wäldern und Seenlandschaften umzingelten südschwedischen Kleinstadt, seit der britische Sender BBC einmal eine Auswertung unter diesem Aspekt vornahm.
Tatsächlich ist hier in der Region Småländ eine gelungene Kombination aus urbaner und ökologischer Vielfalt entstanden. Davon haben sich auch die hier beherbergten Spielerinnen des deutschen Frauen-Fußballnationalteams überzeugen können, die vor ihrem EM-Auftaktspiel gegen die Niederlande am Donnerstag (20.30 Uhr/ZDF) recht viel Freizeit genießen.
Die einen haben ausgiebig die Playstation im Mannschaftshotel unweit der prächtigen Domkirche bearbeitet, die anderen ausdauernde Spaziergänge im pittoresken Stadtzentrum unternommen, wo gerade noch eine putzige Fan-Zone entsteht. Und Nadine Angerer ist einfach zur Tankstelle gelaufen, um sich Kaugummi zu kaufen. „Da hat mich tatsächlich jemand erkannt, angesprochen und gefragt, ob ich mich wohlfühle“, erzählte die deutsche Torhüterin, die damit nicht gerechnet hatte.
Mehr Erfahrung als Angerer hat niemand im Team
Aber Angerer bedachte offensichtlich nicht die örtlichen Zeitungen und die rührigen Stadtgemeinden, die alles dafür tun, die am Mittwoch mit den Gruppenspielen Finnland gegen Italien sowie Schweden gegen Dänemark beginnende Frauen-EM zu bewerben. Dazu gehört, dass in Växjö unzählige Banner im Wind flattern, auf denen wechselweise entweder Nadine Angerer oder Dzsenifer Marozsan zu sehen sind.
Torhüterin und Taktgeberin gelten als stilprägend für das DFB-Team, aber der Wert Angerers ist dann doch bedeutender. „Sie hat sich zum Ziel gesetzt, diese Mannschaft durchs Turnier zu führen“, sagt Managerin Doris Fitschen. Niemand sonst im blutjungen Aufgebot, das die Bürde von fünf EM-Titeln in Serie und 26 EM-Spielen ohne Niederlage schultern soll, vereint so viel Erfahrung wie die 34-Jährige.
Die Kapitänin leitet den „Kindergarten“ auf ihre Art; unangepasst, unkonventionell. „Uns beeindruckt immer ihre Lockerheit“, sagt die erst 19-jährige Lena Lotzen. Die ausgebildete Physiotherapeutin Angerer bringt von 1996 an die Erfahrung aus 118 Länderspielen ein; sie hat die WM 2007 ohne Gegentor überstanden und 2008 ein wertvolles Lehrjahr bei Djurgården Damfotboll in Stockholm zugebracht.
Angerer rechnet sich selbst zu den drei stärksten Torhüterinnen der Welt
Und sie ist von der Fangtechnik und vom Reaktionsvermögen her noch immer Weltklasse – das sagt zumindest ihre einstige Konkurrentin Silke Rottenberg, die für das ZDF als Expertin durch Skandinavien tourt. Sich selbst rechnet Angerer unbescheiden auch noch zu den drei stärksten Torhüterinnen der Welt. Die WM 2015 in Kanada? „Ich bin fit, es geht mir gut – schauen wir doch einfach mal, wie es weiter geht.“
Ihre Reise 2013 führt ab September nach Australien, dem halbjährigen Intermezzo folgt ein USA-Engagement. „Ich wollte noch mal ins Ausland. Und Australien ist ein schönes Land, das bot sich für mich an. Noch darf ich leider nicht die Vereine sagen“, sagt Angerer. „Wenn man mich sichten will, kann ich ja ein Video schicken.“ Der Spruch passt zu einer, die ein Haus auf Fuerteventura besitzt und eine Wohnung in Frankfurt behält. Niemand wird sie in ein Schema pressen können.